alumni-netzwerk uni‘alumni 2017 bärbel schäfer ist seit 2012 regierungs- präsidentin des regierungsbezirks freiburg. von 1978 bis 1982 studierte sie an der universität freiburg rechtswissenschaft. ihr referendariat schloss sie 1985 mit dem zweiten staatsexamen ab. foto: regierungspräsidium freiburg „nachhaltig in erinnerung geblieben ist mir mein start an der universität frei- burg im sommersemester 1978. zum einstieg in das jurastudium wollte ich die veranstaltung zum strafrecht besuchen. der rektor hatte die neuankömmlinge willkommen geheißen, aber gleich hin- zugefügt, dass die alma mater auf die neuen studierenden nicht vorbereitet sei, da die damalige zentralstelle für die ver- gabe von studienplätzen (zvs) die zu- lassungsbescheide ohne abstimmung mit der universität freiburg versandt hatte. sein pragmatischer rat: ‚eine so- fortige teilnahme an veranstaltungen können wir ihnen leider nicht anbieten. nutzen sie die zeit anderweitig, um sich in freiburg besser zurechtzufinden.‘ das ließ ich mir nicht zweimal sagen. spontan fanden sich unter den kommi- litoninnen und kommilitonen so viele in- teressenten, dass wir uns erst mal mit zwei voll besetzten autos in den urlaub nach südfrankreich aufmachten. damit kein falscher eindruck entsteht: fleißig studiert habe ich in meinem ersten se- mester trotzdem noch: ich habe den volkswirtschafts-schein für juristinnen und juristen erworben.“ „nutzen sie die zeit anderweitig“ mein schein: bärbel schäfer das ist bis heute meine einstellung. ich verlange von meinen leuten nur das, was ich selbst bereit bin zu geben. in der finanzkrise bin ich auch economy ge- flogen, da gab es keine extras. sie mussten im laufe ihrer karriere einige unbequeme entscheidungen treffen. als sie bei der schenck- gruppe angefangen haben, stand eine vollsanierung auf dem programm. richtig, ich musste mehrere hundert stellen abbauen. ein paar jahre später habe ich die entscheidung getroffen, dass sich dürr von 800 leuten trennt. es ging nicht anders, die firma war in einer schieflage. aber in solchen situationen gehört es für mich dazu, dass ich mich nicht in meinem büro verstecke, sondern den leuten bei der betriebsversammlung gegenübertrete. wenn die ersten anfan- gen zu weinen, ist das kein gutes gefühl. in der finanzkrise ging der jahres- umsatz der firma dürr auf 1,1 milli- arden euro zurück – jetzt liegt er bei fast vier milliarden. wie ist ihnen das gelungen? ich habe mich in der betriebsversamm- lung hingestellt und gesagt: „das wort krise müssen wir aus dem kopf strei- chen. das ist keine krise, das ist ein abschwung.“ für uns war diese zeit eine chance, uns auf den nächsten auf- schwung vorzubereiten. und der kommt mit sicherheit, es sei denn, man glaubt an den weltuntergang. also gingen wir nach china, das weniger von der krise betroffen war, und bauten dort unser unternehmen aus, das auf lackiersys- teme für die automobilindustrie spezia- lisiert ist. ich stellte dort leute ein, ohne ausreichend aufträge zu haben. schon bevor die nachfrage anzog, gaben wir vollgas. ich dachte mir: wenn dieser plan aufgeht, verzeichnen wir einen er- folg. wenn nicht, ziehe ich die konse- quenzen, und jemand anderes wird meinen job übernehmen. es ging gut: 2010 haben wir unseren marktanteil in china in diesem segment auf rund 80 prozent gebracht. sie haben einmal gesagt: „ich bin kein manager, der kaffee trinkt und sich die zahlen anschaut.“ was machen sie stattdessen? im prinzip könnte ich meinen job überall erledigen, wo ich internet und telefon habe, aber das will ich nicht. ich bin auch nicht der typ, der helikopter-management betreibt: man fliegt irgendwo hin, schaut sich ein unternehmen zwei stunden lang an und bekommt ein unrealistisches bild, weil zuvor alles auf vordermann gebracht und poliert worden ist. mir ist es wichtig, nah an den mitarbeitern zu sein, denn stimmungen und trends kriegt man nur vor ort mit. trotz der digitalen revolution ist ein persönliches gespräch durch nichts zu ersetzen. wenn eine firma eine lackieranlage bei uns kauft, die zwischen 50 und 150 millionen euro kostet, will ich bei den verhandlungen anwesend sein. wie oft kommt das vor? jedes mal, wenn ich urlaub habe. meine freizeit ist überschaubar, die meisten wochenenden sind von der arbeit bela- gert. dafür kann ich mich auf nachtflü- gen gut entspannen: keiner kann mich anrufen, keiner kann mir e-mails schrei- ben, und ich habe endlich zeit zum nachdenken. sie unterstützen die universität freiburg seit jahren mit einem deutschlandstipendium. warum ist es ihnen wichtig, ihre alma ma- ter zu fördern? ich habe damals mein studium auf kos- ten der allgemeinheit absolviert. ich will etwas zurückgeben, und das halte ich für normal. was mich nachträglich in meiner entscheidung bestärkt hat, ist ein brief, den ich von einer studentin bekommen habe. sie bedankte sich für die freiräume, die ihr das stipendium ermögliche. als ich student war, musste ich mich selbst finanzieren – ich saß jede freie minute im laster. ein jahr vor meinem examen starb mein vater. tagsüber wickelte ich also die firma ab und verdiente geld, nachts lernte ich auf die prüfungen. es macht mir freude, zu wissen, dass ein junger mensch heute weniger stress hat als ich damals. 21