d l a w h c s O n e g r ü J : e g a t n o M 8 EU RO PÄ I SCH E U N I V E RS I TÄT Bildung: made in Europe Mit EPICUR legt Freiburg gemeinsam mit Partnerhochschulen den Grundstein für einen virtuellen Campus, von dem 270.000 Studierende profi tieren Seine Anhänger führten die Schule, die er in dem berühmten Garten von Athen gegründet hatte, nach seinem Tod fast 500 Jahre weiter. Seine Widersacher, wie zum Beispiel Martin Luther, sahen in ihm hingegen einen liederlichen Hallodri, der wie ein Tier nur den niedersten Instinkten frönte: Der griechi- sche Philosoph Epikur, um 341 vor Christus auf der ägäischen Insel Samos geboren, beeinfl usste Generationen großer Den- kerinnen und Denker – und er sorgte für hitzige Diskussionen, die Jahrhunderte andauerten. Doch die Zeit rehabilitierte Epikur und seine oft missverstandene Lehre von der Lust. Vielen gilt er inzwischen als Vater des lebenslangen Lernens, als Verfechter der Gesetzestreue, der die guten Sitten hochhielt und seine Schüler zur Umsetzung kluger Gedanken anleitete. Von diesem geistigen Erbe können auch zeitgemäße Formen des Lehrens und Lernens profi tieren – davon sind die Universi- tät Freiburg sowie sieben weitere Hochschulen überzeugt. Der Philosoph dient ihnen als Namenspatron für das Konsortium European Partnership for an Innovative Campus: Unifying Regions – kurz: EPICUR. Dahinter verbirgt sich eine Vision für die Zukunft, wie ein Campus des 21. Jahrhunderts aussehen könnte. Im Juli 2019 haben die beteiligten Hochschulen aus Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden, Polen und Griechenland die Jury bei dem Wettbewerb „European Universities Initiative“ im Programm „Erasmus+“ der EU mit ihrem Konzept überzeugt. Seismograf für Veränderungen Die EU forderte alle Hochschulen auf, neue Lernformate im europäischen Dialog zu erarbeiten, und wählte in der ersten Runde 17 Verbünde aus; 2020 werden voraussichtlich 24 weite- re Konsortien hinzukommen. Bis zum Jahr 2024 sollen auf die- se Weise Modelle für „Europäische Hochschulen“ entstehen, deren Studierende vom gemeinsamen Bildungsraum profi tieren – im Falle EPICURS sind das knapp 270.000. Mehr als 200 Mil- lionen Euro investiert die Europäische Kommission in die aus- gewählten Verbünde. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Foto: Sandra Meyndt Universität Strasbourg Foto: Catherine Schroeder Zukunft kann nur ein gemeinsames Europa sein“, sagt Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Universität Freiburg. Und auf dem Gebiet der universitären Bildung bedeute gemeinsam: ein virtueller Campus, der eine neue Generation von Europäerinnen und Europäern hervorbringt. „Wir möchten junge Menschen aus- bilden, die über Grenzen, Disziplinen, Kulturen und Sprachen hinweg die großen Herausforderungen angehen, denen sich Eu- ropa gegenübersieht. Europäische Lehre ist die Grundlage für die Stärkung einer europäischen Identität.“ Mittelfristig könnte das Netz der Allianzen zwischen 250 und 300 europäische Uni- versitäten umfassen. Dabei ist Inklusion oberstes Gebot: Weg mit bürokratischen Hürden, große Universitäten aus Westeuropa kooperieren mit kleineren Einrichtungen aus dem südlichen und östlichen Raum, Forschende arbeiten in Teams zusammen, die Fächer- und Ländergrenzen überschreiten, Studierende gestal- ten selbstbestimmt ihre Lehrpläne auf dem Weg zu einem euro- päischen Abschluss. Herzstück Interdisziplinarität Doch wie sieht eine europäische Lehre nach den Vorstellun- gen von EPICUR aus? Im Mittelpunkt des Vorhabens stehen die Liberal Arts and Sciences Education, die digitale Transfor- mation von Lehrformen sowie der Ausbau von Mobilitätsange- boten für Studierende. Daneben bilden die europäischen Sprachen und die verschiedenen regionalen Netzwerke, in die die Universitäten eingebettet sind, Schwerpunkte der Zusam- menarbeit. Blended Learning ist das Format der Wahl: Studie- rende mehrerer Universitäten nehmen per Videokonferenz an Seminaren teil und treff en sich zum Abschluss der gemein- samen digitalen Arbeit für mehrere Tage physisch. Praktika in- nerhalb der zahlreichen Netzwerke, die zum Beispiel die Region am Oberrhein oder den Schwarzmeer-Raum verbinden, bieten neue Qualifi kationsmöglichkeiten. Die Hochschulen erarbeiten derzeit gemeinsam die Grundla- gen für die Schwerpunkte. Freiburg zeichnet für die Liberal Arts and Sciences Education verantwortlich. Darin sieht Dr. Günter Schmidt-Gess, Leiter der Abteilung Lehrentwicklung an der Uni- versität, das Herzstück von EPICUR. 2012 am University College Freiburg der Albert-Ludwigs-Universität in englischer Sprache gestartet, war der Bachelorstudiengang Liberal Arts and Sciences (LAS) der erste seiner Art in Deutschland. „Nun wollen wir diese Lehrphilosophie, die Studierende auf interdisziplinäre Weise an die großen Themen von Politik, Gesellschaft und Umwelt heran- führt, auf eine europäische Ebene heben.“ Die große Vision ist es, in einigen Jahren einen LAS-Studiengang an allen acht Partnerhochschulen anzubieten. Doch schon ab 2020 werden Studierende einzelne Module belegen können, die ihnen ab- schließend ein „European-Track-Zertifi kat“ einbringen. Neue Partner, bewährte Verbündete Mit dem Wettbewerb scheint die EU wie ein Seismograf auf die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre zu reagieren. Einst als Friedensgarant für einen von Krieg zerrütteten Kontinent geschaffen, steht das Projekt Europa zunehmend unter Druck: schwächelnde Wäh- rung und Wirtschaft, eine Landschaft von disparaten Mitglied- staaten, Brexit, rasch wachsender Populismus. „Doch die Die Ausschreibung der EU stellt zwar die Lehre in den Mittel- punkt, doch Freiburg habe ein breiteres Verständnis einer Euro- päischen Hochschule, betont Rektor Schiewer: „Ein bewährtes Modell dafür ist der Verbund Eucor – The European Campus, der mit seiner ausgezeichneten Stärke in Forschung, Lehre, Innova- tion und Transfer die trinationale Wissenschaftsregion am Ober-