14 menschen 04 2018 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Ein glücklicher Zufall Katharina Krahé stieg spontan in die Hochschulpolitik ein und wurde mit den meisten studentischen Stimmen in den Senat gewählt von Stephanie Streif Wenn Katharina Krahé redet, dann erzählen auch ihre Hände. Sie gestikuliert, formuliert und ringt mit sich, um ihre Sätze noch genau- er, noch besser zu machen. Die Süß- kartoffelsuppe, die ihr die Kellnerin gerade vorgesetzt hat, lässt sie kalt werden. Reden ist wichtiger. Krahé ist 24 Jahre alt und wurde im Juni 2018 mit den meisten Stimmen als studen- tisches Mitglied in den Senat der Uni- versität Freiburg gewählt. „Klar habe ich mich gefreut“, erzählt sie. Sie hat gerade Mittagspause. Noch vor einer Stunde stand sie im Kollegiengebäu- de IV und hat zusammen mit ihrer Fachschaft Kaffee ausgeschenkt. Krahé hat viel zu tun: Sprechstunde Vorstand, Studierendenrat, AStA, Hiwi-Job, Fachschaftstreffen. „Und in meiner Freizeit studiere ich“, sagt sie lachend. Ihre Lehrveranstaltungen quetsche sie in einen Tag, außerdem besuche sie, wenn möglich, Blockse- minare. Mehr sei gerade nicht drin. Dass sie die Universität ganz anders erleben kann als die meisten Studie- renden, empfindet Krahé als großen Vorteil. „Man ärgert sich schon manchmal, dass sich nicht mehr Stu- dierende hochschulpolitisch engagie- ren. Aber ich habe auch das Privileg, dass meine Mutter unterstützt, was ich mache, und dass es kein Problem ist, wenn ich länger für mein Studium brauche.“ Engagement im Studium würdigen Auf die Frage, ob sie sich auch schon während ihrer Schulzeit viel engagiert habe, in Vereinen etwa oder irgendwelchen Umweltgruppen, schüttelt Krahé den Kopf. „Nein, das ging erst hier in Freiburg los.“ Aufge- wachsen ist Krahé in Niedersachsen. Nach dem Abitur zog sie nach Cott- bus und studierte erst einmal Archi- tektur – ein Semester, zwei. Dann merkte sie, dass es das nicht war: „Das Studium war extrem strukturiert. Alle studierten nach dem gleichen Plan, da war wenig Raum für ande- res.“ Das sei nichts für sie gewesen. Also beschloss sie, in Freiburg Eng- lisch und Geschichte zu studieren – erst auf Lehramt, dann wechselte sie in den Bachelor. Warum das? „Auch wieder der extremen Struktur wegen. Unterrichten und die Weitergabe von Wissen sind nicht das Problem, son- dern das System, in dem es passie- ren soll.“ Kaum dass sie 2014 ihr Studium in Freiburg aufgenommen hatte, wurde Katharina Krahé will die Kommunikation zwischen den Studierenden und deren Vertretung an der Universität verbessern. FOTO: HARALD NEUMANN sie auch schon in der Anglistik-Fach- schaft aktiv. Im dritten Semester wur- de sie, wie sie selbst sagt, eher zufäl- lig in den Studierendenrat gewählt. Ein glücklicher Zufall sei das gewe- sen. „Die Fachschaft hat damals mit einem ‚Wer macht’s?‘ nach Kandida- tinnen und Kandidaten gesucht, also habe ich mich gemeldet.“ Zwei Jahre später saß die Studentin auch im Vor- stand der Studierendenvertretung. Krahé wirkt ernst – oder eher so, als wolle sie mehr als nur Spaß im Leben haben. Sie hält es für wichtig, mitzu- tun: „Die universitäre Verwaltung pas- siert nicht einfach, sondern kann mitgestaltet werden.“ Dass viele Studierende das anders sehen, liege auch daran, dass diese Art von Enga- gement in keinem Studienverlaufs- plan und keiner Prüfungsverordnung vorkomme, geschweige denn mit irgendwelchen ECTS-Punkten hono- riert werde. Auf die Frage, ob sie glaube, als Mit- glied des Senats etwas verändern zu können, reagiert Krahé nachdenklich. „Vermutlich eher weniger“, sagt sie nach einer Pause. Aber sie könne das Gefühl, gegen Windmühlen anzukämp- fen, gut aushalten. Ideen hat sie viele. Im Rahmen ihrer AStA-Arbeit will sie jetzt das Kommunikationsreferat wieder besetzen, um mehr Austausch zwi- schen den Studierenden und deren Vertretung möglich zu machen. Sie höre oft von Kommilitoninnen und Kom- militonen, dass sie etwas störe, zum Beispiel die Prüfungsordnung. „Dass sich die Bedingungen, unter denen man studiert, möglicherweise ändern lassen, denken allerdings die wenigs- ten.“ Also tun sie nichts. Krahé glaubt, dass ein niedrigschwelliges Informati- onsangebot dem einen oder der ande- ren mehr Mut machen könnte: „Zu ver- bessern gibt es jedenfalls viel.“ Groß denken, kleine Schritte gehen Michael Lauk hat acht Start-ups mitgegründet und will andere zur beruflichen Selbstständigkeit motivieren von Jürgen Reuß Mit Dr. Michael Lauk ei- nen Gesprächstermin zu finden ist nicht leicht. Nicht weiter verwunderlich bei jemandem, der in den vergangenen 20 Jahren acht Unternehmen im medizintech- nischen Bereich mitgegründet hat und in etlichen gemein- nützigen Organisationen aktiv ist. Das Treffen findet im Frei- burger Industriegebiet statt, in den Räumen der neuroloop GmbH, die Lauk mit auf den Weg gebracht hat. Start-up Nummer sechs. Eine Makro- aufnahme des Produkts von neuroloop schmückt sein Büro: eine Elektrode, die am Vagusnerv eingesetzt wird, um über elektrische Stimula- tion den Blutdruck zu senken. Die Atmosphäre ist relaxed. Lauk ist nicht der Typ, der die Hektik eines Vielbeschäf- tigten versprüht. Mit seinem sportlichen Aussehen und of- fenen Lächeln könnte er auch gut jungen Unternehmerinnen und Unternehmern in einem Schulungsvideo gewinnendes Auftreten vermitteln. So weit ist das nicht von der Realität entfernt: Lauk möchte nicht nur eigene Firmen an den Start bringen, sondern auch junge Menschen zu Gründungen motivieren. Er engagiert sich ehren- amtlich im Vorstand der Wirtschafts- initiative bwcon und als erster Vorsit- zender des Verbandes der Freunde der Universität Freiburg. „Mit dem Ver- band haben wir neulich die Idee eines energieautarken Autoklavs gefördert. Ein super Ding, um medizinische Ge- räte auch in Drittweltländern ohne ge- regelte Energieversorgung sterilisie- ren zu können“, begeistert er sich. Der Verband der Freunde ist Lauk aus noch einem Grund wichtig: „Ich kom- me aus einem Nichtakademikerhaus- halt mit fünf Geschwistern. Deshalb engagiere ich mich gern für Leute, die finanzielle Hilfe für ihr Studium benöti- gen, auch wenn wir mit unseren be- grenzten Mitteln nur Impulse setzen können.“ Reiten auf der Start-up-Welle habe dort gleich mit dem Forschen begonnen, und bis zum Diplom war ich schon an mehr als zehn Veröffent- lichungen beteiligt.“ Sein zweiter Trig- ger war das Auslandsjahr an der Bos- ton University in den USA von 1996 bis 1997, während der ersten großen Start-up-Welle. „Das war ansteckend, zumal wir damals im Freiburger Zen- trum für Datenanalyse ebenfalls viele Industrieprojekte im klinischen Bereich und in der Qualitätssicherung am Start hatten.“ Also gründete er während sei- ner Promotion 1998 die erste Firma. Acht Unternehmen, hohes gesell- schaftliches Engagement – wird man da nicht aufgerieben? „Den Antrieb verspüre ich schon mein ganzes Le- ben lang, das belastet mich gar nicht“, winkt er ab. „Eher umgekehrt: Mich würde es wahnsinnig machen, wenn ich im Urlaub nur am Strand hocken müsste.“ Sicher gebe es auch Phasen, in denen vieles schieflaufe. „Da muss man dann durch und zäh sein.“ Studiert hat Lauk Physik. Allerdings nur, weil in den 1990er Jahren das Fach, für das er sich eigentlich inter- essierte, die Verfahrenstechnik, in Freiburg nicht angeboten wurde. Sein großes Glück war, dass er im ersten Semester einen Job als Hilfskraft in der Neurologie fand. Physiker, die pro- grammieren und komplexe Technik warten konnten, waren gefragt. „Ich Überhaupt müsse man für Start-ups Ausdauer aufbringen. Lauks Devise lautet: groß denken, aber die Ziele in kleine Schritte einteilen. Er vergleicht das mit Extrem-Ausdauersportarten. „Da gerät man unweigerlich in völlige Hoffnungslosigkeit und will aufgeben. Damit es nicht so weit kommt, steckt man sich kleine Ziele: noch bis zur nächsten Verpflegungsstation, die eine Kurve noch. Dann wird die nächs- te Etappe zum Erfolg, und das motiviert.“ Intensive Stunden ohne Ablenkung Sport spielt eine wichtige Rolle in Lauks Leben, aber nicht als Ausgleichs- hobby. „Ich bin ein extremer Mensch. Ich will kompetitiv sein und mache Sa- chen entweder richtig oder gar nicht.“ Zum Beispiel die Teilnahme am Iron Man auf Hawaii/USA. In nur anderthalb Jahren hat er sich den typischen Vater- schaftsbauch abtrainiert – bis zur Wett- kampfhärte. Doch es geht ihm nicht nur um Ehrgeiz: „Beim Sport bin ich nicht erreichbar. Das sind intensive Stunden ohne Ablenkung, in denen ich in Ruhe über wichtige Entscheidungen nachden- ken kann. Sport macht mein Berufsle- ben effizienter.“ Wird so auch die Familie gemanagt? „Das geht nicht, und das will ich auch nicht. Familie steht bei mir ganz oben und ist der einzige feste Anker in mei- nem Leben.“ Für Lauk funktioniert das nur, weil seine Frau mitzieht, nicht nur beim Sport. „Wir sind auch ein Arbeitsteam. Anders ginge es nicht. Die Auswirkungen der Arbeit sind so groß, dass wir das nur zusammen stemmen können.“ Vielleicht ist die nächste Gene- ration bald mit im Team. Zumindest re- den auch die beiden fast erwachsenen Kinder schon von Start-ups. Viel beschäftigt, aber entspannt: Den Antrieb, mehrere Projekte gleichzei- tig anzuschieben, verspürt Michael Lauk schon sein ganzes Leben lang. FOTO: PATRICK SEEGER