01 2021 01 2021 aktuell unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Rein in die Impfkabine Das Zentrale Impfzentrum Freiburg versorgt derzeit knapp tausend Menschen täglich – aber es geht noch mehr Entspannte Stimmung: Etwa eine halbe bis Dreiviertelstunde dauert es, bis eine Person mit ihrem Impftermin durch ist. FOTOS: J Ü RG EN G O C K E von Claudia Füßler Das Walkie-Talkie krächzt. Dr. Thorsten Hammer zieht ent- schuldigend die Augenbrauen hoch, nimmt das kleine Gerät vom Tisch und antwortet: „Ja, Hammer hört.“ Es ist der Einlass, eine Frau steht dort – ohne Termin. Sie möchte un- bedingt geimpft werden, sie betreue zu Hause ihre kranke Mutter. Thorsten Hammer lässt sie nicht rein. „Das gehört mit zu den schwersten Auf- gaben hier: Leute wegzuschicken, die ja etwas Vernünftiges tun und sich impfen lassen wollen. Aber wir haben zurzeit einfach nur Impfstoff für diejenigen mit Prio 1.“ Thorsten Hammer leitet die Operative Notfallmedizin an der Universitätsklinik Freiburg und ist dort Katastrophen- schutzbeauftragter. Seit Ende vergan- genen Jahres hat sich sein Arbeitsfeld erweitert: Gemeinsam mit Frank Ueker- mann, dem Leiter des städtischen Garten- und Tiefbauamts, hat er das Zentrale Impfzentrum Freiburg konzi- piert und mit aufgebaut. Die beiden haben mit vielen Fachleuten gesprochen: Die Logistiker der Universität wussten, wie man ein Lager baut. Der Betriebs- arzt der Universitätsklinik gab Tipps, wie man einen Korb mit den notwen- digen Materialien für die Impfkabine Aus einer Impfstoff ampulle können sechs Dosen gewonnen werden. packt. Der Apothekendirektor der Uni- versitätsklinik erklärte ihnen, wie man einen Arbeitstisch einrichtet, an dem das Medikament aufbereitet und für die Verimpfung vorbereitet wird. Im Dezember 2020 wurde mit 60 Mimen simuliert, wie der Durchlauf im Impfzentrum aussehen könnte. „So h aben wir zum Beispiel gesehen, dass die Registrierung zu einer Engstelle werden kann – also haben wir hier die Kabinenzahl noch einmal erhöht“, sagt Hammer. „Uns war lieber, dass uns solche Dinge im Testlauf auff allen, als dass wir die Türen öffnen und dann feststellen, wo es überall hakt.“ Jetzt sind die Türen offen, und Anfang Februar kommen pro Tag etwa tausend Menschen, um sich impfen zu lassen. Täglich sind Uekermann oder Hammer vor Ort und eilen mit dem Walkie Talkie in der Hand durch die Messehalle 2, immer dorthin, wo sie gerade gebraucht werden. Ihre Aufgabe? „Schauen, dass der Betrieb läuft“, sagt Hammer. Und der läuft. Bis an den Bodensee und den Hochrhein Gut 20 Menschen stehen in der zick- zackförmig angelegten Schlange vor den Impfkabinen, alte und junge. Sie studieren Infomaterial, dass sie bei der Registrierung bekommen haben. „Wir betreiben hier eine regelrecht aggres- sive Aufklärung und kommunizieren viel mit den Leuten“, sagt Hammer. Alle zwei Meter steht ein Stuhl, eine ältere Frau wandert so von Sitzgele- genheit zu Sitzgelegenheit. Sie kann aber nicht lange sitzen bleiben, denn die Schlange bewegt sich zügig. Noch schneller geht es nur rechts daneben in der „Fast Lane“ – hier werden Men- schen mit Rollator und Rollstuhl in extragroße Kabinen geschleust. Sie sollen nicht unnötig warten müssen. Hinter den 20 nebeneinanderstehen- den Impfkabinen beginnt die Zone, zu der die Impfl inge keinen Zutritt haben. Hier wird der Impfstoff angeliefert und aufbereitet. Hammer fl achst mit zwei Kollegen, die vorbeikommen. Die Stim- mung ist gut im Team. „Wir sind eine bunt gemischte Truppe aus verschie- denen Berufsgruppen und unter- schiedlichsten Alters, ohne Titel und Allüren. Wir haben Leute aus anderen Kliniken hier, niedergelassene oder so- gar schon pensionierte Kolleginnen und Kollegen … Ich mag die Atmo- sphäre: herzlich, gut gelaunt, jeder packt gerne an.“ Hier hinten hängt auch „die Karte der Karten“, wie Thorsten Hammer sagt. Er tritt vor die Karte von Südba- den und zeigt, wo die derzeit drei mo- bilen Impfteams schon überall waren – bis an den Bodensee und den Hoch- rhein haben sie den Impfstoff gebracht. Weil der innerhalb von zwei Stunden nach der Aufbereitung verimpft wer- den muss, sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend geschult worden. So können sie die Impfdosen vor Ort selbst vorbereiten. Ganz sanft kippen Im Zentralen Impfzentrum Freiburg wird der Impfstoff an den Aufberei- tungstischen geschüttelt. Ganz sanft, zehnmal, kippen die Mitarbeitenden in kompletter Schutzmontur jedes kleine Fläschchen. „Da muss man das richti- ge Maß fi nden, um den Impfstoff quasi zu aktivieren, ihn aber nicht durch zu heftige Bewegungen zu zerstören“, er- klärt der Direktor der Klinikumsapothe- ke, Prof. Dr. Martin Hug, der gerade eine Kühlbox mit neuem Impfstoff bringt. Dieses Konzentrat wird mit einer hochreinen Kochsalzlösung ver- mischt und dann in Spritzen mit ganz geringem Totraum aufgezogen. Auf diese Weise können aus einer Am- pulle mit Impfstoff des Unternehmens Biontech sechs Dosen gewonnen wer- den. Für den Fall, dass das am Ende eines Impftages nicht aufgeht und mehr aufbereiteter Impfstoff da ist als Zwei Piekse, weniger Angst Zwei Piekse, weniger Angst Meret Quante studiert an der Uni- versität Freiburg Medizin im elften Semester und hat sich als freiwillige Helferin für das Impfzentrum gemeldet. Claudia Füßler hat die angehende Medizi- nerin gefragt, wie sie diese Arbeit erlebt. uni’leben: Frau Quante, Sie haben sich als Freiwillige für die Arbeit im Zentralen Impfzentrum Freiburg gemeldet – wie kam das? Meret Quante: Wir haben als Fachschaft Medizin bereits im Früh- jahr 2020 eine Hilfsplattform aufge- baut, auf der wir Kliniken und Pfl ege- heime aus dem Raum Freiburg, die personelle Unterstützung brauchten, mit Studierenden zusammenge- bracht haben, die helfen wollten. So haben wir insgesamt etwa 700 Studie- rende vermittelt. Diejenigen, die in der Ausbildung schon recht weit waren, haben beispielsweise auf den Intensiv- stationen gearbeitet. Andere haben die Sicherheitsdienste der Kliniken unter- stützt, etwa bei der Einlasskontrolle. Inzwischen sind die Anfragen seitens der Kliniken und Heime zurückgegan- gen. Jetzt werden wir eher gefragt, ob wir bei den Schnelltests für Besuche- rinnen und Besucher und Personal helfen können. Über diese Plattform ist der Kontakt zu Thorsten Hammer zustande gekommen, der das Impfzen- trum mit aufgebaut hat. Und der hat dann gleich die Studierenden fürs Impfzentrum rekrutiert? Genau. Wobei er zuerst gefragt hat, wer im Dezember mal einen Vormittag lang Zeit für einen Testlauf im Impf- zentrum hätte. Sie wollten einen Tag mit Patientinnen und Patienten simu- lieren, um zu schauen, wo es eventu- ell noch hakt. Da war ich auch dabei und habe einen Impfl ing gespielt, der das ganze Prozedere durchläuft. Das war spannend. Im Anschluss wurde angekündigt, dass Studierende ge- sucht würden, die im Impfzentrum mit- arbeiten wollten. Da habe ich mich gemeldet – und mit mir viele andere Kommilitoninnen und Kommilitonen. Wie oft arbeiten Sie jetzt dort? Je nachdem, wie ich es mir einrich- ten kann, ein- bis zweimal die Woche. Das funktioniert recht flexibel und passt mir wunderbar, da ich mich ge- rade auf mein Zweites Staatsexamen vorbereite. Es ist eine nette Abwechs- lung zum Lernen. Was genau ist Ihre Aufgabe? Die Medizinstudentin Meret Quante hat sich als Freiwillige für die Arbeit im Impfzentrum gemeldet. Das wechselt. Mal sitze ich mit in einer Impfkabine und kümmere mich um den ganzen Papierkram: Die Impfung muss auf einem Zettel einge- tragen werden, der in den Impfpass kommt, außerdem wird jede Impfung digital gespeichert, sodass sie ans Land gemeldet werden kann. Manch- 3 Leute, die einen Impftermin haben, gibt es ein Nachrückersystem. „Das sind Menschen mit Prio 1 aus um- liegenden Kliniken oder Heimen, die in 15 bis 30 Minuten da sein kön- nen“, sagt Hammer. „Bei uns wird nichts weggeworfen.“ Die Spritzen mit dem aufbereiteten Impfstoff werden nach und nach in die Impfkabinen gebracht. Ein gro- ßer grüner Punkt zeigt an, welche Kabinen von einem Arzt und einem Helfer belegt sind, also beliefert werden müssen. Derzeit sind noch nicht alle Kabinen grün, aber man ist darauf vorbereitet, bis zu 2.000 Menschen täglich zu impfen. „Wir sind bereit für die Vollauslastung“, sagt Hammer, „wir brauchen nur noch ausreichend Impfstoff .“ Er läuft mit schnellen Schritten an den Impf- kabinen vorbei, zeigt Personal- räume, Handyladestationen und den Sanitätsbereich, in dem alles eingerichtet ist für den Fall, dass jemand schwere Nebenwirkungen entwickelt. „Da ist bisher zum Glück noch nichts passiert.“ Thorsten Hammer schätzt „die bunt gemischte Truppe aus verschiede- nen Berufsgruppen“, die im Zen- trum arbeitet. Alle werden gebeten, nach der Impfung noch 15 Minuten dazu- bleiben, um bei eventuell auftreten- den Nebenwirkungen reagieren zu können. Der Beobachtungsbereich ist wie eine Chill-out-Zone gestaltet: Die Stadtgärtnerei hat Palmen auf- gestellt, leise Musik dudelt, eine mo- bile Kaff eebar verkauft Cappuccino und Süßes. Auf den mit Abstand aufgestellten Stühlen sitzen verein- zelt Geimpfte, eine Ärztin oder ein Arzt hat sie immer im Blick. Eine große Uhr mit roten Leuchtziff ern zeigt die Zeit an, damit alle wissen, wann sie gehen dürfen. „Nach ins- gesamt einer halben bis Dreiviertel- stunde“, schätzt Hammer, „ist jeder durch mit seinem Impftermin.“ Der Betrieb läuft. www.corona-impfzentrum-freiburg.de mal arbeite ich als Infoscout und laufe im Impfzentrum herum, um die Fragen der Leute zu beantwor- ten. Oder ich bereite hinter den Kabinen den Impfstoff vor. Wir sind alle intensiv in alle Bereiche einge- arbeitet worden, sodass wir poten- ziell auch mit den mobilen Impf- teams in die Pflegeheime fahren und dort vor Ort die Impfung mit allem Drum und Dran durchführen können. Was macht Ihnen am meisten Spaß? Die ganze Arbeit im Impfzentrum ist toll, und die Stimmung im Team ist angenehm. Am liebsten sitze ich aber in der Kabine, weil ich dort Patientenkontakt habe. Das ist ja auch der Grund, weshalb ich Ärztin werden möchte. Es ist schön, zu sehen, wie dankbar die Menschen sind, die geimpft werden. Nach der zweiten Impfung höre ich oft, dass sie sich freuen, nun weniger Angst haben zu müssen.