Der Freiburger Forscher hat Möglichkeiten gefunden, Hautzellen zu Nierenzellen umzuprogrammieren. Foto: Jürgen Gocke 39 Embryo aktiv sind. Sie stoßen die rasche Vermehrung von Zellen an.“ Oder der Sonder forschungsbereich 992, Medical Epigenetics, der Chromatinveränderungen bei bestimmten Er krankungen auf der Spur ist. Etliche Krankheiten sind laut Arnold darauf zurückzuführen, dass Zellen ihre Identität verlieren. Etwa Herzerkrank ungen, bei denen sich der Herzmuskel verdickt und vergrößert. „Die Programme der Zellen werden teilweise in einen fetalen Zustand zurückver setzt. Das sollten wir verhindern und versuchen, den Zellen ihre erwachsene Identität zurückgeben.“ Stecknadel im Heuhaufen Wie lassen sich die Erkenntnisse über die Bildung zellulärer Identität nutzen? Während seiner Jahre als EmmyNoetherNachwuchsgruppen leiter in der Nierenabteilung der Inneren Medizin am Freiburger Universitätsklinikum hat Arnold Möglichkeiten gefunden, Hautzellen zu Nieren zellen umzuprogrammieren. Dazu musste er sie nicht einmal, wie der Laie vermuten würde, auf null zurücksetzen, also in embryonale Stamm zellen zurückverwandeln. Denn das, so Arnold, komme in der Natur ohnehin niemals vor. Mithilfe von vier Regulatoren, den Transkriptionsfakto ren, gelang eine direkte Umprogrammierung: „Wir haben die gesamte Identität der Zellen neu programmiert, was zu Veränderungen der be nutzten Gene und der epigenetischen Land schaft führt“, erklärt der Forscher. Wer das genetische und epigenetische Gedächtnis im Genom identifizieren und analysieren kann, kann es also auch gezielt manipulieren. Er kann Gene aus und einschalten und beobachten, wie sie das Verhalten der Zellen beeinflussen, wo sie passiver, wo aktiver werden. Die richtigen Tran skriptionsfaktoren zu fi nden gleicht der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Aus Abertausenden von möglichen Regulatoren wurden mithilfe von Algorithmen 55 geeignete extrahiert. Aus ihnen wurden dann die vier Regulatoren heraus gefi ltert, die Haut zu Nierenzellen werden lassen. Relevant werden könnte die Grundlagenfor schung von Arnold und seiner Arbeitsgruppe beispielsweise bei angeborenen Herzfehlern oder genetisch bedingten Nierenerkrankungen. In der Tumortherapie werde schon „epigenetisch therapiert“, erklärt er. Hoffnungen allerdings, eines Tages könnten ganze Organe auf diese Weise entwickelt werden und den Engpass bei Organspenden beseitigen, möchte der Wissen schaftler nicht wecken. Der Weg dorthin sei noch sehr weit angesichts der hohen Komplexität von Organen wie Herz oder Nieren, die aus so unterschiedlichen Zelltypen bestehen. Zum Weiterlesen Kaminski, M. M., Tosic, J., Kresbach, C., Engel, H., Klockenbusch, J., Müller, A.L., Pichler, R., Grahammer, F., Kretz, O., Huber, T. B., Walz, G., Arnold, S. J., Lienkamp, S. S. (2016): Direct reprogramming of fibroblasts into renal tubular epithelial cells by defined transcription factors. In: Nat Cell Biol, 18(12), S. 1269–1280. DOI: 10.1038/ncb3437 Costello, I., Pimeisl, I. M., Dräger, S., Bikoff, E. K., Robertson, E. J., Arnold, S. J. (2011): The Tbox transcription factor Eomesodermin acts upstream of Mesp1 to specify cardiac mesoderm during mouse gastrulation. In: Nat Cell Biol, 13(9), S. 1084–1091. DOI: 10.1038/ncb2304 Arnold, S. J., Robertson, E. J. (2009): Making a commitment: cell lineage allocation and axis patterning in the early mouse embryo. In: Nat Rev Mol Cell Biol, 10, S. 91–103. DOI: 10.1038/nrm2618 Prof. Dr. Sebastian Arnold studierte von 1994 bis 2001 Humanmedizin an der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg. Seine Promotions arbeit ver- fasste er am Freiburger Max- Planck-Institut für Immun - biologie und Epigenetik. Von 2004 bis 2008 forschte er als Postdoktorand für Zell- und Entwicklungs biologie an der Universität Oxford/England. Ab 2010 leitete er eine von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft geförderte Emmy-Noether-Nachwuchs- gruppe in der Inneren Medizin, Abteilung für Nephrologie des Universitätsklinikums Freiburg, seit 2016 ist er Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Experimentelle und Klini- sche Pharmakologie und Toxikologie der Medizinischen Fakultät der Universität Frei- burg. Arnold ist Mitglied der Freiburger Sonderforschungs- bereiche „Kontrolle der Zell- motilität bei Morphogenese, Tumorinvasion und Metasta- sierung“ sowie „Nierener- krankungen – vom Gen zum Mechanismus“. Er ist Vor- standsmitglied der Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin und Mitglied der Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biologi- cal Signalling Studies und BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Univer- sität Freiburg. Seit 2017 ist er Inhaber der Heisenberg- Professur für Regenerative Pharmakologie. Foto: Jürgen Gocke