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uni'leben 04/2011 - Uni Freiburg

04 2011 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 10 Juristische Grauzone Internet kompass Über Facebook zur Party einladen, Bilder für die PowerPoint-Prä­ sentation aus dem Netz kopieren, den neuen Blockbuster am Rechner ­gucken: Viele Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit online. Dabei geht aber nicht immer alles mit rechten Dingen zu: Oft bewegen sich Nutzerinnen und Nutzer in rechtlichen Grauzonen – manchmal sogar, ohne es zu wissen. uni’leben hat Prof. Dr. Boris Paal, Direktor des Instituts für Medien- und Informationsrecht, gefragt, was erlaubt ist und was nicht. Verstoßen Portale wie MeinProf.de gegen Persönlichkeitsrechte? Bewertungsportale haben Konjunk­ tur. Vor allem MeinProf.de ist vielen Studierenden ein Begriff: Auf der Seite können sie ihre Dozentinnen und ­Dozenten benoten. Doch die Platt­ form steht in der Kritik. Einige Hoch­ schulprofessoren sahen bereits ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und haben die Portalbetreiber verklagt. „Insbesondere bei personenbezo­ genen Bewertungsportalen kann es zu einer Kollision von Grundrechts­ positionen kommen: Die Meinungs­ äußerungsfreiheit der Bewertenden trifft auf das allgemeine Persönlich­ keitsrecht der Bewerteten, die viel­ leicht nicht bewertet werden wollen“, sagt der Medienrechtler Boris Paal. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung zum Schüler-Äqui­ valent SpickMich.de ein wegweisen­ des Urteil gesprochen: Wenn sich Nutzerinnen und Nutzer vor der Be­ wertung für das Portal registrieren müssen, die Betreiber die Bewertun­ gen nach einem Jahr von der Seite nehmen und klare Kriterien ange­ geben sind, um Beleidigungen zu vermeiden, soll der Online-Lehrer­ bewertung grundsätzlich nichts im Wege stehen. Muss ein WLAN unbedingt verschlüsselt werden? Der Nachbar im dritten Stock wählt sich ins unverschlüsselte Netzwerk ein und lädt den neuen Harry-Potter- Film herunter – doch wer haftet im Fall ­einer Anzeige? „Wer ein WLAN betreibt, kann als Störer eine Gefah­ ren­quelle im Rechtsverkehr schaffen“, sagt Paal. „Wenn der Betreiber sein WLAN nicht angemessen absichert, ein Dritter sich Zugang verschafft und Rechtsverstöße im Netz begeht, kann der WLAN-Betreiber haftbar sein.“ Deswegen sollte das WLAN in jedem Fall mit einem individuali­ sierten Passwort nach dem Stand der Technik ­geschützt sein. Laut dem Bundesgerichtshof reicht dabei ein vor­ein­gestelltes Standardpasswort nicht aus: Im konkreten Fall ließ ein Nutzer das Passwort des Modem­ herstellers unverändert – nicht ­ahnend, dass es bei ­allen Geräten derselben Baureihe gleich lautete. Ein Unbekannter konnte sich so leicht in das Netzwerk einwählen, ­obwohl es vermeintlich sicher ver­ schlüsselt war. Welche Streaming-Angebote darf man nutzen? Viele sparten sich das Geld an der Kinokasse, schauten Filme und ­Lieblingsserien stattdessen bequem zu Hause – doch dann war Schluss mit Kino.to, einer der bekanntesten Streaming-Plattformen im Netz. ­Haben nun die Nutzer etwas zu ­befürchten? Eine rechtliche Grau­ zone, erklärt Paal, denn urheber­ rechtlich müsse unter anderem ­geprüft werden, ob eine Vervielfäl­ tigung vorliege. „In der analogen Welt war das einfach. Eine Vervielfäl­ tigung war eine Kopie.“ Wie sieht es aber im ­digitalen Zeitalter aus? Kommt das Streamen von Filmen ­einer Kopie gleich, die das Urheber­ recht verletzt? „Es gibt im Wesent­ lichen zwei verschiedene Formen des Streaming“, sagt der Wissen­ schaftler. „Beim Live-Streaming wird der Film in Echtzeit heruntergeladen, wohingegen beim On-Demand-Stre­ aming jedenfalls eine Zwischenspei­ cherung auf der PC-Festplatte er­ folgt. Letzteres halte ich ganz klar für eine Vervielfältigung.“ Schwieriger ist die Sachlage beim Live-Streaming, bei dem Juristen sich uneinig darüber sind, ob bereits eine Vervielfältigung vorliegt. Nach Paals Einschätzung dürfte auch das Live-Streaming urhe­ berrechtlich untersagt sein – eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es bisher aber noch nicht. Wer haftet für Folgeschäden von Facebook-Partys? In den letzten Monaten hat es eine Wortneuschöpfung in die Schlag­ zeilen geschafft: Facebook-Party. ­Jugendliche hatten zu ihrem Geburts­ tagsfest nicht nur die engsten Freunde, sondern mit sträflicher Fahrlässigkeit gleich die gesamte weltweite Facebook-Gemeinde ein­ geladen. Die Feiern gerieten außer Kontrolle, Hunderte feierwütige Gäste erschienen – es gab auch Festnah­ men. „Im Grunde kann jeder jeden zu seiner Party ­einladen. In der ana­ logen Welt war das auch kein Prob­ lem – man musste einfach nur viele Briefe schreiben“, sagt Boris Paal. In Zeiten digitaler ­Einladungen stellt sich jedoch die ­Frage, wer zum ­Beispiel die Müll­entsorgung oder den Einsatz der Polizei bezahlt. Bislang gibt es kein Urteil, dem Medien­ rechtler zufolge kann grundsätzlich jedoch auch der Ein­ladende als ­Störer in Anspruch genommen ­werden: „Ansonsten müsste die All­ gemeinheit für Kosten aufkommen, die von Einzelnen verursacht ­wurden.“ Was muss man bei der Erstellung einer Homepage und einer Power- Point-Präsentation beachten? Grafiken, Textbausteine, Diagram­ me: Wenn eine Präsentation ansteht, ­bedient sich der eine oder die andere schon mal aus dem Internet-Fundus – ohne Hinweis auf den Urheber. „Der Urheber hat die Verwertungsrechte an seinen Bildern und Texten. Man darf zwar zitieren, muss aber den Zitierten auch erkennbar machen“, sagt der Wissenschaftler. Bei Miss­ achtung ­können Unterlassungs- und Besei­tigungsansprüche drohen. „Weiterhin kann unter Umständen auch Schadensersatz verlangt wer­ den. Schon für den ersten Verstoß können deshalb erhebliche Kosten anfallen.“ Dabei schützen auch ­Disclaimer auf Web­seiten nicht vor Haftung. „Disclaimer sind ein gang­ barer Weg, die eigene Haftung ein­ zuschränken. Allerdings sind sie kein Allheilmittel. Wenn Kino.to schreibt: ‚Wir haften für gar nichts, der Nutzer ist für alles selbst verantwortlich. Wir sind nur eine Infor­mationsplattform‘, dann ist das zwar ein netter Versuch, wird aber nichts helfen.“ Was im Internet erlaubt ist, ist nicht immer klar – denn zu vielen rechtlichen ­Fragen gibt es bis heute keine höchstrichterlichen Entscheidungen. Foto: Albers/Fotolia XY ungelöst Mathematikerinnen zeigen spannende Seiten ihres Fachs – klar, verständlich und unterhaltsam von Johannes Schermaul Fünf Tipps zum sicheren Surfen im World Wide Web von Rimma Gerenstein Elliptische Kurven, Risikoana­lyse, Zahlentheorie: Es ist ein kühnes ­Unterfangen, das die Mathematik­ professorinnen Katrin Wendland von der Universität Freiburg und Annette Werner von der Universität Frankfurt wagen: Mit ihrem Buch „Facetten­reiche Mathematik“ wollen sie Einblicke in die moderne Forschung ihres Fachs liefern – und zwar so, dass es jeder versteht. Alles, was die Leserinnen und Leser brauchen, ist ihr Schulwissen. Der ulti­ mative Test ist also, den knapp 470 Sei­ ten starken Band jemandem vorzuset­ zen, der zwar noch nie Schwierigkeiten mit Kreuzreimen und Metaphern hatte, dagegen aber zweimal nachdenken muss, wie man ein Geodreieck richtig anlegt. In den 22 Beiträgen berichten 25 Mathematikerinnen jeweils über ein Forschungsproblem – und zeigen Wege auf, wie sie zu seiner Lösung beitragen können. Gleichzeitig be­ weisen die Wissenschaftlerinnen, dass Mathematik „die Sprache der modernen Welt“ ist – schließlich hat die Disziplin Grundlagen für ­tech­nische Errungenschaften wie ­Autos, Computer und ­Mobiltelefone ge­liefert. Flinke Skateboardbahnen, Fahrpläne und Finanzrisiken Die Seiten sind übersät mit Brü­ chen, Schweifklammern, quadrierten Wurzeln und Parabeln. Doch kein Grund zur Panik: Dieser Wirrwarr von Zahlen, Zeichen und Figuren kommt auf den Leser nicht unkommentiert zu. Schritt für Schritt erläutern die Wissenschaftlerinnen, welches Prin­ zip hinter den Vorgängen steckt und führen mit anschaulichen Beispielen ihre Gedanken aus. Jedes Kapitel schließt mit einem Ausblick und ­weiterführender Literatur ab. Die Beiträge stammen aus unter­ schiedlichen Gebieten der Mathematik, lassen sich jedoch grob den vier ­Kategorien Geometrie, Diskrete Mathe­ matik, Analysis sowie Stochastik und Finanzmathematik zuordnen. Was sich zunächst recht abstrakt anhört, wird schnell konkret und spannend. So be­ schäftigt sich ein Kapitel etwa mit der Frage, wie eine ideale Skateboard­ bahn aussehen müsste, damit Skater möglichst schnell von einem Ende zum anderen brettern können. Andere ­Beiträge gehen darauf ein, welche Strukturen sich hinter dem Ziel verber­ gen, Passagiere möglichst schnell in ein Flugzeug einsteigen zu lassen oder was beachtet werden muss, damit ein Fahr- oder Schichtplan optimal auf­ gestellt wird. Außerdem wird erklärt, wie Mathematiker extreme Risiken ­abschätzen können, auf die sich Versi­ cherungen verlassen. Solch alltäg­ lichen Beispielen kann ­sogar ein klas­ sischer Feingeist folgen. Übrigens: Es ist kein Zufall, dass in dem Buch ausschließlich Mathe­ma­ tikerinnen – davon viele Nachwuchs­ wissenschaftlerinnen – zu Wort kom­ men. Die Herausgeberinnen wollen mit dem Band zeigen, dass Mathematik längst keine Männerdomäne mehr ist. Keine weiteren Fragen. Katrin Wendland und Annette Werner (Hg): Facettenreiche ­Mathematik. Einblicke in die ­moderne mathema­tische For- schung für alle, die mehr von ­Mathematik verstehen wollen. Wiesbaden 2011: Vieweg und ­Teubner. 469 Seiten, 19,95 Euro Der Jurist Prof. Dr. Boris Paal ist ­Experte für Medien- und Informations­ recht – die rechtlichen Schlüssel­ gebiete des 21. Jahrhunderts.