Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

uni'leben 06-2011

Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de von Nicolas Scherger „Ich glaube sehr stark an Design, weil es technische Produkte men- schenfreundlicher machen kann“, sagt Prof. Dr. Jan Korvink. Der In- haber des Lehrstuhls für Simulati- on am Institut für Mikrosystemtech- nik ist an dem Forschungsteam beteiligt, das erstmals den re- nommierten Designpreis Red Dot Award an die Universität Freiburg geholt hat – mit dem Konzept für einen Helm, der bei der Ma- gnetresonanztomografie (MRT) zum Einsatz kommt. Er soll nicht nur hochaufgelöste Bilder vom menschlichen Gehirn liefern, son- dern auch bequem sein und gut aussehen. Die Entwicklung des Helms ist Teil eines Projekts mit dem Ziel, bildgebende Verfahren in der Me- dizin zu verbessern. Neben den Mikrosystemtechnikern um Kor- vink sind die Abteilung Röntgen- diagnostik des Freiburger Universi- tätsklinikums von Prof. Dr. Jürgen Hennig und das Stuttgarter Desi- gnerbüro „ipdd“ daran beteiligt. Die MRT liefert Bilder von Weichteilen, zum Beispiel von Muskeln oder Or- ganen. „Sie ist eine Methode, um mit den Molekülen im Körper zu re- den“, sagt Korvink. Wer untersucht wird, legt sich in eine Röhre mit einer großen Spule. Diese erzeugt Magnetfelder, die auf die Wasser- stoffkerne im Gewebe einwirken. Weitere Spulen, die sich möglichst nah am Körper befinden, messen das Zusammenspiel der Felder. Damit nehmen sie Bilder auf, die mit unterschiedlichen Graustufen die Dichte von Wasser in verschie- denen Gewebearten zeigen. Fußball und Insektenauge als Vorbilder „Das Besondere an unserem Helm sind die Zahl und die An- ordnung der Messspulen“, sagt Korvink. Die Spulen haben einen Durchmesser von etwa eineinhalb Zentimetern und befinden sich in drei übereinanderliegenden Schichten auf fünf- und sechsecki- gen Modulen, aus denen der Helm zusammengesetzt wird. Durch diese Anordnung, die dem Vorbild eines Fußballs folgt, lassen sie sich eng am Kopf platzieren. Die Spulen nehmen, ähnlich wie das Facettenauge eines Insekts, Infor- mationen zeitgleich auf und verar- beiten sie. „Wir arrangieren sie so, dass sie nicht wie ein Netzwerk messen, sondern jede für sich, ohne sich gegenseitig zu beein- flussen.“ Der Helm soll etwa 500 Messspulen enthalten, deutlich mehr als bislang übliche Modelle. Dadurch liefert er Bilder schnel- ler oder in höherer Auflösung. „In einer bestimmten Aufnah- mezeit entstehen entweder viele Bilder mit geringer Pixelzahl oder wenige Bil- der, die besonders hoch aufgelöst sind – wie bei einer Digitalkamera.“ Damit werden Medizinerinnen und Mediziner bessere Aufnahmen als bisher erhalten. „Der Helm soll vor allem neurowissenschaftli- chen Anwendungen dienen“, sagt Dr. Maxim Zaitsev, der am Uni- versitätsklinikum für das Projekt zuständig ist. „Wenn Regionen im Gehirn aktiv sind, brauchen sie mehr Sauerstoff, das heißt, es fließt mehr Blut dorthin. Ändert sich der Blutfluss, können wir das auf den MRT-Bildern verfolgen.“ Damit werden die Forscherinnen und Forscher zum Beispiel erken- nen, was im Gehirn passiert, wenn sie Menschen Fotos zeigen, die unterschiedliche Gefühle hervor- rufen. Dafür wollen sie ein System mit Bildschirm und Kopfhörer nut- zen, das in den Helm eingebaut wird. Patientinnen und Patienten, die zur Diagnose neurologischer Erkrankungen wie Epilepsie oder Parkinson in die Röhre müssen, soll dieses System helfen zu ent- spannen: Sie können damit Filme schauen, Musik hören und jeder- zeit Kontakt zum medizinischen Personal aufnehmen. Diese un- terhaltende Funktion spiele vor al- lem bei Kindern eine große Rolle, sagt Korvink. Denn in der Röhre ist es eng und laut, und die Pati- enten müssen bis zu einer Stunde regungslos liegen – was viele als unangenehm empfinden. Von der Millimetertechnik zur Mikrosystemtechnik Gerade in der Medizintechnik sei Design wichtig, sagt der Wis- senschaftler: „Wir wollen kranke Menschen nicht weiter kränken, indem wir ihnen unbequeme und Angst einflößende Technik zumu- ten.“ Der MRT-Helm wird nicht in Klinik-Weiß, sondern in den Far- ben Gelb, Silber und Grau gehal- ten sein, das Design des Displays wird die wabenartige Anordnung der Sensoren aufnehmen. Und der Tragekomfort soll hoch sein: Die Schale aus Kunststoff und Plexi- glas wird gut gepolstert. Einen Prototyp gibt es noch nicht. Die Forscher haben die Spulen erst an Obst und Gemüse mit hohem Wasseranteil auspro- biert, Tests am Menschen sollen in den kommenden zwölf Mona- ten folgen. Vier Patentanträge hat die Universität Freiburg im Zusammenhang mit dem Helm eingereicht. „Es ist gut vorstellbar, dass wir ihn gemeinsam mit einem Industrieproduzenten zur Marktreife bringen“, sagt Zaitsev, der ihn am Universitätsklinikum auf jeden Fall einsetzen will: „Bessere Bilder sind für uns ein großer Ge- winn.“ Und Korvink träumt schon davon, den Helm noch leistungs- fähiger zu machen: „Wenn die ge- samte Technik kleiner wird, können wir noch viel mehr Messspulen im Helm unterbringen. Das wäre dann nicht mehr Millimetertechnik, son- dern Mikrosystemtechnik.“ Red Dot Award Das Design-Zentrum Nordrhein- Westfalen vergibt den Design- preis Red Dot Award jährlich in drei Kategorien. Eine davon ist der Wettbewerb Design Con- cept für Prototypen und Kon- zepte, der als Gradmesser für die Markttauglichkeit gilt. Die Preisverleihung fand am 25. November 2011 im Red Dot De- sign Museum in Singapur statt. Dort wird ein Modell des Helms für die Magnetresonanztomo- grafie, den das Freiburger For- schungsteam entwickelt hat, ein Jahr lang ausgestellt. 06 2011 Schöner, bequemer, besser Forscher haben ein Konzept für einen medizintechnischen Helm entwickelt – und damit einen Designpreis gewonnen Ausgeprägt: Münzen als historische Quellen >Seite 4 Ausgezweifelt: Neustart nach dem Scheitern > Seite 6 Ausprobiert: Vorlesungen in der Diskussion > Seite 8 Foto:ipdd