06 2011 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 6 Mit der Einführung von Bachelor und Master sind die Studiengän- ge an der Universität inhaltlich und organisatorisch stark verän- dert worden. Geblieben sind die traditionellen Unterrichtsformen wie Seminare, Übungen und Vor- lesungen. Vor allem die Vorlesung ist seit ihrer Entstehung immer in der Diskussion geblieben. Ist sie sinnvoll, oder ist es verschwendete Zeit, eine Vorlesung zu besuchen? Eva Opitz hat Prof. Dr. Hannah Bast aus der Informatik, Lehrstuhl Algo- rithmen und Datenstrukturen, und Prof. Dr. Günter Schnitzler vom Deutschen Seminar, Neuere Deut- sche Literatur und Musik, zu ihren Vorstellungen befragt. uni’leben: Wie sollte eine Vorle- sung im Zeitalter der digitalen Me- dien aussehen, und wie gestalten Sie Ihre Vorlesungen? Hannah Bast: Ich bin während mei- nes eigenen Studiums nicht in Vorle- sungen gegangen, weil es für mich nicht effektiv war. Ich bin jemand, der lieber aus Büchern lernt. Als Profes- sorin halte ich jetzt ständig Vorle- sungen und gebe mir dabei sehr viel Mühe. Der Einsatz von Multimedia ist Bestandteil meiner Vorlesungen. Es wird alles aufgezeichnet, was ich an die Wand beame. Gleichzeitig steht eine Kamera im Raum, die mich bei meinem Vortrag filmt. Anschließend wird alles zusammengeschnitten, so- dass wir eine professionelle Wieder- gabe ins Netz stellen können. Kommen die Studierenden noch in die Vorlesung? Bast: Das führt in der Tat dazu, dass nur noch die Hälfte in die Vor- lesung kommt und die andere Hälfte sich die Aufzeichnung zu Hause an- guckt. Aber auch die Studierenden aus der Vorlesung schauen sich das noch mal an. Die Aufzeichnungen sind extrem beliebt. Ich schätze sie auch für mich selbst, weil ich dadurch eine Dokumentation habe. Wie sieht das bei den Geistes- wissenschaftlern aus? Günter Schnitzler: Ich muss ehr- lich sagen, die meisten von uns sind noch nie auf diese Idee gekommen. Wir machen das bei wichtigen Vorträ- gen oder bei der Samstags-Uni, sonst nicht. Die Weise des menschlichen In-der-Welt-Seins ist die der Kommu- nikation, des Gesprächs, des Offen- seins mit Augen und Ohren. Das fehlt mir bei der Aufzeichnung. Bei einer Aufzeichnung werden auch eventuelle Fehler mitgenom- men. Setzt Sie das unter Druck? Bast: Ich bereite die Struktur der Vorlesung vor und gestalte den Rest interaktiv. Mir ist wichtig, dass ich während der Vorlesung Beweise ent- wickle, dabei laut nachdenke und viel- leicht auch Fehler mache. Was mir immer noch nicht gefällt, ist die Situa- tion der frontalen Wissensvermittlung. Ich stehe in unserem großen Hörsaal, die Studierenden sitzen da, gucken und sagen nichts. Ich überlege im- mer noch, wie man es lebendiger ge- stalten kann. Die übliche Vorlesung mit Standardfoliensatz will ich nicht halten. Warum können die Studierenden nicht zu Hause aus Büchern ler- nen? Schnitzler: Kein Mensch setzt sich zu Hause hin und liest eine Literatur- geschichte. Das habe ich bis heute nicht geschafft. Wir versuchen, es etwas anders darzustellen und neue Fragen aufzuwerfen. Das können die Studierenden nirgends nachlesen. Da werden Widersprüche provoziert und Anregungen gegeben, damit die Stu- dierenden selbst weiterdenken. Auch wir Professoren lernen dabei. Das ist wirklich forschungsgestützte Lehre. Also auch ein Beweis für den Wert der traditionellen Vorlesung? Schnitzler: Die Vorlesung soll eine Anregung geben. In den vergangenen Jahren hat man die Universität zu ei- ner Wissensvermittlungs- und Berufs- vorbereitungsanstalt degradiert. Das sind wir nicht. Ich würde die Form der Vorlesung auch nicht verändern wol- len. Natürlich leuchtet mir ein, dass der Einsatz eines Beamers eine tech- nische Verbesserung ist. Das wäre uns vor zehn Jahren nicht im Traum eingefallen, aber inhaltlich würde ich nichts verändern. Bast: Ich stimme zu, dass eine Vorlesung anregen muss, und dann müssen die Teilnehmenden selbst ak- tiv werden. Das ist mir extrem wich- tig. Aber ich halte das Zeitverhältnis nach wie vor für eine Zumutung. Für eine Grundvorlesung müssen die Stu- dierenden insgesamt vier Stunden pro Woche investieren. Als kreativer Mensch hört man sich eine halbe Stunde etwas an, und dann geht man selbst los. Nach Stundenplan sitzen die Studierenden 15 bis 20 Wochen- stunden allein in Vorlesungen. Das ist zu viel. Ideal fände ich einen Anre- gungsteil, aber dann sollen sie selbst aktiv werden. Wie haben Sie das Zeitverhältnis geändert? Bast: Wo andere Kollegen drei Stunden Vorlesung halten und eine Stunde Übung einplanen, mache ich es gerade umgekehrt. Bei kleineren Gruppen ist es auch möglich, die Teilnehmer Passagen des Materials vortragen zu lassen. Das geht aber nur mit guten Studierenden. Einem guten Vortrag lange frontal zuzuhö- ren ist schon schwierig, aber einem schlechten zuhören zu müssen ist für alle furchtbar. Schnitzler: Wir bleiben bei unse- rem Zeitmaß von anderthalb Stunden, aber wir versuchen, es den Studie- renden nicht allzu leicht zu machen. Nicht jede Literatur muss zur Verfü- gung gestellt werden. Allein der Vor- gang, Literatur zu suchen und sich mit ihr vertraut zu machen, ist schon ein unglaublicher Akt. Wir haben im Deutschen Seminar eine der besten Seminarbibliotheken bundesweit. Wir müssen nicht von allen Texten Kopien hinterlegen. Bast: Für mich ist Kommunikation auch sehr wichtig. Wir stellen den Studierenden ein Internetforum zur Verfügung, über das sie miteinander reden und Fragen stellen können. Ich sage ihnen nicht alles und fordere sie auf, zu suchen und zu fragen. Das ist ein sehr schönes elektronisches Medium, in dem sehr viel geschrieben wird. Sie trauen sich nicht unbedingt, in der Vorlesung zu fragen, aber da geht es. Wie viel Technik würden Sie in der Vorlesung einsetzen, wenn Sie freie Hand hätten? Schnitzler: Wir spielen in der Vor- lesung auch Theater- und Opernsze- nen ein, aber es darf nicht zu ein- drücklich dargestellt werden, sonst wird das Thema zu stark festgelegt. Jede Visualisierung ist nur eine mög- liche Auffassung. Technik darf sich nicht verselbstständigen. Bast: Eine perfekt organisierte Po- werPoint-Präsentation rauscht an den Studierenden vorbei. Beweise und Programme entwickle ich immer so weit wie möglich live. Es kommt dar- auf an, Technik an der richtigen Stelle zu nutzen. Technik um der Technik willen, da bin ich dagegen. Bei mei- nen Livedarbietungen mache ich mög- licherweise auch Fehler. An manchen Stellen hängt es auch mal für längere Zeit. Dann wird es unruhig im Saal. Es ist nicht einfach, die richtige Form zu finden. Ich bin nach wie vor dabei, zu experimentieren und herauszufinden, was am besten klappt. campus Vorlesung in der Diskussion: ‚‚Anregend muss sie sein‘‘ Zwei Entwürfe aus unterschiedlichen Fachbereichen Fotos: Kunz Impressum uni'leben, die Zeitung der Universität Freiburg, erscheint sechs Mal jährlich. Herausgeber Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Rektor, Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jochen Schiewer Verantwortlich für den Inhalt: Rudolf-Werner Dreier, Leiter Öffentlichkeits- arbeit und Beziehungsmanagement Redaktion Eva Opitz (Redaktionsleitung), Rimma Gerenstein, Nicolas Scherger Anschrift der Redaktion Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Albert-Ludwigs-Universität Fahnenbergplatz 79085 Freiburg Telefon 0761/203-4301 Fax 0761/203-4278 E-Mail: unileben@pr.uni-freiburg.de Auflage 20.000 Exemplare Fotos Soweit nicht anders gekennzeichnet, von der Universität Konzeption, Gestaltung, Herstellung qu-ınt. | marken | medien | kommunikation Alter Zollhof, Freiburg www.qu-int.com Projektleitung, Anzeigen Daniel Adler, qu-int Telefon 0761/28288-16 Fax 0761/28288-69 uni-publikationen@qu-int.com Druck und Verarbeitung Freiburger Druck GmbH & Co. KG Vertrieb Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit und Beziehungsmanagement Jahresabonnement Euro 9,– ISSN 0947-1251 © Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Alle Rechte vorbehalten. 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