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Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 04 2019 Zukunft: Warum Hochschulen für mehr Geld kämpfen > S. 2 Klima: Wie Vielreisende die Umwelt schonen können > S. 4 Hochstapler: Wodurch Lügner sich verraten > S. 11 Geteiltes Erbe Geschichten der Revolution: Die Forschenden beschäftigen sich mit den unterschiedlichen Deutungen des Mauerfalls. FOTO: TIMELINE IMAGES Die Historikerin Anna Lux untersucht, wie Romane, Filme und TV-Sendungen über den Herbst 1989 die öffentliche Erinnerung prägen von Judith Burggrabe Mit flackernden Kerzen in den Händen verlassen die DDR- Bürgerinnen und Bürger am Abend des 9. Oktober 1989 die Nikolaikirche in Leipzig. Armee und Kampftruppen stehen bereit, während Zehntausende Men- schen am Gebäude der Staats sicherheit und am Rathaus vorbei ziehen. Immer wieder rufen sie: „Wir sind das Volk!“ Es bleibt friedlich. Vier Wochen später fällt die Mauer. Zum 30. Jahrestag des wohl wichtigsten Ereignisses in der jüngeren deutschdeutschen Geschichte sind diese Szenen in Zeitungen, Filmen und TVSen dungen allgegenwärtig. „Es sind diese Bilder, die Emotionen trans- portieren und auf den System sturz und die Wiedervereinigung zulaufen“, erläutert die Freiburger Historikerin Dr. Anna Lux. Doch diese weit verbreitete Interpretation der Ereignisse von 89 als zwangsläufige Erfolgs- geschichte decke sich nur teilweise mit den historischen Tatsachen. Die Vorgänge seien vielschichtiger, zum Teil auch widersprüchlicher gewesen, als sie in der öff entlichen Darstellung und in vielen populä- ren Formaten erschienen. Im Ver bundprojekt „Das umstrittene Erbe von 1989“ beschäftigt sich Lux mit den unterschiedlichen Deutungen, Neu und Umdeutungen zu dieser Zeit. An der Kooperation sind For scherinnen und Forscher aus der Soziologie und den Geschichts wissenschaften der Universitäten Freiburg und Leipzig beteiligt; das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Vorhaben. Vielschichtig und widersprüchlich Seit den 1990er Jahren bestim men Konfl ikte um die Erinnerung an 1989 die öff entlichen Debatten in Deutschland. Geschichtspolitisch dominiere nach Ansicht des Pots damer Historikers Prof. Dr. Martin Sabrow das so genannte Revolu tionsgedächtnis, das „durch ein fl ussreiche Akteurinnen und Akteure der damaligen Bürgerbewegung repräsentiert wird“, führt Lux aus. „Danach habe das Aufbegehren der Oppositionellen gegen das Un rechtsregime wesentlich zu der sich ausweitenden Protestbewegung und den Montagsdemonstrationen beigetragen und in der Wiederver einigung seinen erfolgreichen Ab schluss gefunden.“ Diese Revolutionserzählung präge die Erinnerungskultur in den Medien, aber auch im Schulunterricht. Zu gleich habe sie andere Erfahrungs- welten in der Öff entlichkeit an den Rand gedrängt. Dazu gehört zum einen die Diskussion um eine demokratische Erneuerung der DDR, die in der Oppositionsbewe- gung ebenfalls eine wichtige Rolle spielte. „Zum anderen wurde das, was Sabrow als ‚Wendegedächtnis‘ bezeichnet, kaum Teil der öff ent- lichen Erinnerungskultur“, fügt Lux hinzu. Der Begriff meint die Er fahrung eines tief greifenden Umbruchs in der Lebens und Alltagswelt. Die Freiburger Gruppe im For- schungsprojekt untersucht unter schiedliche Geschichtsbilder vom Herbst 1989 und von der anschlie ßenden Umbruchphase in popu lären Darstellungen. Grundlage hierfür sind Spielfi lme wie „Born- holmer Straße“ und „Good Bye, Le nin!“, TVSerien wie „Weißensee“, Graphic Novels wie „Kinderland“ oder „Treibsand“, Radiobeiträge, Erzählungen und Romane. „Popu- läre Darstellungen sind zur Erfor- schung der Erinnerungskultur be- sonders interessant, weil sie das Geschichtsbewusstsein der Men- schen wesentlich mitprägen“, be tont Lux. Insbesondere Romane von Autorinnen und Autoren, die 1989 selbst Jugendliche waren, verfügten über ein großes analy tisches Potenzial. Seit den Nuller jahren sei diese Generation ver stärkt in die öffentliche Debatte über das Wendejahr eingetreten. Die Romane seien häufi g auto- biografi sch geprägt und erzählten die Geschehnisse der Umbruchzeit aus der Perspektive von Jugendli chen. „Über diesen Blick ‚von un ten‘ thematisieren die Autoren die Rasanz, die Unübersichtlichkeit und auch die Unabsehbarkeit der Prozesse, die in der öff entlichen Erinnerung häufi g keine Rolle spie- len.“ Als Beispiel nennt Lux den im Jahr 2015 erschienenen Roman „89/90“ von Peter Richter. Anhand der Erlebnisse von Jugendlichen in Dresden zeigt Richter, wie im Wen- dejahr die bestehende Ordnung nach und nach verloren ging: Was gestern unumstößlich schien, galt auf einmal nicht mehr, Ideale krachten aufeinander, und Jugend liche, die gerade noch befreundet gewesen waren, standen sich nun, mit Baseballschlägern bewaff net, auf der Straße gegenüber. Darüber hinaus eröffnen die Texte Einblicke in bisher wenig the- matisierte Konfl iktfelder der dama- ligen Zeit, sagt Lux: Die Entfrem- dung von den Eltern etwa spiele eine zentrale Rolle, ebenso die Erfahrung von Gewalt. „Solche Romane zeigen die Bedeutung von Alltagsgewalt als Teil des Um bruchs und verweisen damit zugleich auf Linien, die bis in die Gegenwart reichen.“ Symbolischer Rückgriff Das historische Erbe von 89 sei momentan aktueller denn je, wie zum Beispiel die Partei AfD mit der Verwendung von Parolen wie „Wende 2.0“ oder „Vollende die Wende“ in den Landtagswahlkämp fen 2019 vor Augen führe. „Der er- folgreiche symbolische Rückgriff auf die Montagsdemonstrationen, auf Begriff e wie ‚friedliche Revolu- tion‘ und ‚Wende‘ verweist auf tiefer liegende Prozesse. Es ist wichtig, diese zu erforschen und zu ver stehen“, sagt die Historikerin. Die politische Umdeutung von 89 zeige sich auch in der Verwen dung des Slogans „Wir sind das Volk“, der wie kaum ein anderer die Proteste von vor 30 Jahren symbolisiert. Heute werde der Spruch von Rechtspopulisten ver wendet, um die eigene politische Agenda historisch zu rechtfertigen: Damals wie heute würde „das Volk“ vermeintlich gegen „die da oben“, gegen „Meinungs- und Ge- sinnungsdiktatur“ aufbegehren. Doch dieser Vergleich hinke hinten und vorne, so Lux: „Nicht nur sind die Bedingungen der heutigen Ge sellschaft vollkommen andere als die in der DDR. Auch der Volksbe- griff war damals ein ganz anderer. Ging es im Herbst 1989 um politi sche Beteiligung, um Bürgerrechte und Grundrechte für alle, so ist der Volksbegriff , wie die AfD ihn ver- wendet, ausgrenzend und völkisch geprägt.“ Ende November 2019 findet die Auftakttagung des Projekts an der Universität Leipzig statt. Damit wer- den die Teilnehmenden nicht nur ge danklich nah an den Ereignissen von 1989 sein: Zur Nikolaikirche sind es nur wenige hundert Meter. www.erbe89.de
2 aktuell 04 2019 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Kein Geld, keine Zukunft Die baden-württembergischen Hochschulen gehen am 30. Oktober 2019 auf die Straße – der Druck auf das Finanzministerium wächst Infl ationsausgleich zu schaff en. Außer- dem sollen die Landesprogramme „Hochschule 2012“ und „Master 2016“ verstetigt werden. Doch das allein reiche nicht aus: „Wenn wir keine qua litativ hochwertigen Studiengänge an bieten können, werden wir auch nicht die besten Köpfe gewinnen können“, führt Schiewer aus. Die Fähigkeit einer Universität, sich im zunehmend härter werdenden internationalen Wettbe werb zu behaupten, habe eben etwas mit Ressourcen zu tun. Vor allem die Qualität der Digitalisierung, die der Freiburger Rektor als zentrale Heraus forderung der kommenden Jahre nennt, entscheide darüber, ob eine Universität als Spitzenreiter oder als Schlusslicht dastehe. Wissenschaft hat tiefe Wurzeln Doch es sind nicht nur die Kernauf- gaben Forschung und Lehre, die für die Zukunft von Hochschulen eine Rolle spielen. Der Betrieb rund um die Wis- senschaft hat tiefe Wurzeln. Auch Ver waltung, Service und Technik litten unter einem unzureichenden Etat, be- tont Dr. Helmut Waller, Vorstand des Personalrats der Universität Freiburg: „Wenn in bestimmten Bereichen wie etwa im Hausdienst oder im Techni schen Gebäudemanagement Stellen fehlen, bringt das viele Kolleginnen und Kollegen an die Grenze der Be lastbarkeit, manchmal müssen Aufga ben dann einfach wegfallen.“ Oftmals liege auch die Bezahlung weit hinter dem, was andere Einrichtungen böten und was angemessen sei. „Auch die vielen befristeten Verträge stellen für viele Beteiligte eine große Unsicher heit dar“, ergänzt Waller. Mit einem höheren Budget ließe sich oft ver meiden, dass qualifiziertes Personal den Hochschulen den Rücken kehre. Am 30. Oktober wird der Personalrat deshalb mit marschieren – und Waller hofft, dass die Kollegen es ihm gleichtun. Und Clemens Ernst, Lou Mollat und Carlotta Rudolph rufen alle Studie renden dazu auf, die Schuhe zu schnüren und mit Plakaten auf die Straße zu gehen. „Seid sichtbar, seid laut, seid überzeugend“, sagt Ernst. Wenn es um die Zukunft der Hoch schulen geht, ist Zurückhaltung nicht gefragt. Protest und Diskussion im Oktober Studierende und Beschäftigte wollen gemeinsam ein Zeichen gegen die unzureichende Finanzierung der badenwürttembergischen Hoch schulen setzen: Am 30. Oktober 2019 findet auf Initiative der Landesasten konferenz in ganz BadenWürttem berg ein Protesttag unter dem Motto „Hochgeschult – kaputtgespart“ statt. Die Landesrektorenkonferenz unter- stützt ihn mit der Kampagne „No science, no future“. In Freiburg be ginnt die Demonstration um 12 Uhr auf dem Platz der Alten Synagoge. Außerdem sind alle Interessierten zur Podiumsdiskussion „Un(i)finanziert? Ist euch gute Bildung egal?“ am 28. Oktober, 19.30 Uhr im Kollegienge- bäude I, Raum 1098 eingeladen. Es diskutieren Rektor Prof. Dr. Hans- Jochen Schiewer, Gabi Rolland (SPD), Jürgen Filius (Die Grünen) und Carlotta Rudolph von der Studie rendenvertretung der Universität Freiburg. Clemens Ernst und Tabea Häberle moderieren die Veranstaltung. www.nosciencenofuture.de www.hochgeschult-kaputtgespart.de Kopf der Kampagne „No science, no future“ ist Johannes Kepler (1571 – 1630), der zu den Begründern der modernen Naturwissenschaft zählt. QUELLE: L ANDESREKTORENKONFERENZ BADEN-WÜRTTEMBERG von Rimma Gerenstein S ie haben fest mit dem Seminar gerechnet – doch dann wurde die Lehrveranstaltung kurzerhand ge strichen: Das haben ihr schon viele Freiburger Kommilitoninnen und Kom militonen erzählt, berichtet Carlotta Rudolph. Auch Clemens Ernst und Lou Mollat kennen Widrigkeiten im Studie- rendenalltag: Oft seien die Hörsäle hoff nungslos überfüllt, es fehlten Räu- me für Lehrveranstaltungen, und die Universitätsbibliothek habe vor knapp einem Jahr ihren RundumdieUhr Betrieb einstellen müssen. Mollat und Rudolph sind seit Oktober 2019 im Vor- stand der Studierendenvertretung der Universität Freiburg, Ernst hatte das Amt zuvor inne. „Wenn man anfängt, sich mit Hochschulpolitik zu befassen, erkennt man auf einmal die Zusam menhänge“, sagt Rudolph. „Dass ich keinen Platz im Hörsaal kriege oder dass es zu wenig Lehrende gibt, ist ja kein Zufall“, ergänzt Mollat. Kurz und bündig: Es geht um Geld – und um die Zukunft. Derzeit verhandelt das Finanzministerium in Stuttgart mit den Hochschulen im Land. Am Ende soll ein Vertrag für die Jahre 2021 bis 2025 unterschrieben werden. Die Ge- spräche sind zäh, doch noch ist nichts entschieden. „Wir müssen noch Druck auf die Politik ausüben“, sagt Prof. Dr. HansJochen Schiewer, Rektor der Universität Freiburg. Schiewer und sei ne Kolleginnen und Kollegen von der Landesrektorenkonferenz beziehen klar Position: „No science, no future“ lautet das Motto der Verhandlungen – ohne Geld gibt’s keine Forschung, keine gute Lehre und damit auch kei ne Zukunft. Die Studierendenvertre- tungen beteiligen sich mit einem ebenso prägnanten Slogan am Pro test: „Hochgeschult – kaputtgespart“. Gemeinsam werden sie am 30. Oktober 2019 in ganz Baden-Württemberg auf die Straße gehen. Auch andere Ein- richtungen, etwa die Pädagogischen Hochschulen oder die Hochschulen für Musik, unterstützen die Aktion. Die Bürde des Budgets Die Lage der Hochschulen in Baden- Württemberg wird immer brisanter: Die Zahl der Studierenden an den neun Landesuniversitäten ist in den vergan genen 20 Jahren rasant gestiegen – von etwa 111.000 auf derzeit insge samt 172.000. Das mache sich allerdings nicht im Budget bemerkbar, betont Schiewer: „Pro Studierenden erhalten wir heute 3.540 Euro weniger als noch im Jahr 1998.“ Dabei schraubten Gesellschaft und Politik ih re Erwartungen an die Universitäten immer höher. Sie gälten als Motor für Innovation, als Ausbildungsstätte von hoch qualifi ziertem Personal für Wis- senschaft und Wirtschaft. Und die Wettbewerbsfähigkeit der baden württembergischen Universitäten sei unbestritten: „Pro Landeseuro haben wir eine Bruttowertschöpfung von 2,80 Euro. Das zeigt, dass in uns investier- tes Geld gut angelegt ist“, rechnet Schiewer vor und verweist auf eine weitere Summe: 1,2 Milliarden Euro haben die Universitäten gemeinsam im Jahr 2017 an Drittmitteln eingeworben – bei einem ihnen vom Land zuge wiesenen Gesamtbudget von 1,6 Milli- arden Euro. Zudem sind Universitäten die einzige Hochschulform, die die laufenden Betriebskosten aus dem eigenen Haushalt begleichen muss – ob Strom, Mieten für Gebäude oder Sanierungen von Hörsälen. „Diese Bürde müssen wir tragen, und sie schränkt uns massiv ein“, sagt Schiewer. Allein der AlbertLudwigsUniversität fehlten jährlich knapp 7,5 Millionen Euro. „Um solche strukturellen Defi zite zu decken, haben die Landesuniversitäten 172 Millionen Euro gefordert. Davon will das Finanzministerium ihnen insge samt etwa 8 Millionen Euro bewilligen. Das ist ein inakzeptables Angebot.“ Bei anderen Verhandlungspunkten hingegen, die derzeit auf dem Tisch liegen, zeigt sich der Rektor zuver sichtlich: Das Land sei bereit, die Grundfinanzierung um drei Prozent jährlich zu erhöhen und damit einen Universitätsmedaille für Margit Zacharias F O T O : S A N D R A M E Y N D T Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer hat der Physikerin Prof. Dr. Margit Zacharias die Universitätsmedaille für ihr langjähriges Engagement für die AlbertLudwigsUniversität verliehen. Ab 2014 setzte Zacharias als neben- amtliche Prorektorin für Innovation und Technologietransfer viele Impulse. Zu den Meilensteinen ihrer Amtszeit zäh- len unter anderem die Erfolge in der zweiten Runde des Bundeswettbe werbs „EXIST-Gründerkultur – Die Gründerhochschule“ und im Programm „Gründungskultur in Studium und Lehre“ des Landes BadenWürttemberg. Zu dem belegen Bewertungen, etwa durch den „Gründungsradar“ des Stifterver bandes, die national und international hervorragende Position der Universität Freiburg in Sachen Gründungskul tur und Innovationskraft. 2018 hat Zacharias ihre Forschungstätigkeit im Rahmen der Professur für Nanotechno logie am Institut für Mikrosystemtechnik wiederaufgenommen. Vereinbarung für mehr Open Access Das Konsortium DEAL, das im Auf- trag von knapp 700 akademischen Ein- richtungen mit den drei größten Wis senschaftsverlagen in Deutschland verhandelt, hat sich mit der Verlags gruppe Springer Nature auf ein Memo- randum of Understanding geeinigt. Es setzt den Verhandlungspartnern zufol ge den Rahmen für die weltweit umfas sendste OpenAccessVereinbarung. Den fi nalen Vertrag wollen sie noch in diesem Jahr unterzeichnen. Er soll es deutschen Forscherinnen und For schern voraussichtlich ermöglichen, ins gesamt mehr als 13.000 Open- Access- Artikel pro Jahr in den etwa 2.500 Zeitschriften von Springer Nature zu ver öff entlichen. Studierende und Forschen- de weltweit können die Artikel frei zu gänglich lesen, teilen und verwenden. Zusätzlich gewährt die Vereinbarung den teilnehmenden Institutionen dauer haften Lesezugriff auf alle Inhalte dieser Zeitschriften bis zurück ins Jahr 1997. Sprecherin der Projektgruppe DEAL ist Dr. Antje Kellersohn, leitende Direktorin der Universitätsbibliothek Freiburg. Sieben weitere Tenure- Track- Professuren Insgesamt sieben Wissenschaftlerin nen und Wissenschaftler können auf neuen TenureTrackProfessuren an der Universität Freiburg forschen und lehren. Diese hat das Auswahlgremium in der zweiten Runde des TenureTrack Programms bewilligt. TenureTrack Professuren aus dem BundLänder Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung richten sich an Postdoktorandinnen und Postdoktoran den in einer frühen Karrierephase und sehen nach einer erfolgreichen Bewäh rungsphase den direkten Übergang auf eine Lebenszeitprofessur vor. In der ers ten Runde des Programms erhielt die Uni versität Freiburg im Jahr 2017 bereits zwölf TenureTrackProfessuren. Sie hatte sich für 19 beworben, doch mehr Stellen konnten damals aufgrund einer Länder quote nicht bewilligt werden. Alle Univer sitäten konnten in der zweiten Runde für die damals nicht berücksichtigten Profes suren einen erneuten Antrag stellen.
04 2019 aktuell 3 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Teamspirit und Kreativität Nach der Entscheidung in der Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“ richtet die Universität Freiburg ihren Blick nach vorne von Nicolas Scherger Wir sind enttäuscht, aber nicht entmutigt“: So beschreibt Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer die Grundstimmung an der Universität Freiburg, deren Antrag in der För derlinie „Exzellenzuniversitäten“ der Exzellenzstrategie im Juli 2019 nicht bewilligt wurde. Mehr als 1.000 Mitglieder der Universität hatten sich für diesen Antrag en gagiert – Studierende, Forschende, Mitar- beitende aus Verwaltung, Service und Technik. „Diesen unglaublichen Teamspirit wollen wir erhalten, um den Kulturwandel an unserer Uni versität voranzutreiben.“ Das Ziel muss darin bestehen, die benannten Alleinstellungs merkmale und Stärken in allen Leistungsbe reichen auszubauen und Kritik konstruktiv für Verbesse rungen zu nutzen. Anhaltspunkte für beides liefert das Hinweis schreiben des Wissenschaftsrats zum Antrag der Universität Frei burg. Es lobt die Leistungs fähig- keit in den meisten Profilfeldern, insbesondere in den Bereichen „Biologische Signalforschung“ und „Funktionelle und bioinspirierte Ma- terialien“, mit denen die Universität 2018 jeweils einen Exzellenzclus- ter eingeworben hat. Außerdem würdigt es beispielsweise das Frei burg Institute for Advanced Studies (FRIAS) als „herausragendes, international renommiertes For schungskolleg“ und „Motor für Innovation und interdisziplinäre Vernetzung“, das University Col lege Freiburg (UCF) als bundes- weites Vorbild für innovative und forschungsorientierte Lehre und die strategische Ausrichtung der internationalen Zusammenarbeit in nerhalb von Eucor – The European den Starting Grants des European Research Council (ERC), jeweils Rang eins bei den Emmy Noether- Gruppen und dem Heinz Maier- Leibnitz-Preis der DFG. „Die Leistungsbilanz der vergange- nen Jahre zeigt: Mit dem Motto ‚Con- necting Creative Minds‘, der Förde- rung von Kreativität und Vernetzung sowie der Fortführung des universi tären Kulturwandels hat sich die Uni versität auf den richtigen Weg in die Zukunft begeben“, unterstreicht Rek tor HansJochen Schiewer. Und Prof. Dr. Dr. Andreas Barner, Vorsitzender des Freiburger Universitätsrats, ist überzeugt: „Eine Universität, die sol- che Mitglieder hat, muss sich um ihre Zukunft nicht sorgen.“ FOTO: SANDRA MEYNDT Exzellenzstrategie – Bewertung und Perspektiven Campus, dem grenzüberschreiten den Verbund der Universitäten am Oberrhein. Kritik konstruktiv aufnehmen Die im Schreiben des Wissenschafts- rats geäußerte Kritik will die Universität konstruktiv aufnehmen. „Die globale Perspektive unserer Internationalisie rungsstrategie hat nicht überzeugen können, und das können und müssen wir mit Hochdruck adressieren“, sagt Prof. Dr. Markus Heinrichs. Der Psy- chologe und Neurowissenschaftler war Sprecher der Gruppe „Boosting Research“ beim Ortsbesuch der Gut achtergruppe in der Förderlinie „Exzel- lenzuniversitäten“. Folglich will die Uni versität noch stärker herausarbeiten, welchen strategischen Mehrwert die internationalen Partner für die universi tären Profi lfelder in Forschung und Leh- re erbringen. In Sachen Diversität will die Universität den Fokus verstärkt auch auf Dimensionen wie Herkunft oder Alter legen – Christian Kröper, Vertreter der Verfassten Studierenden schaft in der Gruppe „University Bo dies“, sieht darin eine Forderung der Studierenden bestätigt: „Die alleinige Fokussierung auf die Dimension Ge- schlecht ist nicht mehr zeitgemäß.“ Ziel ist, in der nächsten Runde des Wettbewerbs mehr als zwei Exzel- lenzcluster einzuwerben – und auf dieser Grundlage die Chancen, Exzel- lenzuniversität zu werden, deutlich zu verbessern. Außerdem werden dem Schreiben des Wissenschaftsrats zufolge Schwer punkte und Alleinstellungsmerkmale im Profi lfeld „Umwelt und Nachhaltigkeit“ vermisst. „Die Universität hat ihre Stär- ken im Bereich Umwelt und Nachhaltig keit. Bislang sind die einzelnen Mosaik- steine jedoch noch nicht zu einem gemeinsamen Ganzen zusammenge setzt. Das Profi lfeld ‚Umwelt und Nach- haltigkeit‘ möchte diese Lücke schlie ßen und diesen Bereich schärfen. Ein Workshop im November stellt den Auf takt dafür dar“, berichtet Prof. Dr. Dani- ela Kleinschmit, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen und Spre cherin der Gruppe „Going Global“. Die Universität will auch die weiteren Profi l- felder stärken und dabei zugleich neue Clusterinitiativen auf den Weg bringen. Starke Leistungsbilanz Die Ausgangsposition ist nach wie vor gut: Die Universität Freiburg zählt in allen wichtigen Rankings seit Jahren zu den Top Ten der deutschen Univer sitäten und bundesweit zu den fünf bis sechs besten Volluniversitäten. Nach der Zahl ihrer Professuren und ihrem Fächerspektrum ist sie bundesweit die bewilligungsstärkste Universität – dies hat die Deutsche Forschungsgemein- schaft (DFG) in ihrem aktuellen For- schungsatlas ermittelt. Zudem nimmt die AlbertLudwigsUniversität in allen einschlägigen Förderprogrammen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Spitzenpositionen ein: Rang zwei beim Heisenberg Programm der DFG, Rang drei bei Die Universität Freiburg lädt alle ihre Mitglie- der dazu ein, gemeinsam auf das Ergebnis des Exzellenzwettbewerbs zurückzublicken und zugleich erste Perspektiven für die zu künftige Entwicklung zu diskutieren. Die Ver- anstaltung „Exzellenzstrategie. Bewertung und Perspektiven für die Zukunft unserer Uni versität“ fi ndet am 29. Oktober 2019 ab 17.30 Uhr in der Aula im Kollegiengebäude I statt. An der Podiumsdiskussion beteiligen sich unter anderem Prof. Dr. Hans-Jochen Schie- wer, Rektor der Universität Freiburg, Prof. Dr. Dr. Andreas Barner, Mitglied im Gesellschaf- terausschuss der Boehringer Ingelheim GmbH und Vorsitzender des Universitätsrats, Dr. Dorothea Rüland, Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdiens- tes und Mitglied des Universitätsrats, Dr. Beate KonzeThomas, ehemalige Leiterin der Abteilung „Programm und Infrastrukturförde rung“ der Deutschen Forschungsgemein- schaft und bis 2018 Mitglied des Universitäts- rats, sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Ortsbesuch der Gutachtergruppe in der Förderlinie „Exzellenzuniversitäten“. Ein Stuhl auf dem Podium bleibt für Gäste aus dem Publikum frei. Den Kulturwandel voranbringen Die Universität Freiburg hat strategische Maßnahmen in Forschung, Lehre und Administration angestoßen In der Förderlinie „Exzellenzclus- ter“ war die Universität Freiburg mit ihren beiden Vollanträgen er folgreich: CIBSS – Centre for Inte grative Biological Signalling Stu dies und livMatS – Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems haben Anfang 2019 ihre Arbeit aufgenommen. Zugleich er hält die Universität damit bis Ende 2025 eine so genannte Univer- sitätspauschale von jährlich 1,75 Millionen Euro zur Stärkung der Governance und der strategischen Ausrichtung. Damit kann sie aus- gewählte Maßnahmen zur Förde- rung des universitären Kulturwan dels, die sie in ihrem Antrag in der Förderlinie „Exzellenzuniversitä- ten“ beschrieben hat, umsetzen. Drei Beispiele aus Forschung, Leh- re und Administration: FOTO: LINDA BUCKLIN/SHUTTERSTOCK FOTOS: HAR ALD NEUMANN Saltus! Master Labs Connected Services Mit risikoreichen Forschungspro- jekten wissenschaftliches Neuland betreten: Dieses Ziel verfolgt das Format „Saltus!“ am Freiburg Insti tute for Advanced Studies (FRIAS). Es ermöglicht Forschenden aller Karrierestufen und Fachbereiche, vollkommen neue Ansätze und Ide en zu verfolgen und damit zugleich die wissenschaftliche Erneue- rungsfähigkeit der Universität zu stärken. Die Innovationskraft des Vorhabens ist als Förderkriterium entscheidend. Die erste Saltus!- Gruppe am FRIAS befasst sich ak tuell mit dem Thema „Verantwortli che Künstliche Intelligenz“. In fächerübergreifenden Teams for schend lernen: Besonders motivierte und leistungsstarke Masterstudieren- de erhalten die Möglichkeit, in Master Labs unter wissenschaftlicher An leitung erste Forschungserfahrungen zu sammeln und sich damit auf eine spätere Promotion vorzubereiten. Im Vordergrund stehen die Vernetzung und der Austausch mit anderen Mas- terstudierenden, Promovierenden und Forschenden sowie die Entwicklung eigener Forschungsfragen und de signs. Der Freiburger Cluster CIBSS hat schon das erste Master Lab ge- startet, livMatS wird ein weiteres auf den Weg bringen. Forschung und Lehre mit profes sionellen und serviceorientierten Strukturen unterstützen: Die Uni- versität Freiburg ist im Oktober 2019 mit einer Auftaktveranstal- tung in das Projekt „Connected Services“ eingestiegen. Ziel ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter aus Verwaltung, Service und Technik gemeinsam mit Nutzerin nen und Nutzern die Umsetzung effi zienterer Abläufe angehen. Das Projektteam hat hierfür eine Me- thode erarbeitet, nach der alle Mit- glieder der Universität konkrete Veränderungs und Verbesse rungsprozesse anstoßen können.
4 forschen 04 2019 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Anreise mit weniger Ausstoß Der Politikwissenschaftler Sebastian Jäckle hat ein klimafreundliches Konzept für Konferenzen erarbeitet 1.500 bis 2.000 Fachkollegen nähmen daran jeweils teil, die Veranstaltungs orte wechselten jährlich und seien über ganz Europa verteilt. 2015 fand die ECPR-Konferenz gar in Montreal statt. „Man kann sich schon fragen, warum sich europäische Politikwis senschaftlerinnen und wissenschaft ler in Kanada treffen müssen“, sagt Jäckle, denn die Anreise sei der Hauptfaktor für den CO2Ausstoß einer Konferenz. Deshalb ermittelte der Statistikexperte anhand der öf fentlichen Teilnehmerlisten der Kon ferenzen, woher die Gäste der ver gangenen sechs Jahre jeweils kamen, und berechnete mit entsprechen der Software Anreisestrecken für verschie dene Verkehrsmittel. „Ich habe die Annahme gebildet, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einer Anreise von bis zu fünf Stunden Bahn oder Bus genommen haben, bei einer längeren Anreise aber geflogen sind“, erläutert er. Auf der Basis von drei unterschiedlichen Modellen be- rechnete er anschließend die unge fähren Emissionen. Das Ergebnis: Jeder Gast verur- sachte durch seine An und Abreise zu und von einer Konferenz in Europa im Schnitt einen CO2-Ausstoß von 0,5 bis 1,3 Tonnen; bei der Tagung in Montreal waren es sogar 1,9 bis 3,4 Tonnen. Damit hätten die Wissenschaftler be- reits einen großen Teil des persönli chen Jahresbudgets verbraucht, das der Weltklimarat für die kommenden Jahrzehnte errechnet habe, um die Erd- erwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken, sagt Jäckle. Allerdings sei die Verteilung der Emissionen sehr unterschiedlich: Bei der Konferenz 2018 in Hamburg zum Beispiel seien sieben Prozent der Gäste für 50 Prozent des CO2Ausstoßes verant wortlich gewesen. Jäckle schlägt deshalb vor, dass Teil nehmer, die mehr als 4.000 Kilometer Wegstrecke zurücklegen müssten, künftig online zugeschaltet werden. Außerdem hat er berechnet, was sich ändern würde, wenn erstens möglichst viele Gäste auf Bahn oder Bus umstie gen, auch wenn sich die Reisezeiten dadurch deutlich verlängerten, und wenn zweitens alle Konferenzen an einem zentralen, gut angebundenen Ort wie Frankfurt am Main stattfänden. „Wenn man alle drei Optionen zusam mennimmt, ließen sich 75 bis 90 Pro- zent des CO2 einsparen“, betont er. Bisher sehe er aber wenig Bemü hungen in diese Richtung. Es gebe einzelne Selbstverpflichtungen von Wissenschaftlern und symbolische Aktionen wie seine Anreise per Fahr rad. „Es sollte aber auch institutionell etwas passieren“, fordert er. Das sei für ihn eine Frage der Glaubwürdigkeit seines Fachs: „Wir können nicht stän dig an die Politik appellieren, aber selbst nicht handeln.“ Stiftungen und andere Förderinstituti onen könnten zum Beispiel klimafreund liche Konferenzwege stärker subventio nieren oder zur Voraussetzung für eine finanzielle Unterstützung machen, schlägt Jäckle vor: „Solche allgemeinen Vorgaben machen es auch für den Ein- zelnen einfacher.“ Und von seinem eige nen Fachbereich wünscht er sich eine freiwillige Selbstverpfl ichtung, Flüge zu Konferenzen künftig einzuschränken: „Wenn so etwas irgendwo funktioniert, dann in Freiburg.“ Knapp 1.000 Kilometer hat Sebastian Jäckle mit dem Fahrrad von Freiburg ins polnische Wrocław zurückgelegt. FOTO: JÜRGEN GOCKE von Thomas Goebel Jäckle hat berechnet, welchen Ausstoß an klimaschädlichem CO2 politikwis senschaftliche Konferenzen in Europa verursachen. Ich gebe zu, ich habe meine Ergeb- nisse ziemlich konfrontativ präsen tiert“, sagt Dr. Sebastian Jäckle und lächelt leicht. Im September 2019 stell- te der Freiburger Politikwissenschaftler sein aktuelles Forschungsprojekt auf einer großen Konferenz im polnischen Wrocław (Breslau) vor. Thema waren gewissermaßen seine Kolleginnen und Kollegen, die seinem Vortrag zuhörten: Er selbst war klimaneutral mit dem Rad angereist – und berichtete den Fachkollegen, dass der ökologische Fußabdruck solcher Konferenzen groß sei, die Anstrengungen, dies zu än dern, bisher aber klein. „All talk, no action“ („Nur Gerede, keine Taten“) hatte er als provokative Überschrift ge wählt. „Das haben nicht alle so gerne gehört“, sagt er. Die Grundidee des Forschungsvor- habens ist eigentlich simpel: Ihm sei schon häufi ger unwohl gewesen, wenn er für ein 15-minütiges Referat auf einer Konferenz eine lange Anreise mit dem Flugzeug unternommen habe, berichtet Jäckle. „Dass das schlecht fürs Klima ist, weiß jeder. Und ich wollte wissen, wie schlecht es ist.“ Also hat er sich seinen eigenen Fachbereich vorgenom men und die vergangenen sechs Konferenzen des European Consortium for Political Research (ECPR), einer großen europäischen Vereinigung für Politikwissenschaften, untersucht. Im Fluss Ein neues Modell ermöglicht es erstmals, die Entwicklung des Grundwasserspiegels weltweit vorherzusagen von Mathias Heybrock D r. Inge de Graaf sitzt in der klei nen Küche des HydrologieCon tainers in der Stefan-Meier-Straße und nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee. Der ist natürlich mit Schwarz- waldwasser aufgebrüht – überhaupt kein Problem, schließlich ist davon in der Region mehr als genug da. In den USamerikanischen High Plains zum Beispiel sieht das anders aus: Seit Jahren wird dort dem Boden mehr Wasser entnommen, als er über Nie derschläge wieder aufnehmen kann. Die High Plains im Westen des Lan- des sind ein Gebiet mit wenig Regen, in dem gleichzeitig intensive Bewäs serungslandwirtschaft betrieben wird. Die Folge: Der Grundwasserspiegel sinkt kontinuierlich. Hydrologinnen und Hydrologen ist die Situation in der Region bekannt. „Doch was wir jetzt gemacht haben, ist neu“, erklärt de Graaf: „Wir haben ein Modell erstellt, das Grundwasserströme global zeigt – und welche Auswirkungen die Ent- nahme heute und in Zukunft hat.“ De Graafs Studie ist jüngst in dem renommierten wissenschaftlichen Journal „Nature“ erschienen – neben „Science“ die angesehenste Fachzeit schrift der Welt. „Ich baue dabei auf eigenen Arbeiten auf, die ich als Dok- torandin an der Universität Utrecht begonnen habe“, so die Hydrologin. Die niederländische Universität war als Partnerin mit an Bord, ebenso die kanadische University of Victoria. Daten über den Boden Daten zu Temperaturen und Nie- derschlägen sind bereits weltweit verfügbar. „Für unser Modell zur Berechnung der Grundwasserent wicklung jedoch brauchten wir zu sätzliche Informationen über die Böden“, er läutert de Graaf: Wie stark sind die einzelnen Sedimentschich ten, wie viel Wasser können sie auf nehmen und versickern lassen? „Solche Daten zusammenzutragen war harte Arbeit.“ Neu an dem Modell ist dabei nicht nur, dass es globale Entwicklungen nachzeichnet. Mindestens ebenso wichtig ist, dass es erstmals zeigt, wie die Grundwasserströme mit Bächen, Flüssen und künstlich angelegten Wasserreservaten in Beziehung ste hen. „Gerade in Zeiten geringen Nie derschlags migriert Grundwasser un terirdisch, etwa in Flüsse.“ Diese Fließwege werden aber unterbrochen, wenn gleichzeitig immer tiefere Brun nen gebohrt werden, um trotz sinken der Spiegel weiter an Grundwasser zu kommen. Die Flüsse drohen dann aus- zutrocknen. „Doch auch niedrige Pegel können schon zu Fischsterben führen – und in der Folge ganze Öko systeme gefährden“, führt de Graaf aus. Wie stehen Grundwasserströme mit Bächen, Flüssen und künstlich angelegten Wasserreservaten in Beziehung? Auf diese Frage bietet das Modell erstmals eine Antwort. FOTO: R_TEE/STOCK.ADOBE.COM „Auff allend an unseren Ergebnissen ist, dass nur ein geringes Absinken des Grundwasserspiegels erforderlich ist, um die Einleitung von Grundwasser in einen Bach oder Fluss wesentlich zu beeinflussen.“ Das verdeutliche, warum Süßwasserökosysteme extrem empfindlich auf einen Abfall des Grundwasserspiegels reagierten. Mit de Graafs Modell lässt sich die Ent- wicklung für die kommenden Jahr zehnte prognostizieren: Regionen wie die High Plains, in denen der Grund wasserverbrauch bereits heute viel zu hoch ist, sind auf den Karten rot ein gefärbt. Blaue Flächen kennzeichnen Gegenden, in denen dieser Fall voraussichtlich im Jahr 2050 eintreten wird: etwa Westafrika oder auch Teile Spaniens und Portugals. „Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch wir erneut Trockenheit wie in den vergan genen beiden Jahren erleben könnten“, ergänzt de Graaf. Aber doch, dass trotz solcher Phasen die Grundwas serentnahme in Deutschland nicht sys- tematisch negativ werde. Wenn die Temperaturen steigen Angesichts dieser Prognosen scheint es dennoch dringend geboten, den Ver brauch von Grundwasser zu reduzieren. Dass das ein frommer Wunsch ist, weiß freilich auch de Graaf: „Ein Großteil des Wassers wird ja benötigt, um Lebens mittel zu produzieren. Und wenn die Temperaturen steigen und die Weltbe völkerung wächst, wird es zukünftig eher noch mehr Bewässerung geben müssen.“ Inge de Graaf macht aber keines wegs den Eindruck einer Forscherin, die ihre Mitmenschen in Panik verset- zen möchte. „Ich sehe meine Studie als eine notwendige Bestandsaufnah me, als eine Vermittlung von Wissen: Dass eine zu hohe Grundwasserent- nahme einen Einfl uss auf Flüsse und Wassersysteme hat, ist zum Beispiel noch weitgehend unbekannt. Um Lösungen zu entwickeln, müssen wir solche Zusammenhänge erst einmal erkennen.“
04 2019 forschen 5 unı leben unı leben Die Zeitung der Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Extremisten unterm Mikroskop unterm Mikroskop Archaeen sind extravagante Mikroorganismen – Archaeen sind extravagante Mikroorganismen – warum findet die Forschung sie vielversprechend? warum findet die Forschung sie vielversprechend? von Jürgen Schickinger Die Extremisten unter den Mikro- organismen heißen Archaeen. „Die galten bis vor Kurzem noch als ‚komi sche‘ Bakterien“, sagt Prof. Dr. Sonja- Verena Albers vom Institut für Biologie II. Sie erforscht die Sonderlinge, die in Salzlake, in heißen Schwefelquellen und an anderen lebensfeindlichen Orten gedeihen. Für ihre Projekte hat Albers gerade mehr als eine Million Euro Fördergelder erhalten. Optimales Timing, denn in den vergangenen Jahren hat sich herausgestellt, dass Archaeen keine bedeutungslosen Exoten sind. Sie kommen auch am menschlichen Körper vor und sind womöglich sogar Vorfahren der menschlichen Zellen. Die Wende kam bei einer Tiefseeexpe- dition im Sommer 2010. Davor glaubte die Fachwelt, die Einzeller würden aus- schließlich in abseitigen Nischen unter außergewöhnlichen Bedingungen ge deihen: Hitze, Salz, Säure. Ihr einfacher zellulärer Aufbau, dem sie ihren früheren Namen „Urbakterien“ verdanken, hebt sie ebenfalls von anderen Organismen ab. Kuriose Außenseiter des Lebens, so schien es. Dann entdeckten Tiefseefor- schende in 2.352 Metern unter dem Mee- resspiegel an „Loki’s Castle“, einem Schwefelschlot im Nordatlantik, die Loki Archaeen, erzählt Albers: „Das war die erste Art der AsgardArchaeen.“ Thor und Odin als Namenspaten AsgardArchaeen sind alle nach nor dischen Gottheiten benannt – Thor, Odin, Heimdall. Das Besondere an ihnen: Ihre molekulare Struktur hat Ähn lichkeiten mit der eukaryotischer Zellen, aus denen Pfl anzen und Tiere bestehen, also auch Menschen. „Asgard-Archaeen besitzen Vorläufer eukaryotischer Signa turproteine“, sagt die Molekularbiologin. „Diese Verwandtschaft war sehr über- raschend.“ Inzwischen diskutieren Fach leute, ob eukaryotische Zellen von Archaeen abstammen. Die fanden For- scher erst kürzlich auf menschlicher Haut sowie in Nase, Lunge und Darm. Längst nicht alle Archaeen sind so extrem und exotisch wie angenommen. Vielleicht gibt es unter ihnen sogar unerkannte Krankheitserreger? „Wir wissen noch wahnsinnig wenig über sie“, bedauert Albers. Ein paar Wis- senslücken sollen ihre neuen Projekte schließen: „Dass gleich zwei große Anträ- Mehr als eine Million Euro hat Sonja-Verena Albers erhalten, um ihre Forschung über die Bakterien voranzutreiben. FOTO: PATRICK SEEGER Synergy Grant für Klimaforschung Der Umweltmeteorologe Prof. Dr. Andreas Christen, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, erhält für sei ne Forschung zu Stadtklima und globa lem Klimawandel einen Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC). Diese Förderung wird an Teams von zwei bis vier Wissenschaftlerinnen und Wis senschaftler vergeben. Christen be kommt den mit 12,4 Millionen Euro dotier- ten Grant für das Projekt „urbisphere“, in dem er mit Kolleginnen und Kollegen aus Stuttgart, Reading/England und Herakli- on/Griechenland forscht. Ewas mehr als vier Millionen Euro gehen an die Univer- sität Freiburg. Dort entwickelt die Gruppe um Christen neue Beobachtungsmetho den, die essenzielle Daten zur Wechsel- wirkung der Städte mit dem Klimasystem liefern. Gemessen werden sollen zum Beispiel Treibhausgas-Emissionen von Städten oder individualisierte Klimabelas tungen für die Stadtbevölkerung wie Hitze und Luftverschmutzung. Ziel des Projekts ist, die Dynamik der Städte im Klimasystem besser in Klima und Vor hersagemodellen abzubilden. Neue Emmy-Noether-Gruppen Sabine Richert (links) und Anayancy Osorio erhalten je knapp zwei Millionen Euro für den Aufbau einer Arbeitsgruppe. FOTOS: PRIVAT, THOMAS KUNZ Grün, rund, rätselhaft: Bei einer Tiefseeexpedition im Jahr 2010 haben Wissen- schaftler das Potenzial von Archaeen entdeckt. FOTO: SCIENCE PHOTO LIBR ARY/EYE OF SCIENCE ge erfolgreich waren, freut mich besonders.“ Die För- derlinie „Momentum“ der VolkswagenStiftung stellt ihr in den nächsten fünf Jahren 950.000 Euro zur Verfügung. Da- mit möchte Albers in wissenschaftli ches Neuland vorstoßen und die zellbio logische Erforschung von Archaeen angehen. Die gibt es bisher nicht, denn oft fehlt es an intakten, lebenden Ar chaeen. Viele Arten lassen sich schwer kultivieren, weil sie Hitze, Salz und Säure lieben. Die vertragen übliche Mikroskope und andere Laborgeräte wiederum schlecht. „Wir müssen unsere Methoden diesen Bedingungen anpassen“, erklärt Albers. Saurer als Essig Die Kultivierung von Archaeen und der Bau robuster Werkzeuge für deren Erfor- schung zählen zu Albers‘ Paradediszipli nen. Die Biologin hat schon in den 1990er Jahren begonnen, die Gattung Sulfolobus im Labor heranzuziehen. Das Archaeon vermehrt sich bei 70 Grad Cel sius in aggressiven Kulturmedien, die saurer sind als Essig. Trotzdem betreibt Albers’ 20-köpfi ge Arbeitsgruppe damit genetische Forschung – führt beispiels weise Mutationen ein und studiert, was dann passiert. Seit fünf Jahren kultiviert Albers zudem Haloferax. Dieses Archa- eon fühlt sich bei 45 Grad in dicker Salz- brühe wohl. Vom Laborgenossen Sulfo Die Chemikerinnen Dr. Sabine Richert, Institut für Physikalische Chemie, und Dr. Anayancy Osorio, In- stitut für Mikrosystemtechnik und Freiburger Materialforschungszen- trum, haben bei der Deutschen For- schungsgemeinschaft jeweils eine Emmy- Noether-Gruppe eingeworben. Mit der Förderung von je knapp zwei Millionen Euro können sie eine eige- ne Arbeitsgruppe aufbauen, leiten und sich damit für eine Professur qualifizieren. Richert erforscht, wie Materialien auf molekularer Ebene beschaffen sein müssen, um Informa tionen möglichst effizient übertragen und speichern zu können. Ihre Er- kenntnisse könnten als Grundlage dienen, um die Entwicklung von Quantencomputern voranzutreiben oder die Effizienz organischer LEDs und Solarzellen zu verbessern. Oso rio entwickelt HydrogelBiomateriali en, die mechanische Leistung von Geweben erbringen und dabei die Zellernährung und die biochemischen Stoffumsätze zulassen. Ziel ist, diese Materialien durch das 3-D-Bioprinting- Verfahren einfacher zu vervielfältigen. lobus unterscheidet sich Haloferax molekular deutlich. Darum will Albers bei beiden Archaeen untersuchen, wie sich ihre Zellen teilen und wie sich dabei Zell hülle und Membranen umorganisieren. An diesen Prozessen sind die besag ten Proteine beteiligt, die sich bei Asgard-Archaeen und Eukaryoten ähneln. Wie sie genau funktionieren, will das interdisziplinäre deutschenglische Forschungskonsortium „Leben?“ aufklä- ren, das Albers leitet. Auf sie entfallen 400.000 Euro Fördergelder für die nächs- ten vier Jahre. Manche Konsortiumsmit- glieder werden mit eukaryotischen Zellen experimentieren, andere werden Compu termodelle erstellen. Albers will an Sulfo lobus Grundlagenforschung betreiben: „Er ist zwar kein Asgard-Archaeon, aber nahe verwandt und hat ein einfacheres Proteinsystem als Eukaryoten.“ So hoff t sie, schnell neue Erkenntnisse gewinnen zu können – über Archaeen und mögli cherweise auch über die menschlichen eukaryotischen Zellen. An einem hat SonjaVerena Albers jedenfalls keinen Zweifel: „Wir können noch viel von Ar chaeen lernen.“ Spitzenwerte in Rankings Die Universität Freiburg zählt im aktuellen „Times Higher Education Ranking“ zu den Top 100 weltweit und liegt bundesweit unter den Volluni versitäten auf Platz vier. Die in dem Ranking erreichten Werte unterstrei chen ihre Forschungsstärke: Im welt weiten Vergleich gehört die Universität Freiburg bei der Anzahl von Promotio nen, Publikationen sowie beim Drittmit- telerfolg der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den Spitzenreitern. Zudem gilt sie als führend im Techno logietransfer, was unter anderem auf die vielen Patentanmeldungen zurück zuführen ist. Das Academic Ranking of World Universities 2019, auch Shang- haiRanking genannt, verzeichnet Frei burg unter den deutschen Forschungs universitäten auf den Plätzen fünf bis sieben und weltweit zwischen den Plätzen 101 bis 150. Diesem Ranking zufolge gehört die Universität Freiburg vor allem in den Umweltwissenschaf ten, der Technischen Medizin und den Agrarwissenschaften zu den besten der Welt.
6 lernen 04 2019 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Versuch um Versuch Horst Fischer will Studierende und Laien für die Physik begeistern – dazu lockt er sein Publikum aufs Glatteis Muss man sich Ihre Lehrveran- staltungen für Studierende wie die Weihnachtsvorlesungen vorstellen? Auch in meinen Einführungsvorle- sungen für das Physik- und Medizin- studium möchte ich den Studierenden als Alltagserfahrung vermitteln, was physikalische Gesetze bedeuten. Aber die Gesetze müssen auch mathema tisch hergeleitet und die Experimente ausgewertet werden. Physik gilt eher als Männerdo- mäne. Braucht es besondere Gene, um sich dafür zu begeistern? Physik ist jedermann und jederfrau vermittelbar und eine Frage der Soziali sation. Inzwischen haben wir 25 Prozent Frauen unter den Studierenden. Als ich in den 1980er Jahren anfi ng, waren es gerade mal drei Prozent. Fühlen Sie eine Art Mission, Ihrem Fach mehr Geltung zu verschaff en? Ich würde es nicht Mission nennen. Es verschafft mir eine innere Befrie- digung, wenn ich vermitteln kann: Physik macht Spaß. Sie ist gar nicht so kompliziert, wie alle denken. Physik ist für alles einsetzbar. Physikerinnen und Physiker arbeiten bei Banken oder in Industrieunternehmen, in Vorständen oder Entwicklungsabteilungen. Sie haben gelernt, komplexe Vorgänge auf kleine Probleme herunterzubrechen, die damit lösbar werden. Deshalb werden sie ja auch hän- deringend gesucht. Ganz beson- ders dringlich an den Schulen. Dann dürfte man es ihnen aber nicht so schwer machen. Kultusverwaltung und Unfallversicherung sorgen für eine aufwendige Bürokratie, etwa indem sie zu jedem Experiment eine ausführliche Gefahrenbegutachtung verlangen. Ra dioaktive Quellen wurden weitgehend abgeschaff t, egal wie viel Strahlung sie verursachen. Quantenphysik ist nur noch theoretisch zu vermitteln. Wer Physik unterrichtet, braucht Zeit und eine gute Ausstattung für Experimente. Nur auf die „Sendung mit der Maus“ oder Youtube zu verweisen ist kein ad- äquater Ersatz, und es motiviert auch die Lehrkräfte nicht. Wir bieten für an gehende Lehrerinnen und Lehrer einen schulpraxisnahen Laborkurs mit De- monstrationsexperimenten an. Das Di- lemma ist, dass sie im Schulalltag häu fi g gar nichts mehr davon an wenden können. Ins Schwarze getroff en: Für seine experimentorientierte Lehrmethode hat die Universität Freiburg Horst Fischer jüngst mit dem Universitätslehrpreis ausgezeichnet. FOTOS: THOMAS KUNZ Physik – ein Buch mit sieben Siegeln? Nicht für Prof. Dr. Horst Fischer. In seinen jedes Jahr restlos ausgebuchten „Weihnachtsvorle- sungen“ gewinnt der Forscher ihr sogar einen Unterhaltungswert ab: Mit verblüff enden Versuchen präsen- tiert er dann einem Laien publikum, was in seinem Fach steckt. Von die- ser experimentorientierten Lehrme- thode profi tieren auch seine Studie- renden. 2019 ist der 60-Jährige mit dem Univer sitätslehrpreis ausge- zeichnet worden. Mit Anita Rüffer sprach er über die Kunst, komplexe Zusammenhänge zu vermitteln. uni’leben: Herr Fischer, Sie kom- men gerade aus dem Griechenland- urlaub zurück. War die Physik immer dabei? Horst Fischer: Auch im Urlaub praktiziere ich, was ich meinen Studierenden in der Ausbildung vermitt le: nichts als gegeben hinnehmen, sondern Alltagsphänomene auf ihre phy sikalischen Zusammenhänge prüfen. War Physik Ihr Lieblingsfach in der Schule? Die Frage passt nicht zu meinem Werdegang. Nach der Mittleren Reife habe ich erst mal eine Ausbildung zum Fernmeldetechniker gemacht. Das hat mein Interesse geweckt, Physik zu studieren. Dafür musste ich das Abitur nachholen. Sie haben sich die Physik also nicht von der Theorie her erschlossen. Von der guten Ausbildung bei der damaligen Post und dem großen Praxisbezug profitiere ich bis heute. Und das Publikum Ihrer Weih- nachtsvorlesungen profitiert mit. Was macht diese Vorlesungen zu Kultveranstaltungen? Ich versuche, die Menschen aufs Glatteis zu locken. Es passiert etwas ganz anderes, als sie erwarten, weil ihre Vorstellungen oder Bilder davon falsch sind. Das erzeugt einen Aha-Eff ekt. Was kann so ein falsches Bild sein? Viele haben schon mal im Fern sehen verfolgt, wie eine Rakete von Cape Canaveral ins Weltall abhebt, und stellen sich vor, dass sie sich wie beim Trampolinspringen mit ihrem Feuerstrahl von der Erde abstößt. Feuer und Flamme: Horst Fischer bei einem Experiment in der „Weihnachtsvorlesung“. Ist das nicht so? In der Vorlesung zeige ich ein Expe- riment, bei dem eine mit ein wenig flüssigem Stickstoff gefüllte und mit einem Korken verschlossene Sprudel flasche wie eine Rakete durch den Hörsaal fliegt. Wird sie erhitzt, ver dampft der Stickstoff und vertausend facht sein Volumen, ein Effekt der Thermodynamik. Der Druck lässt den Korken nach hinten wegfliegen, und die Flasche wird in die entgegen gesetzte Richtung geschleudert. Damit lässt sich sogar ein „Auto“ in Bewegung setzen, richtig? Um das Gelernte weiter zu verfesti gen, hat unsere Werkstatt ein Auto gebaut, an das unten so eine Flasche montiert ist. Strömt das Gas aus der Flasche, dann fährt das Auto mit mir drauf in die andere Richtung. Da ist kein Boden oder eine Mauer, von dem es sich abstoßen müsste, sondern einfach nur das physikalische Gesetz der Impulserhaltung. Wer das ein mal gesehen hat, wird es nie wieder vergessen. Universitätslehrpreis 2019 verliehen 280.000 Euro für ausgezeichnete Ideen Die Universität Freiburg vergibt 2019 jeweils einen Universitätslehrpreis für außerordentliche Leistungen an Prof. Dr. Horst Fischer (siehe Interview oben) vom Physikalischen Institut, Prof. Dr. Michael Müller vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften so wie an Julia Gurol und Ingo Henneberg vom Seminar für Wissenschaftliche Politik. Das Preisgeld beträgt insge- samt 10.000 Euro. Müller erarbeitete das Lehrkonzept „Ethik und Nachhal- tigkeit“, das Studierenden der Pharma zie einen Dialog mit anderen Fächern ermöglicht, um sich mit der Tragweite von Entscheidungen und Fragen zu ethischem Handeln auseinanderzusetzen. Gurol und Henneberg überzeugten die Jury mit ihren Ringseminaren zur Friedens- und Konfl iktforschung. Die beiden nutzen moderne Videokonfe renztechnik und die Lernplattform ILIAS, um interaktive, standort und länderüber greifende Veranstaltungen zwischen verschiedenen Universitäten anzubieten. Außerdem hat die Univer sität Freiburg den Sonderpreis für her ausragendes studentisches Engage- ment an Isabel Gana Dresen, Gynna Lüschow und Tobias Becker verliehen. Die mit 500 Euro dotierte Auszeich- nung erhalten die Studierenden vom Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie für die Orga- nisation einer fächerübergreifenden Summer School. Spiele im Sportunterricht, Digitali- sierung in der Rechtswissenschaft, Grundlagen der Chemie und maschi nelles Lernen als Schlüsselqualifi kati- on: Die Albert-Ludwigs-Universität hat in diesem Jahr vier Projekte mit dem „Instructional Development Award“ (IDA) – ihrem mit jeweils 70.000 Euro dotierten Lehrentwicklungspreis – aus gezeichnet. Die Vorhaben sind auf ma- ximal 18 Monate ausgelegt und haben am 1. Oktober 2019 begonnen. In die- ser Zeit ver fügen die Preisträgerinnen und Preisträger über fl exibel einsetz- bare Mittel, die ihnen fi nanzielle und zeitliche Freiräume eröff nen. Sie kön- nen zum Beispiel ihre Vertretung über Lehraufträge fi nanzieren oder wissen- schaftliche Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter sowie Hilfskräfte einstellen. Aus gezeichnet wurden Prof. Dr. Albert Gollhofer und Dr. Flavio Bessi für ihr Projekt „DoppelfOERderung: Lernen durch Lehren an und mit Geräten“ sowie Prof. Dr. Boris P. Paal für das Vorhaben „Recht und Digitalisierung: Coding for Lawyers“. Prof. Dr. Birgit Esser, Prof. Dr. Eckhard Bartsch und Dr. Janina Kirsch überzeugten mit ihrem Konzept „ChemieBootcamp“. Prof. Dr. Thorsten Schmidt, Junior- professor Dr. Philipp Harms und Prof. Dr. Frank Hutter werden mit dem Preis- geld ihr Vorhaben „Maschinelles Ler- nen und künstliche Intelligenz in Frei burg“ umsetzen. ... bestell ich gleich! Der uni'shop bietet euch tolle Geschenkideen. www.shop.uni-freiburg.de
04 2019 lernen 7 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Ambivalente Töne Studierende der Soziologie haben einen Audioguide über den Platz der Alten Synagoge erarbeitet von Kristin Schwarz Der Platz der Alten Synagoge in der Stadtmitte Freiburgs ist ein Treff punkt für Jung und Alt, ein Veranstal tungsort für Kultur und Politik und mit dem darauf angelegten Wasserbecken außerdem eine Gedenkstätte für das im Nationalsozialismus zerstörte jüdi sche Gebetshaus. Für 16 Soziologie studierende wurde der Platz im vergan genen Jahr darüber hinaus auch zum Forschungsort. In einem Seminar zum Thema „Städtischer Raum“ hat sich die Gruppe an seinem Beispiel mit der Frage beschäftigt, wem der öffentliche Raum gehört. Sechs Stationen Eine Forschungsidee entwickeln, die Ergebnisse aufbereiten und die theo retische Rückbindung nicht vergessen: In zwei Semestern haben die Teilneh merinnen und Teilnehmer alle Arbeits schritte eines qualitativen Forschungs projekts umgesetzt. „Das empirische Forschungspraktikum mit Werkstatt charakter sollte den Studierenden eine ganzheitliche Erfahrung bieten“, erklärt Dr. Christine Kimpel vom Institut für Soziologie. Das heißt: Die Studieren den haben ihr theoretisches Wissen in die Praxis umgesetzt, indem sie zum Beispiel ihre Fragestellung in ein pas sendes Forschungsdesign übertrugen, Interviews mit Nutzerinnen und Nut zern des Platzes führten und transkri bierten, Beobachtungsprotokolle er stellten und die Daten auswerteten. Zwölf Studierende haben sich gegen eine klassische Hausarbeit entschie den und stattdessen ihre Ergebnisse in einem 45-minütigen Audioguide zusam mengefasst, der den Platz der Alten Synagoge anhand von sechs Stationen vorstellt. Er verbindet Hintergrundinfor mationen mit Originaltönen von Inter viewten und verleiht dadurch auch je nen eine Stimme, die im Alltag oft weniger Gehör finden. Nun können In teressierte den Audioguide kostenlos herunterladen und zum Beispiel auf ihrem Smartphone nutzen. Der Freiburger Verein Kommunika- tion und Medien hat die Umsetzung medienpädagogisch betreut. „In ver schiedenen Workshops konnten die Studierenden ihre Medienkompeten zen vertiefen und mehr über Interview führung oder Audioschnittprogramme lernen. Zudem wurden sie für die Auf gabe sensibilisiert, wissenschaftliche Erkenntnisse zielgruppengerecht auf zubereiten“, sagt Kimpel. Als weitere Vorteile nennt sie unter anderem den Blick über den Tellerrand und das Er lernen nützlicher Tools zum Zeit und Projektmanagement. Ein Ort, der polarisiert Zu welchen Ergebnissen sind die Studierenden gekommen? Die Feldfor schung habe gezeigt, so Kimpel, dass öffentliche Räume auch im digitalen Zeitalter für Menschen bedeutsam sei en – wenngleich die einzelnen Meinun gen häufig auseinandergingen. „Der Platz der Alten Synagoge ist ein Ort, der polarisiert und von seiner Ambiva lenz lebt. Die Leute nehmen seine offene Gestaltung und seinen lebendi gen Charakter positiv wahr“, erläutert die Seminarleiterin. „Gleichzeitig wird kritisiert, dass ihn eben diese Weite einsehbar mache. Lebens und Klein künstler gaben an, sich dort nicht will kommen zu fühlen.“ Als Beispiel ver weist Kimpel auf einen Fahrradkünstler, der laut eigener Aussage sein Können vor Ort nicht zeigen dürfe. Gebaut, gelebt, gedacht Auch im Hinblick auf die Gedenkstätte, die mit einer Wasserfläche den Grund riss der einstigen Synagoge nach zeichnet, herrsche Uneinigkeit: Die einen störten sich an der Architektur und den im Wasser spielenden Kin dern, andere äußerten Verständnis. „Die im Audioguide genannten Ansich ten verdeutlichen, dass öffentliche Räume sowohl die Gesellschaft als auch das Spannungsfeld zwischen ge bautem, gelebtem und gedachtem Raum widerspiegeln“, erklärt Kimpel. „Dabei können sich die Sichtweisen än dern. Einige Studierende haben den Platz vorab als gegeben wahrgenom men. Da er jetzt Teil ihrer Geschichte ist, hat sich auch ihr Bezug dazu geän dert.“ In diesem Sinne sei der Audio guide auch als Beitrag zum öffentli chen Diskurs zu verstehen und lade seine Hörerinnen und Hörer ein, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. Sechs Stationen, 45 Minuten: Der Audioguide will Freiburgern und Touristen Lust machen, sich vor Ort ein eigenes Bild vom Platz der Alten Synagoge zu verschaffen. FOTO: THOMAS KUNZ www.pr.uni-freiburg.de/go/ audioguide Mehrstimmig und mit vereinten Kräften Das Freiburger Forschungs- und Lehrzentrum Musik nimmt im Oktober 2019 seine Arbeit auf von Stephanie Streif Noch ist das neue Freiburger For schungs- und Lehrzentrum Musik nicht in einem eigenen Gebäude ver ortet. Trotzdem ist das Zentrum, kurz FZM, bereits viel mehr als nur ein Kon zept: Die Satzung ist beschlossen, einen ersten großen Kongress hat es bereits im April 2019 ausgerichtet, und im Oktober nimmt es offiziell seine Arbeit auf. Das FZM ist eine Kooperati on der AlbertLudwigsUniversität und der Hochschule für Musik (HfM) Frei burg und will Studierenden, Lehrenden und Forschenden für die Auseinander setzung mit Musik und dem Musizieren ein gemeinsames Dach bieten. Knapp vier Jahre ist es her, dass das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Gründung von fünf neuen Landes zentren angestoßen hat. Die Idee da hinter: die Profile der Musikhochschu len im Land zu schärfen. Eines dieser fünf Landeszentren ist das heutige FZM. Prof. Dr. Claudia Spahn hat es mit entwickelt. Sie ist sowohl die Leiterin des Freiburger Instituts für Musikerme dizin – einer gemeinsamen Einrichtung der HfM, der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums – als auch Prorektorin für Forschung und Internationales an der Hochschule für Musik. Das Besondere am FZM sei, dass die musikbezogene Lehre und Forschung von Universität und HfM in einem Zentrum zusammengebracht werde, um vorhandene Kompetenzen und Angebote zu bündeln und über Wie lassen sich nicht nur musikalische Kompetenzen, sondern auch die Begeisterung für Musik vermitteln? Ein Schwerpunkt des Zentrums liegt auf der Musikpädagogik. FOTO: HIGHWAYSTAR Z/STOCK.ADOBE.COM mehrere Disziplinen hinweg zu for schen. Der Plan ist, sich nicht nur intern zu vernetzen: „Wir wollen uns als inter national sichtbares Institut in Forschung und Lehre profilieren“, sagt Spahn. Erste Angebote ab 2020 Dabei soll der Standort Freiburg als Vorteil genutzt werden: Die Stadt wartet mit einer Volluniversität, einer Musik hochschule und einer Pädagogischen Hochschule auf – diese Kombination ist in Baden-Württemberg einmalig. Die HfM und die Universität verbindet seit Längerem eine traditionell starke Mu sikwissenschaft/Musiktheorie, zudem gibt es an der Universität ein Zentrum für Populäre Kultur und Musik. Viel leicht war es die Breite dieses Ange bots, die Prof. Dr. Ludwig Holtmeier, Rektor der HfM, und seine Kolleginnen und Kollegen aus der Musikwissen schaft vor einigen Jahren dazu inspi riert hat, über die Grenzen der eigenen Institution hinauszudenken und ihre Kräfte und Ideen in einem Antrag zu bündeln. Dem Ministerium hat das Kon zept gefallen. In Stuttgart schätze man es sehr, wenn sich wissenschaftliche Einrichtungen miteinander verbänden, so Spahn. Das FZM sei zwar eine Ko operation von Universität und Hoch schule, weitere Partner schließe das aber nicht aus. Zur Struktur: Die Dozierenden bleiben, wo sie sind – zumindest physisch. Aller dings werden sie parallel zu ihrer Tätig keit an der Universität oder der HfM im Auftrag des FZM forschen und lehren. Auch die Kernfächer des Zentrums ste hen bereits fest: Seine Schwerpunkte liegen in der Musiktheorie, der Musik wissenschaft, der Musikphysiologie/Mu sikermedizin, der Musikpädagogik und in der künstlerischen Forschung. Und die Studierenden? Die können ab dem Sommersemester 2020 am FZM Musik theorie, Musikphysiologie und Gehörbil dung als Nebenfach studieren – ein An gebot, das sowohl für Studierende der HfM als auch für die der Universität gilt. Deshalb wurde es auf sechs Semester angelegt, und auch die ECTS-Punkte wurden zwischen Universität und HfM entsprechend angeglichen. Auch jenen, die nicht Musik studieren, wolle man mit den Lehrangeboten einen Anschluss an die Musikkultur ermöglichen. Andernorts sei das schon längst Realität. In austra lischen Universitäten wie Sydney oder Melbourne zum Beispiel: „Dort sitzen auch Studierende aus der Archäologie oder aus den Rechtswissenschaften in einer Vorlesung über Musikpsychologie“, sagt Spahn. Und vielleicht wird das Zentrum irgendwann auch einmal physisch in der Stadt sichtbar werden – dieser Wunsch sei in den Rektoraten beider Hochschu len vorhanden, sagt Claudia Spahn: „Ein prägnanter Bau wäre schön.“ Ein Bau, der das lebendige System im Innern auch nach außen trägt.
8 campus unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Auszeit im Gewusel? Auf einer interaktiven Weltkarte können Interessierte ihren persönlichen Muße-Ort einzeichnen und ihre Erfahrungen teilen Bei einer Architektin stellt sich im Gewusel eines lauten Viertels nahe dem Tahrir-Platz in Kairo „ganz tiefe Bauchatmung“ ein; ein Soziologe kann bei einem Kamelritt durch die libysche Wüste förmlich spüren, wie ihm „die lästigen schweifenden Gedankenfetzen aus dem Kopf ge- spült“ werden: Die unterschied lichen Schauplätze, an denen Menschen Muße erfahren, lassen sich nun auf einer interaktiven Weltkarte anschau- en. Der Sonderforschungsbereich (SFB) „Muße. Grenzen, Raumzeitlich- keit, Praktiken“ hat das Projekt ge- startet. Hans-Dieter Fronz hat mit dem SFB-Koordinator Dr. Tilman Kasten darüber gesprochen. uni’leben: Herr Kasten, welche Absichten verfolgen Sie mit der in- teraktiven Weltkarte? Tilman Kasten: Bei der Karte han delt es sich nicht um ein Forschungs projekt. Wir möchten Wissenschaft und Öff entlichkeit miteinander ins Gespräch bringen und die alltäglichen, lebens weltlichen Vorstellungen der Menschen über Muße mit den wissenschaftlichen Fragestellungen unseres SFB verbin den. Persönliche Orte der Muße bieten sich hier gut an, da die einzelnen Bei träge das abstrakte Thema anhand individueller Zugänge refl ektieren. Wie schlagen Sie die Brücke zur Forschung? Wir verknüpfen zum Beispiel die un terschiedlichen Beschreibungen der Muße-Orte mit Interviews unserer Wissenschaftlerinnen und Wissen schaftler, die zu ähnlichen Themen arbeiten. So ergeben sich Bezüge oder Schnittmengen. Wenn es in ei nem Beitrag etwa um Muße in einer touristischen Situation geht, informiert eine Kollegin, die zum Thema „Erlebte Orte und Momente der Muße im euro- päischen Städtetourismus der Gegen wart“ forscht, über ihre Erkenntnisse. Wie haben Sie die Autorinnen und Autoren ausgewählt? Wir haben Personen, die infrage ka men, direkt angesprochen. Auch über Facebook konnten wir einige Autoren gewinnen; manche stammen aus dem Kreis unserer Kolleginnen und Kollegen, bei einigen handelt es sich um Gäste, die am SFB forschen. Wir hoff en zudem auf eine Art Schneeballsystem, bei dem eine Autorin oder ein Autor Personen aus dem eigenen Bekanntenkreis dazu animiert, ihre Muße-Orte ebenfalls vor- zustellen. Wir haben etwa 50 Beiträge beisammen, die wir nun nach und nach veröff entlichen. Textvorschläge sind wei- terhin willkommen. Gibt es Antworten, die vergleichbar sind? Mit anderen Worten: Lassen sich breite Strömungen und Tenden- zen erkennen? So etwas wie eine vorherrschende Tendenz haben wir nicht gefunden, aber es gibt doch Ähnlichkeiten: Zum Beispiel stehen eine ganze Reihe von Muße-Orten in einem touristischen Kontext. Muße wird im Alltagsverständ- nis oft mit einer solchen „Auszeit“ vom gewohnten Lebens und Arbeitsrhyth mus in Verbindung gebracht, manch mal auch mit einem gewissen Exotis- mus. Muße wird aber in anderen Texten auch als Phänomen beschrie 04 2019 Es muss nicht immer das Yoga-Retreat sein: In unterschiedlichen Beiträgen be richten einige Autoren, dass sie mitten im Getümmel auch Muße erlebt haben. FOTO: CHRISTIANE65/STOCK.ADOBE.COM ben, das sich relativ spontan im Alltag einstellen kann: an der Ampel, auf dem Flughafen, am Bahnsteig. Oder auch an Orten, die man mit Muße intuitiv eher nicht in Verbindung bringt, wie ei nem belebten Viertel in Kairo. Nicht ganz so präsent in den Texten, aber dennoch bemerkenswert ist der Um stand, dass Muße auch im Kontext von Arbeit möglich ist, was für den SFB be sonders interessant sein kann. Muße begreifen wir nämlich als ein Phäno men, das Gegensätze überbrückt – wie der von Produktivität und Unproduktivi tät oder der von Arbeit und Freizeit. Und was ist Ihr persönlicher Muße-Ort? Meinen Muße-Ort kenne ich eigent- lich nur vom Hörensagen. In sechs CDs erzählt der 2013 verstorbene Ro- manautor Peter Kurzeck von seiner Kindheit in dem hessischen Städtchen Staufenberg. Ich fi nde seine Erzählung „Ein Sommer, der bleibt“ so anschau- lich und in der Beschreibung der Schauplätze atmosphärisch so dicht, dass ich sie immer wieder gerne anhö re. Was das für mich persönlich im De- tail mit Muße zu tun hat, kann man dann bald auf der Website nachlesen. www.musseorte-weltweit.uni-freiburg.de Als Fan der Erzählung „Ein Sommer, der bleibt“ des Autors Peter Kurzeck kennt Tilmann Kasten sei nen persönlichen Muße- Ort nur vom Hörensagen. FOTO: THOMAS KUNZ Snacks aus der philosophischen Garküche Das studentische Magazin „Die FUNZEL“ möchte originellen und scharfzüngigen Denkern ein Forum bieten Sokrates, Aristoteles, Machiavelli: Cornelius Kopf hat seine Liebe zur Philosophie schon in der Schule entdeckt. FOTO: HARALD NEUMANN von Pascal Lienhard Sie wollen heißen Content, Exzel- lenz und Wahnsinn, Snacks aus der philosophischen Garküche?“ So lautet eine der Fragen, die das stu dentische Magazin „Die FUNZEL“ den Leserinnen und Lesern auf seinem Blog stellt. Das Heft, eine „Halbjah- resschrift für prätentiöse Studien“, ist im Sommersemester 2018 erstmals erschienen. Cornelius Kopf, aktuell Teil der Freiburger Redaktion, ist seit der Gründung mit dabei. „Die Philosophie reizt mich, seit wir in der Schule Epikur und Platon gele- sen haben“, erzählt er. „Da habe ich erkannt, dass diese Texte eine Rele vanz fürs Leben haben.“ Das erste Liebäugeln mit den griechischen Evergreens mündete in ein Philoso- phiestudium, das Kopf inzwischen abgeschlossen hat. Bei so viel Begeisterung für die Schriften von Sokrates, Aristoteles, Machiavelli, Habermas und Co. war es für ihn eine ausgemachte Sache, sich im Sommer semester 2018 – damals noch in Mün- chen – der „FUNZEL“ anzuschließen. Zwei Kommilitonen wollten eine alte Zeitschrift der Münchner Hochschule für Philosophie reanimieren. Allen Kli schees über vermeintlich praxisun taugliche Geisteswissenschaftlerin nen und Geisteswissenschaftler zum Trotz blieb es nicht bei der Theorie: Drei Ausgaben haben die „FUNZELi- anerInnen“ inzwischen veröffentlicht. Zur Münchner Redaktion hat sich ein Freiburger Team gesellt, das aus Kopf und einigen Mitstreiterinnen und Mitstreitern besteht. Zudem präsen- tiert die Redaktion Beiträge auf dem Blog des Magazins. Epikur betont die Lust am Lernen Aber was ist das, ein Magazin mit „heißem philosophischem Content“? „Wir sind für Texte aus allen Geistes wissenschaften offen sowie für Bei träge von allen, die Freude am Schreiben haben und etwas mitteilen möchten“, sagt Kopf. Es sei zum Bei- spiel möglich, ein Kapitel einer Haus arbeit für die Veröff entlichung zu bear- beiten; es könnten aber auch Texte eingereicht werden, die alltägliche Phä nomene aus ungewohnter Perspektive betrachten. Potenzielle Autorinnen und Autoren müssen nicht aus der Philosophie und schon gar nicht aus München oder Freiburg kommen. „Die FUNZEL“ begreift sich als über- regionales Studierendenmagazin und Diskussionsforum, in dem interdiszi- plinär und scharfzüngig diskutiert wird. Cornelius Kopf ist davon über zeugt, „dass in jeder Fachrichtung ein philosophisches Element verborgen liegt“. Ein Blick in die aktuelle Ausgabe belegt die thematische Vielfalt: Klima krise, neue Musik, Friedrich Schiller, Harry Potter, ein paar Gedichte, ein etwas anderes Horoskop. Doch trotz- dem gibt es eine gemeinsame Idee. „Die Universität legt den Blick heute sehr auf Prüfungen, Abschlüsse und Auswendiglernen“, führt Kopf aus. „Davon wollen wir uns ein Stück weit distanzieren, da diese Dinge der Per- sönlichkeitsentwicklung nicht immer förderlich sind.“ Mit Epikur argumen- tiert er, dass die Begeisterung für In halte und die Lust am Lernen zentral sei. Und das funktioniere besonders gut, wenn man etwas für sich tue und nicht nur die ECTS-Punkte mitneh- men wolle. Die Planungen für die nächste Ausgabe laufen bereits. „Es wird eine Future-FUNZEL“, erklärt Cornelius Kopf. „Jede und jeder ist eingeladen, uns Texte zu schicken.“ Mitmachen und mitschreiben „Die FUNZEL“ erscheint einmal im Se- mester. Verkauft wird das Magazin auf dem Campus, außerdem ist es in den Buchhandlungen Walthari und Jos Fritz zu erwerben. Zudem kann das Heft on line bestellt werden. Interessierte können an den off enen Redaktionstreff en teil- nehmen oder eigene Texte einsenden. E-Mail: redaktion.funzel@yahoo.com https://funzel.blog
04 2019 campus 9 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Weder Mädchen noch Junge Eine Ausstellung im Uniseum zeigt verschiedene Facetten der Intergeschlechtlichkeit von Patrick Siegert Bei etwa 1,7 Prozent der Menschen weltweit, so eine Schätzung, ent sprechen der Chromosomensatz, die Genitalien oder der Hormonhaushalt nicht der biologischen Norm – diese Menschen kommen weder als Jungen noch als Mädchen zur Welt. Interge- schlechtliche Menschen gab es schon immer, und bereits in der Antike erfuh ren sie Diskriminierung. In Deutsch- land werden häufi g schon Säuglinge operiert – viele von ihnen erfahren erst Jahrzehnte später von ihrem Schicksal. Die Freiburger Doktorandin Valentina Escherich interessiert sich seit ihrem Geschichtsstudium für das Thema. Für eine Seminararbeit setzte sie sich mit der Frage auseinander, wie Ärzte um 1800 in Deutschland intergeschlecht- liche Menschen sahen. Seit 2019 arbeitet die Historikerin an ihrer Dis- sertation zur Politisierung weiblicher Homosexualität um 1900. Mit einer Ausstellung im Uniseum will Escherich die Öff entlichkeit auf die Situation in- tersexueller Menschen aufmerksam machen. Ende Oktober 2019 wird die Schau – nach einem erfolgreichen Auftakt im Sommer – zum zweiten Mal in Freiburg gezeigt. Künstlerische Kugelmenschen Im Zentrum der Ausstellung stehen Erzählungen, in denen Intergeschlecht- liche ihren Alltag schildern. Dazu kommen historische, zeitgenössische sowie künstlerische Darstellungen, Mitmachstationen und eine Leseecke. Escherich hat das Projekt mithilfe der Freiburger AmnestyInternational Hochschulgruppe organisiert. Des Weiteren beteiligten sich die Uni versitätsbibliothek, das Uniseum und das Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Umsetzung. 18. Jahrhunderts: „Die Mediziner gin- gen nun von Fehlbildungen aus und versuchten, das ‚wahre‘ Geschlecht der Person herauszufi nden. Uneindeutig- keiten kamen nicht infrage, da auch die Gesetzgeber streng zwischen Männern und Frauen unterschieden“, erläutert Escherich. In einer zweiten Vitrine sind moderne Exponate zu fi nden: Das Kinderbuch „Wie Lotta geboren wurde“ erzählt Kindern in einfachen Worten und Bil dern, wie Lotta von ihrem Vater zur Welt gebracht wurde. Aus dem Buch gehe absichtlich nicht hervor, ob es sich bei dem Vater um eine Trans oder Interperson handle, betont Escherich. Auf den Wunsch von Besucherinnen und Besuchern hin ergänzte das Team die Ausstellung um selbst hergestellte Darstellungen. Eine von ihnen greift Platons Mythos von den Kugelmen- schen auf, die einst jeweils zu zweit ei ne Kugel bildeten. Um sie zu schwä chen, ließ Zeus sie in der Mitte teilen und schuf so ihr Bedürfnis nach Liebe und Sexualität. Eigene Erfahrungen teilen In dem Animationsfilm „Hermes & Aphrodite“ zeigt das Team die fi ktive Geschichte eines Kindes, das in der Pubertät männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale entwickelt. Mit künstlerischen Exponaten wie einem getöpferten Intergenital veranschaulicht die Ausstellung, ab welcher Länge Ge nitalien bei Säuglingen mit nicht eindeu tig bestimmbarem Geschlecht operiert werden und dass Formen von Interge schlechtlichkeit bei der Geburt noch nicht genau zu erkennen sind. Im 17. Jahrhundert waren Ärzte davon überzeugt, dass es Menschen mit zwei Geschlechtern gebe. Diese Ansicht belegt das im Jahr 1614 ver öffentlichte Lehrbuch „De Hermaphroditorum“ von Caspar Bauhin. FOTOS: THOMAS KUNZ Eine Vitrine zeigt medizinische Fach- literatur aus der Zeit zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert. Im 17. Jahr- hundert waren Ärzte noch davon über zeugt, dass es Menschen mit zwei Ge- schlechtern gebe. Ihre Erklärungen waren allerdings stark mythologisch aufgeladen. Dies änderte sich Mitte des An Stellwänden im Mitmachbereich können die Besucher selbst aktiv wer den und eigene Erfahrungen teilen. „Insgesamt sind die Reaktionen auf die erste Ausstellung sehr positiv ausge fallen. Es gab aber auch kritische Stimmen, beispielsweise über Unisex Toiletten. Ich fi nde es wichtig, dass in der Öffentlichkeit ein größeres Be wusstsein für Intersexualität geschaff en wird“, sagt Valentina Escherich. Auch die Universität Freiburg will dem Anlie gen mehr Aufmerksamkeit verschaff en: Am 26. Mai 2020 veranstaltet die Stabsstelle Gender and Diversity zum achten Mal den „Tag der Vielfalt“. Im Fokus wird das Thema „Geschlecht“ stehen. Einst vereint, von Zeus entzweit: Valentina Escherich präsentiert eine Darstellung, die Platons Mythos von den Kugelmenschen aufgreift. Vortrag, Führung, Film Die Ausstellung „Intergeschlechtlichkeit – die Vielfalt der Geschlechter“ ist vom 26. Oktober bis zum 21. Dezember 2019 zu den üblichen Öff nungszeiten im Uni- seum zu sehen. Außerdem gibt es Vor träge: „Die rechtliche Lage interge- schlechtlicher Menschen in Europa“ am 26. Oktober und „Intergeschlechtlichkeit in der Geschichte“ am 9. November je weils um 15 Uhr. Am 23. November wird von 14 bis 18 Uhr der Film „Hermes & Aphrodite“ gezeigt. Führungen fi nden am 1. November um 15 Uhr sowie am 14. November und am 6. Dezember jeweils um 17 Uhr statt. Der Eintritt ist frei. www.uniseum.uni-freiburg.de/ projektraum/ausstellungaktuell Sammelsurium Schätze in Schaukästen und Vitrinen: Viele Sammlungen der Universität Freiburg dienen nicht nur Forschungs- und Lehrzwecken, sondern sind öffentlich zugänglich. Die Serie „Sammelsurium“ stellt einige der außergewöhnlichsten Sammlungen vor. Alte Falter von Eva Opitz Bei der Abzweigung ins Attental auf der L 133 Richtung Stegen leuchtet die gelbe Fassade eines herrschaftlich anmutenden Gebäudes durch das sich schon herbstlich ver färbende Laub der Bäume. Dahinter verbergen sich die Arbeitsräume der Freiburger Professur für Forstzoo logie und Entomologie, die in Zeiten des viel beklagten Insektensterbens einen wichtigen Beitrag zur Erfor- schung dieser Spezies leistet. Die Forschungseinrichtung befasst sich mit Insektenökologie und Evo- lutionsbiologie. Sie verfügt über eine Schmetterlingssammlung von mehre ren Tausend Exemplaren. Die Belege zum Schwerpunkt „Tropische Bären spinner und Monarchfalter“ stammen aus der knapp 30-jährigen Arbeit des Biologen Prof. Dr. Michael Boppré und seines Teams, die in Afrika, Peru und Costa Rica forschten. Wer große Schmetterlinge in schillernden Farben „Nicht alle unsere Insekten sind schön, aber alle sind höchst interessant“, sagt Michael Boppré über die Schmetterlingssammlung. FOTO: INGEBORG F. LEHMANN erwartet, wird allerdings enttäuscht sein. „Wir haben keine Schauvitrinen zur Dekoration, denn unsere Beleg- exemplare sind maximal wenige Zen timeter groß und liegen in Schränken, da Licht ihre Farben verblassen lässt“, sagt Boppré. „Nicht alle unsere Insekten sind schön, aber alle sind höchst interessant.“ Maskerade rettet Leben Einige Exemplare sehen aus wie Wespen, aber Boppré versichert, dass es sich um Schmetterlinge han delt. „Sie betreiben Mimikry und Mas- kerade, um sich nicht nur vor den üb lichen Fressfeinden, sondern auch vor den nachgeahmten räuberischen Wespen zu schützen.“ Die gehen nämlich davon aus, dass es sich um Artgenossen handelt. Jeder Falter hat ein Etikett, auf dem in winziger Schrift Informationen zu Art, Fundort und Fundzeitpunkt eingetragen sind. Vie len Individuen fehlen Beine, Flügel oder Körper. „Mit den Beinen führen wir DNA-Analysen durch, und an Flü- geln und Körpern studieren wir Struk turen, die erst unter dem Mikroskop sichtbar werden“, berichtet Boppré. Die Forschung sei notwendiger denn je, beispielsweise um Kommunikati onsmechanismen und verwandt schaftliche Beziehungen der Falter zu verstehen. „Wir müssen Arten nicht nur kennen, um sie schützen zu kön nen, sondern auch ihre speziellen Anpassungen an ihre Umwelt und ih re Rolle in Ökosystemen begreifen. Wir wissen noch lange nicht, welche Schätze die Natur vorhält.“ Die Freilandstudien in den Tropen führen immer wieder zur Entdeckung neuer Arten. Bei Nachzuchten entwi ckelten sich aus einem Bärenspinner Eigelege völlig unterschiedlich ausse- hende Individuen, die in der Literatur als verschiedene Arten betrachtet werden. „Da haben wir es mit einer vielgestaltigen Art zu tun und müssen jetzt einige wissenschaftliche Namen löschen.“ Bei der Forschung an Schmetterlingen wurden neue Flie genarten entdeckt, deren Larven adulte Schmetterlinge von innen auf fressen: „Das ist bislang einmalig.“ Boppré rechnet damit, dass nach sei- ner Pensionierung ein Museum die Sammlung übernimmt. „Gut gepflegt kann man sie Hunderte von Jahren aufbewahren und weiter auswerten.“
10 kompass 04 2019 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Kreislauf von Lesen und Schreiben Der Weg zum fertigen wissenschaftlichen Text ist steinig, aber Angebote der Universität Freiburg können ihn erleichtern – von der Recherche über das Verfassen bis hin zur Korrektur von Annette Hoff mann Bekanntlich steigt die Lust, Staub zu saugen, Geschirr zu spülen oder Wäsche zu waschen, je näher ein Abgabetermin rückt. Hausarbeit statt Hausarbeiten. Da glaubt man, den entscheidenden Aufsatz noch nicht gefunden, geschweige denn gelesen zu haben – und der erste Satz lässt auch auf sich warten. Prokrastination nennt man das Phänomen, als sei es eine Krankheit, die einen dazu zwingt, An und vielleicht auch Überforderun gen erst einmal auszuweichen. Recherche Dr. Ralf Ohlhoff von der Universi- tätsbibliothek (UB) Freiburg rät dazu, in solch einer Situation Ruhe zu be wahren und sich den Rahmen der Aufgabe in Erinnerung zu rufen: Wer an einer Proseminararbeit sitzt, steht unter anderen Erwartungen als jemand, der eine Abschlussarbeit schreibt. Ohlhoff ist Fachreferent für Allgemeines, Orientalistik und Reli gionswissenschaft und Leiter des Dezernats Benutzung und Informa- tionsdienste der UB. „Hätte ich das doch früher ge wusst“: Stoßseufzer wie diesen hö ren Ohlhoff und seine Kollegin Christine Schneider öfter. Schnei der ist stellvertretende Leiterin des Dezernats Bibliothekssystem, leitet die Bibliothek der Wirtschaftswis senschaften und ist Fachreferentin für Politik, Soziologie und Wirt schaftswissenschaften. Gemein sam mit Ohlhoff bietet sie den Kurs „Digital Literacy für Studium und Beruf“ am Zentrum für Schlüssel qualifi kationen der Universität an. Natürlich sei es möglich, mithilfe der empfohlenen Seminarlektüre und einer Internetsuchmaschine ei ne Hausarbeit zu schreiben. Doch es geht professioneller und wissen Schreiben „Die Qualität der Recherche mündet in die Qualität der schriftlichen oder münd lichen Präsentation“, sagt Schröter. Dabei sei es wichtig, die unterschiedlichen Formen des wissenschaftlichen Arbei tens nicht strikt voneinander zu trennen: „Recherchieren, lesen und schreiben ist eher als ein Kreislauf zu verstehen. Und ein zentrales Ziel jeder Recherche ist es, das Gefundene und Gelesene anschlie ßend intellektuell zu verarbeiten und in Texte zu verwandeln.“ Nicht erst seit den deutschlandweit organisierten „Langen Nächten der aufgeschobenen Hausarbeiten“ profi - lieren sich die Universitätsbibliotheken zudem als Orte des Schreibens. Auch in Freiburg veranstaltete man diese Nächte, erst in der alten Stadthalle, dann in der neuen UB. Inzwischen heißt die Veranstaltung in Freiburg „Vom Thema zum Text“ und wird vom Schreibzentrum der Pädagogischen Hochschule unterstützt. Die Universität selbst hat kein Schreibzentrum. Die Fachreferenten der UB profi tieren bei der Vermittlung von eigenen Erfahrun- gen mit dem wissenschaftlichen Arbei ten und absolvierten Fortbildungen zum Thema Schreibberatung. Wie eng Recherche und Schreiben miteinander verzahnt sind, zeigt sich auch an inkorrekten Zitaten oder gar Plagiaten. Das berühre die Frage nach der Literaturverwaltung, sagt Ralf Ohl hoff : Wer zitiert, muss wissen, woher der Text kommt. In ihrem Kurs üben Ohlhoff und Christine Schneider deswe- gen nicht zuletzt das korrekte Belegen. Denn falsches Zitieren könne zu schlechteren Noten und im schlimmsten Fall zum Verlust des Studienplatzes führen. schaftlicher: Ohlhoff , Schneider und ihre Kolleginnen und Kollegen von der UB loten aus, wann jeweils der richtige Zeitpunkt ist, das Handwerkszeug der wissenschaft lichen Recherche zu ver mitteln – denn der unterscheidet sich von Fach zu Fach. Während Studie rende der Geistes, Kultur und Sozial wissenschaften selbst auf die Fachre ferentinnen und Fachreferenten zukommen, ist wissenschaftliches Ar beiten – dazu gehören zum Beispiel Literaturrecherche, Informationskom petenz und Präsentation – zum Bei spiel bei den Wirtschaftswissenschaf ten ein Wahlpfl ichtfach. In der Geschichtswissenschaft wie derum ist das Modul „Basiswissen Bib- liothek“, das Dr. Marcus Schröter unter- richtet, seit Jahren fester Bestandteil der Einführungsvorlesung für Erstse- mester. „Studierende bekommen hier eine erste Vorstellung davon, wie man das Thema Recherche angeht“, sagt der Fachreferent für Geschichte und Buchwesen. Ein zweiter verpfl ichtender Baustein ist ein zweistündiger Vertie fungskurs in der UB, in dem Studieren de den Umgang mit Fachbibliografi en und Datenbanken üben. Wer dann noch Fragen hat, kann die individuelle Bera tung der Fachreferenten in Anspruch nehmen. ILLUSTRATION: SVENJA KIRSCH Korrektur „Für uns ist es schön zu sehen, wenn sich die sprachlichen Fähigkeiten verbessern“, sagt Christina Nurawar Sani. Zusammen mit ihrer Kollegin Carla Vlad bietet sie unter dem Dach der Internationalen Graduiertenakade mie der Freiburg Research Services einen Korrekturservice für internatio nale Promovierende an. Vlad ist seit 2010 dabei, Nurawar Sani seit 2015. Der Deutsche Akademische Aus- tauschdienst fördert ihre Dienstleis- tung aus Mitteln des Auswärtigen Am- tes. Ein Rundum-sorglos-Paket wartet allerdings nicht auf die Doktorandinnen und Doktoranden. Es geht um den Lern erfolg. Und daher lautet der Rat von Nurawar Sani auch, nicht zu war ten, bis sich Fehler verstetigen, son dern möglichst schon am Anfang der Promotionsphase zu kommen. „Die Promovierenden können auf diese Weise sicherstellen, dass sie ihre Ide en und Gedanken sprachlich ange messen ausdrücken“, sagt Vlad. Durchschnittlich 26 internationale Promovierende nutzen jährlich das An gebot. Die Lektorinnen verbessern je- weils etwa zehn Seiten einer Arbeit. Das können deutschsprachige Auszü- ge aus der Dissertation, Vorträge für Tagungen oder auch Aufsätze sein. Dieser Seitenumfang habe sich be- währt, denn bei zehn Seiten bekomme man einen guten Eindruck davon, wo die jeweiligen Schwächen liegen. Ein Korrekturprotokoll systematisiert die häufigsten Fehler und führt Vor schläge zum Stil an. Meistens fi ndet auch ein persönliches Treff en statt, um Fragen zu klären. Nurawar Sani und Vlad möchten den Promovie renden dabei helfen, ihren Wort schatz zu erweitern und ihre Gram matikkenntnisse zu verbessern, außerdem geben sie Tipps zum wis senschaftlichen Schreiben und zum eigenständigen Überarbeiten weite rer Texte. Wichtig sei auch, einheit liche Schreibweisen zu verwenden. Meist nehmen die Promovieren- den den Service mehrfach in An spruch. Es sei Sinn des Angebots, dass Doktorandinnen und Doktoran- den öfter kämen, bekräftigt Christi na Nurawar Sani, denn das eigentli che Ziel sei, das eigenständige Schreiben zu unterstützen. Inhaltli che Korrekturen oder gar eine Über prüfung fachlicher Sach verhalte kann und will der Dienst nicht leis- ten. „Viele Promovierende reichen über die ganze Promotionszeit hin weg Texte ein, und am Ende melden sich eigentlich alle mit einem gro ßen Dankeschön.“ https://ubfr.de/bok https://ubfr.de/fachliche-unterstuetzung www.frs.uni-freiburg.de/de/iga/ beratung/korrekturservice
04 2019 kompass 11 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Auf jeden Fall war das so, ganz sicher! Wenn Menschen lügen, verändert sich ihre Sprache – kann man Hochstapler an bestimmten Formulierungen erkennen? Angeblich lügt ein Mensch ungefähr 200-mal am Tag. Womöglich ist selbst diese Zahl gelogen, denn ihre Herkunft liegt im Trüben. Jedenfalls erleben Lügen eine Blütezeit in der Politik wie auch im Alltag, da sind sich die Fachleute weitgehend einig. Sie glauben, schlechte Vorbilder und der zunehmende Zeitdruck der mo- dernen Welt verdürben die Moral und verleiteten die Menschen schneller zum Flunkern. Prof. Dr. Evelyn Ferstl vom Center for Cognitive Science der Universität Freiburg erforscht prag- matische Aspekte des Sprachverste- hens, das heißt, wie Menschen Spra- che in sozialen Interaktionen nutzen. Dazu gehören Ironie, Humor, Höfl ich- keit – oder auch Lügen. Die Kogniti- onswissenschaftlerin hat Jürgen Schickinger ein paar Tipps verraten, wie sich Lügende anhand ihrer Spra- che manchmal überführen lassen. uni’leben: Frau Ferstl, haben Sie heute schon gelogen? Evelyn Ferstl: Bewusst sicher noch nicht. Aber viele „Alltagslügen“ ge schehen ja unbewusst. Wenn jemand fragt: „Na, alles klar?“, antworten fast alle automatisch „Ja“. Nur bei wem ist denn wirklich alles klar? Eine kleine Baustelle haben eigentlich alle irgend wo. Das machen sich Menschen nicht bewusst, wenn sie fast reflexartig mit Ja antworten. Dazu müssten sie über die Frage und ihre Antwort nachden ken. Beide sind bei uns zu einem Be grüßungsritual geworden, bei dem der Inhalt keine Rolle mehr spielt. Aber über die Sprache lassen sich Lügen aufdecken? Höchstens zum Teil. Gerade die ge nannten „Alltagslügen“ laufen fast ins tinktiv ab. Die Lügenden sind sich ihrer Lüge nicht bewusst. Darum können sie sich nicht verraten. Durch die Sprache enttarnen sich Lügen umso leichter, je mehr Anstrengung sie Lügende kosten. Das hängt vom Anlass ab, von der emo- tionalen Beteiligung. Abzustreiten, dass ich das letzte Stück Kuchen gegessen habe, ist einfacher, als „alternative facts“ für ein Alibi zu konstruieren. Einen Sei- tensprung oder ein Verbrechen zu leug nen stresst ungemein, weil die Konse quenzen massiv sind. Deshalb ist es auch so schwierig, Lügen im Labor zu untersuchen, denn sie haben dort für die Teilnehmenden meist wenig persön liche Bedeutung. Was sind lügentypische Sprachmerkmale? Evelyn Ferstl untersucht, wie Menschen Sprache in sozialen Interaktionen nutzen. FOTO: SANDR A MEYNDT Ein Kennzeichen kann sein, dass das Wort „Ich“ selten vorkommt. Üblicher weise reden wir von uns selbst gerne in der Ich-Form. Lügende haben off enbar unbewusst die Tendenz, sich gleich von den Unwahrheiten, die sie sagen, zu distanzieren. Deshalb wählen sie als Handelnde oft dritte Personen, das un bestimmte „man“ oder verschleiern das Subjekt durch Passivkonstruktionen. In der Wahrheit steckt dagegen viel „Ich“. fallen uns Details erst an dem Punkt ein, wo sie für das Verständnis wichtig sind, obwohl sie viel früher stattgefunden haben. Also muss un- bedingt ein „Ich“ die Überzeugungsarbeit leisten? Ja, aber Sie sollten den vermeintli chen Wahrheitsgehalt nicht zu bemüht betonen. Lügende verraten sich oft durch viele untermauernde Ausdrücke wie „auf jeden Fall“, „ganz bestimmt“ oder „niemals“. Ein Hinweis können auch negative Formulierungen sein. Lü gende verweisen gerne darauf, dass etwas „nicht“ so eingetroff en sei wie ge- wöhnlich. Nicht zuletzt enthalten Lügen meistens wenig Kontext, also Details, die nicht direkt zur Handlung beitragen. Verheddert sich, wer seine Märchen sehr ausschmückt, zu leicht in Widersprüche? Das ist ein Grund, Einzelheiten weg- zulassen. Professionelle Ermittlerinnen und Ermittler fordern Aussagende da- rum oft auf, weitere Details zu nennen und ihre Geschichte zeitlich von hinten nach vorne zu erzählen. Dabei kommen Lügende häufi g ins Stolpern. Weil es anstrengt zu lügen, halten sich viele Lügende an einer logischen Kernhand lung fest, die sie strikt chronologisch vorbringen. Wahre Geschichten sind aber nicht zwangsläufi g logisch. Wenn wir sie erzählen, springen wir zudem gelegentlich in der Zeit. Manchmal Kreuzver höre mit allen Fines- sen sind im All- tag selten mög- lich. Gibt es keine e i n d e u t i g e n Lügenmerkmale? Lügende sprechen gleichen manchmal langsamer, um Zeit zum Nachden ken zu schinden. Aus dem Grund können sie unsinnige Nach fragen stellen oder un nötige Sprechpausen einlegen. Man- che sprechen leiser, wenn sie lügen. Auch die Kör persprache kann Lügende verraten – ein unsteter Blick, das Vermeiden von Blickkontakt, Kratzen im Gesicht und dergleichen. Sichere Zeichen sind das aber nicht. Unter Stress, wie etwa bei einem Verhör, stammeln und zappeln nervöse Menschen oft, selbst wenn sie die Wahrheit sagen. Umgekehrt Pinocchio, einer der berühmtesten Hochstapler der Literatur, konnte seine Lügen nicht verbergen. FOTO: GERT L APOEHN FOTOGR./ STOCK.ADOBE.COM können geübte Lügende selbst bei dreisten Märchen noch cool bleiben. Auch ihre messbaren Körperwerte wie beispielsweise der Puls und die Leitfä higkeit der Haut verändern sich oft nicht. Darum sind Tests mit „Lügendetek toren“ unzuverlässig und ihre Ergebnisse sehr umstritten. Herr der Rinde Mehr als 6.000 Pfl anzenarten aus aller Welt gedeihen im Botanischen Garten der Universität Freiburg und begeistern nicht nur Besucherinnen und Besucher, sondern dienen auch als Objekte für Forschung und Lehre. Die Ansprüche der farbenfrohen Schönheiten verändern sich mit den Jahreszeiten. In einer Serie gibt der Leitende Gärtnermeister Dirk Rohleder einen Einblick in die Flora des Botanischen Gartens. In dieser Folge geht es um Tipps zum Umgang mit herbstlichen Gewächsen. Bunte Beete, schillernde Stauden von Eva Opitz Wenn die Tage spürbar kürzer wer den, beginnen auch die Bäume, sich auf den Winter vorzubereiten. Am Eingang des Botanischen Gartens begrüßt der Gewöhnliche Judasbaum (Cercis siliquastrum) mit nun knallgelb gefärbten Blättern die Besucherinnen und Besucher. Ein paar Meter weiter hält der Eisenholzbaum (Parrotia persica), der zu den Zaubernuss- gewächsen gehört, mit feuerrotem Laub dagegen. Hartriegelgewächse (Cornaceae) moderieren die Farbskala von Gelb bis Rötlich. Außerdem wett eifern im Herbst auch noch Blütenstau den um die schillerndste Farbenpracht. Die Herbstanemone (Anemone japo- nica) blüht bis November in weißen, violetten und rötlichen Schattierungen. Dann erst verwelkt das Laub. Gerade angefangen zu blühen hat die Lanzen Funkie (Hosta lancifolia) mit ihren vio- lett gefärbten Blütenglocken. Beim Herbststaudenbeet gerät der Leitende Gärtnermeister Dirk Rohleder ins Schwärmen. Für ihn gehören prächtige Stauden wie Anemonen oder die Herbstastern in allen Blütenfarben Die Goldhaar-Aster trägt ihre gelben Blüten noch bis in den Herbst hinein. FOTO: HAR ALD NEUMANN ins Beet. „Dazu passen Gräser wie das Federborstengras, die Rutenhirse und verschiedene SeggenArten.“ Geschickt sei es, Stauden mit unter schiedlichen Blühzeiten und Blatt färbungen zu pfl anzen. „So wächst im- mer etwas, das blüht“, sagt Rohleder. Außerdem seien abfallende Blätter ein idealer Frostschutz. „Es ist auch wichtig, das Beet nicht direkt nach der Blüte abzuräumen.“ Die Gras- und Blumen- samen seien eine wichtige Nahrungs quelle für Insekten und Vögel. „Außer dem sieht ein von Raureif überzogenes Beet wunderschön aus. Abräumen kann man im Frühjahr immer noch“, rät der Gärtnermeister. Nicht weit vom Staudenbeet leuch ten Rosen in einem warmen Rotton. „Bis zum ersten Frost blühen sie“, sagt Rohleder. Man brauche sie auch später nicht einzupacken. Sie groß zügig anzuhäufen, sodass die Vered lungsstelle mit Erde bedeckt ist, sei jedoch kein Fehler. Der Oleander, Deutschlands beliebteste Kübelpflan- ze, liebe es, so spät wie möglich an einen kühlen Platz im schützenden Haus geholt zu werden. „Zwei Grad minus hält er ohne Weiteres aus.“ Wurzelnackt in die Erde Geh ins Grüne! Für Rohleder sind die Monate Okto- ber und November ideal, um Stauden und Bäume zu pfl anzen. Der Boden ist noch warm und hat eine gute Rest feuchte bewahrt. Bäume und Sträu cher können zu dieser Zeit wurzel nackt, das heißt ohne Wurzelballen oder Topf, gesetzt werden. Das ist nicht nur preiswerter, die meisten hei mischen Pflanzen wachsen, wurzel nackt gesetzt, auch besser an als Topf ware. Ein Stammanstrich mit weißer Kalkfarbe schützt frisch gepflanzte Bäume vor Frostrissen. Der Botanische Garten hat täglich von 8 bis 18 Uhr geöff net. Die Gewächs- häuser sind montags bis donnerstags von 12 bis 16 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei. Im kommenden Jahr feiert der Botanische Garten zudem sein 400-jähriges Bestehen. Einen Vorge- schmack gibt eine Ausstellung zur „Baubionik“, die im Waldhaus Freiburg vom 10. Oktober 2019 bis zum 22. März 2020 zu sehen ist. www.botanischer-garten.uni-freiburg.de
12 menschen 04 2019 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Startschuss zur Inventur Lora Gyuzeleva ist die erste Nachhaltigkeitsmanagerin der Universität Freiburg Studiengänge, Forschungsprojekte und Initiativen an der Universität zu verschaffen. „Mein Ziel ist es, solche Angebote für Studierende sichtbarer zu machen und den Zugang zu er leichtern. Aufgrund der steigenden Nachfrage realisiert das Zentrum für Schlüsselqualifikationen im Winterse mester 2019/20 die fächerübergrei fende Ringvorlesung ‚Nachhaltigkeit‘ und plant langfristig ein so genanntes Studium Oecologicum“, sagt sie. Von Schottland nach Freiburg Die gebürtige Bulgarin absolvierte ihr Bachelorstudium in Biologie mit den Schwerpunkten Ökologie und Na turschutz an der schottischen Univer sität Saint Andrews. Anschließend wechselte sie nach Freiburg, wo sie sich für den englischsprachigen Mas terstudiengang Environmental Gover nance (MEG) einschrieb. „Ich wollte in Deutschland studieren, da Deutsch in der Schule meine zweite Fremd sprache war. Zudem ist Nachhaltig keit hier ein wichtiges Thema“, be gründet Gyuzeleva den Schritt. Auch die Region habe zu ihrer Entschei dung beigetragen: Als grüne, fahrrad freundliche Stadt mit innovativen Stadtteilen wie Vauban sei Freiburg auf vielfältige Weise interessant. Im Arbeitsalltag profitiert Lora Gyuzeleva von beiden Studiengän gen. „In meinem naturwissenschaftli chen Studium habe ich gelernt, stra tegisch vorzugehen und größere Zusammenhänge herzustellen, die im ersten Moment nicht sichtbar waren“, sagt sie. „Analytisches Denken und der Umgang mit Daten machen mir großen Spaß. Beides kann ich heute nutzen, um zum Beispiel CO2Bilan zen zu erstellen und daraus Verbes serungsmaßnahmen abzuleiten oder Nachhaltigkeitsziele zu setzen.“ Auch die fächerübergreifenden Lehrveran staltungen des MEG-Studiums kom men ihr zugute: „Die Seminare und Vorlesungen haben die komplexen Beziehungen zwischen den verschie denen Dimensionen der Nachhaltig keit ebenso verdeutlicht wie die Per spektiven der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure auf das Thema.“ Masterarbeit über Meeresmüll Wie der Schutz von Umwelt und Klima in der Praxis umgesetzt werden kann, hat Lora Gyuzeleva in ihren ver schiedenen Praktika gelernt. Erste Be rufserfahrung in Deutschland sammelte sie unter anderem bei einer Freiburger Beratungsfirma und einem internationa len Chemiekonzern aus Rheinland Pfalz. Bei Letzterem schrieb sie auch ihre Masterthesis über die Auswirkun gen von Meeresmüll. Und was sagt die Nachhaltigkeits managerin über ihre neue Aufgabe? „Ich freue mich darauf, den Klima und Umweltschutz bei allen universitären Gruppen stärker in den Fokus zu rü cken und neue Prozesse anzustoßen.“ Sie will die Universität auf dem Weg zu einem systematischen Nachhaltig keitsmanagement begleiten – diese Aufgabe biete auch ihr selbst eine Chance zur Weiterentwicklung. Lora Gyuzeleva sammelt derzeit Daten, die Auskunft über unterschiedliche Aspekte der Nachhaltigkeit an der Universität Freiburg geben. FOTO: HAR ALD NEUMANN von Kristin Schwarz Wie nachhaltig ist die Universität Freiburg? Wie lassen sich ihre Be strebungen für mehr gesellschaftliche Verantwortung und den Klima und Um weltschutz ausbauen? Und wo gibt es blinde Flecken, auf die ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss? Diese und andere Fragen beschäftigen Lora Gyuzeleva. Sie ist die erste Nachhaltig keitsmanagerin der Universität Freiburg und hat die neu geschaffene Position innerhalb der Stabsstelle Umweltschutz Mitte Juli 2019 übernommen. Ihr An spruch: Die Universität in puncto Nach haltigkeit weiter nach vorne bringen. Den Zugang erleichtern Damit ihr das gelingt, arbeitet Gyuzeleva mit Verantwortlichen aus Lehre, Forschung und Verwaltung zu sammen. Sie möchte den Ressour cenverbrauch einzelner Abteilungen ermitteln und die universitären Berei che enger vernetzen. Neben den Auswirkungen auf die Umwelt interes sieren sie Maßnahmen, die die sozia len Aspekte der Nachhaltigkeit för dern. Die gesammelten Daten wird sie auswerten und in den geplanten Nachhaltigkeitsbericht einfließen las sen. Zur Bestandsaufnahme zählt für die 26-Jährige auch, sich einen Über blick über nachhaltigkeitsbezogene Ein Europäer mit Interesse am Rest der Welt Für sein Engagement für die Universität Freiburg hat der Jurist Uwe Blaurock die Universitätsmedaille erhalten „Juristerei ist das Lösen von Problemen oder Organisieren von Lebens sachverhalten“, sagt Uwe Blaurock über sein Fach. FOTO: PATRICK SEEGER von Anita Rüffer Seit 2011 ist er emeritiert. „Aber es hat sich nicht viel verändert“, zieht Prof. Dr. Uwe Blaurock Bilanz. Wer wird in diesen Zeiten der Globalisierung schon auf einen wie ihn verzichten wollen? 1995 hatte der 1943 in München gebo rene Jurist die Professur für Bürgerli ches, Handels und Wirtschaftsrecht an der Universität Freiburg übernommen – und reichlich Erfahrung von unter schiedlichen Stationen im In und Aus land mitgebracht. Bis heute befruchtet er damit die Entwicklung seiner Alma Mater, an der er schon in den 1970er Jahren promoviert wurde und schließ lich auch seine Habilitation vorlegte. Für seine großen Verdienste wurde er kürz lich mit der Universitätsmedaille ausge zeichnet – unter anderem, weil es ihm gelungen ist, dem Traum von einem europäischen Campus am Oberrhein juristisch den Weg zu ebnen. Wirtschaft, Wissenschaft und eine Geige Seit 30 Jahren können Studierende aus Basel, Strasbourg, Mulhouse, Karlsruhe und Freiburg an den Lehr veranstaltungen der fünf Universitäten teilnehmen. Aber erst mit dem „Euro päischen Verbund für territoriale Zu sammenarbeit“ (EVTZ) wurde aus dem losen Geflecht 2015 eine grenz überschreitende gemeinsame Rechts form, in der die beteiligten Hochschu len dennoch ihre Autonomie wahren können: „Eucor – The European Campus“ war geboren. Sollte so etwas nicht auch für Europa als Ganzes möglich sein? Große Visionen sind schön und gut, doch dazu gehören auch Menschen, die wissen, wie daraus konkrete Wirklichkeit werden kann: „Juristerei ist das Lösen von Proble men oder Organisieren von Lebens sachverhalten“, sagt Blaurock. Der frühere Dekan der Rechtswissen schaftlichen Fakultät ist alles andere als ein Paragrafenreiter. Statt sich in Einzelheiten zu verlieren, „muss man das System verstanden haben“, rät er seinen Studierenden. Seine familiären Wurzeln haben Uwe Blaurock früh die Richtung gewiesen: „Ich bin Europäer“, sagt er mit Blick auf seine Vorfahren, die aus verschiede nen Ländern des Kontinents stammen. Aufgewachsen ist er in einer Industriel lenfamilie. Zu einer „außerordentlich prägenden Person“ sei ihm eine Stief großmutter geworden, die vor dem Ers ten Weltkrieg Jura studierte und darin promoviert wurde, auch wenn sie als Frau nicht zum Staatsexamen zugelas sen wurde. In Mailand gründete sie später ein Handelsunternehmen. Ihr Enkel wollte unbedingt Wirtschaftsan walt werden, liebäugelte aber auch mit der Musik. Seit dem sechsten Lebens jahr spielt Blaurock Geige, später wur de er zum Mitbegründer des Akademi schen Orchesters Freiburg. „Zum Glück habe ich nicht Musik studiert“, gesteht er. Sie ist ihm bis heute ein ge liebtes Hobby geblieben. Das Jurastudium in Würzburg und Freiburg ließ ihn Gefallen an der Wis senschaft finden. Verfolgt man seine beruflichen Stationen als Hochschul lehrer und hochrangiger Repräsentant fachwissenschaftlicher Zusammen schlüsse in Trier, Gießen, Göttingen, Nanjing, Paris, Wien und Istanbul, sticht ein wiederkehrender Begriff her vor: Rechtsvergleichung. Blaurock war unter anderem Generalsekretär und Prä sident der gleichnamigen Gesellschaft. Ersatz für Experimente „Als Rechtsvergleicher interessiert ei nen immer der Rest der Welt. Rechts vergleichung ist ein Ersatz für Experi mente, denn juristische Experimente gibt es nicht.“ Rechtsvergleicher sind in einer Welt mit immer ausgedehnteren Handels und Verkehrsbeziehungen ge fragte Expertinnen und Experten. Mit der „Zeitschrift für europäisches Privat recht“ gründeten Blaurock und andere 1993 ein wissenschaftliches Forum für Rechtsvergleichung in Europa. Im chi nesischen Nanjing leistete Blaurock nach Mao Zedongs „Kulturrevolution“ juristische Aufbauhilfe und wurde spä ter Mitbegründer und Direktor des Deutsch-Chinesischen Instituts für Wirtschaftsrecht. „Da habe ich viel über Vertragsverhandlungen gelernt.“ Eigentlich ist das eine eigene Ge schichte. Wie die seiner Tätigkeit für den Schiedsgerichtshof der Deutsch- Türkischen Industrie und Handels kammer, dessen Mitglied er war. Oder die seines Engagements für das Frank reichzentrum. Oder die Geschichte vom Ehemann, der seit mehr als 50 Jahren mit einer Juristin verheiratet ist, mit der er zwei Kinder und fünf Enkel- kinder hat. Nicht zu vergessen seine wichtige Rolle als „Beauftragter für die Selbstkontrolle in der Wissen schaft“, der seit 2014 ein Auge darauf hat, dass es beim Forschen und Publizieren an der AlbertLudwigs Universität redlich zugeht.
04 2019 persönlich 13 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Ausgezeichnet Ein Team um Prof. Dr. Ali Al-Ahmad, Dr. Annette Anderson und Dr. Michael Rothballer vom Bereich „Orale Mikrobio logie“ der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Paradontologie am Universitätsklini kum Freiburg hat den Walkhoff-Preis der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhal tung bekommen. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten den direkten Ein fluss erhöhten Zuckerkonsums auf den tale Plaque-Mikroorganismen. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. Die European Molecular Biology Orga nization hat Prof. Dr. Sonja-Verena Albers vom Institut für Biologie II der Uni versität Freiburg als eines von 65 neuen Mitgliedern aufgenommen. Die Mitglieder sind im Rat, in Ausschüssen und Redak tionen tätig, bewerten Finanzierungsan träge, betreuen junge Wissenschaftlerin nen und Wissenschaftler, unterbreiten Vorschläge und geben Feedback. Die Pharmazeutin Dr. Ann-Christin Baranski von der Klinik für Nuklearme dizin am Universitätsklinikum Freiburg hat den GipsSchüleNachwuchspreis vom Deutschen Krebsforschungszen- trum erhalten. Sie entwickelte für ihre Dissertation ein neues Diagnoseverfah ren bei Prostatakrebs, bei dem sich ein Radiopharmakon an Prostatakrebszellen bindet. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 2.500 Euro dotiert. Ganna Blazhenets, Physikerin an der Klinik für Nuklearmedizin des Universi tätsklinikums Freiburg, wurde mit dem Sonderpreis der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin zur Förderung der Digitalen Transformation des Fachge biets Nuklearmedizin ausgezeichnet. Sie wird damit für ihre Forschung im Bereich kognitiver Störungen und Alzheimer ge ehrt. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert. Dr. Michel Eisenblätter, Oberarzt und Leiter der Sektion Onkologische Bildge bung an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universi tätsklinikums Freiburg, wurde für seine wissenschaftliche Arbeit „Bildgebung von Immunzellmigration und aktivität in Entzündung und Tumorerkrankung“ mit dem diesjährigen WilhelmConrad Röntgen-Preis ausgezeichnet. Mit die sem mit 10.000 Euro dotierten Preis ehrt die Deutsche Röntgengesellschaft jähr lich hervorragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Radiologie. Die Deutsche Gesellschaft für Katastrophenmedizin (DGKM) hat Nils Ellebrecht vom Institut für Soziologie der Universität Freiburg für seine Doktorar beit mit dem HannoPeterPreis ausge zeichnet. In seinen soziologischen Studi en zum Handeln im Rettungsdienst hat Ellebrecht sich mit Motiven und Rahmen bedingungen der Einstufung von Patien tinnen und Patienten nach Dringlichkeit befasst. Die Eleonore-und-Fritz-Hodeige- Stiftung hat Dr. Dominique Endres, Funktionsoberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitäts klinikums Freiburg, mit einem Preis für seine Forschung zu immunver mittelten Enzephalopathien in der Psychi atrie gewürdigt. Die Auszeich nung ist mit 5.000 Euro dotiert. Das University College der Universität Freiburg hat Dr. Alex Giurca und Lena Kulla mit dem Erasmus Prize for Liberal Arts and Sciences 2019 ausgezeichnet. Kulla, Absolventin des Studiengangs „Liberal Arts and Sciences“, hat in ihrer Abschlussarbeit untersucht, welche As pekte Nutzerinnen und Nutzer einer Gliedmaßenprothese beeinflussen. Giurca hat in seiner Dissertation an der Professur für Forst und Umweltpolitik der Universität Freiburg das Konzept der forstbasierten Bioökonomie interdiszipli när analysiert. Der Preis wird jährlich für Bachelor- und Masterarbeiten sowie für Dissertationen und Postdoc-Arbeiten verliehen, die ein Thema vorbildlich und interdisziplinär behandeln. Er ist mit einem Preisgeld von 1.500 beziehungs weise 3.500 Euro dotiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert seit Mai 2019 für die Dauer von drei Jahren das „German multiorgan AutoImmunity Network“ mit knapp drei Millionen Euro. Projektleiter ist Prof. Dr. Bodo Grimbacher, Wissen schaftlicher Direktor des Centrums für Chronische Immundefizienz des Univer sitätsklinikums Freiburg. Medizinerinnen und Mediziner aus Freiburg, München, Kiel und Hannover untersuchen in elf Projekten die Ursachen und Therapien von seltenen Autoimmunkrankheiten, die mehrere Organe betreffen. Die Nationale Akademie der Wissen schaften Leopoldina hat Prof. Dr. Anca- Ligia Grosu, Ärztliche Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrums und Direktorin der Klinik für Strahlenheil kunde am Universitätsklinikum Freiburg, zum neuen Mitglied der Klasse III – Medizin gewählt. Die Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen verleiht Prof. Dr. Peter Kanowski die Ehrendoktorwürde. Kanowski ist Professor für Forstwissen schaft an der Australischen National universität in Canberra und zählt zu den international renommiertesten Wissen schaftlern im Bereich internationale WaldGovernance. Seit drei Jahren unterrichtet er im Sommer für je einen Monat an der Albert-Ludwigs-Universität. Mit der Auszeichnung würdigt die Fakul tät Kanowskis wissenschaftliches Wirken sowie sein Engagement und die Impulse, die er bei internationalen Initiativen ge setzt hat. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert eine Studie von Dr. Gunver Kienle, Ärztin am Zentrum für Naturheilkunde des Universitäts klinikums Freiburg, mit zwei Millionen Euro. Die Medizinerin untersucht in ihrer ENTAiER-Studie, ob Tai Chi und Euryth mieTherapie das Sturzrisiko bei älteren Menschen senken können. Das Projekt wird mit 550 Probandinnen und Proban den an acht Standorten umgesetzt. Der Materialwissenschaftler Dr. Frederik Kotz vom Institut für Mikrosys temtechnik der Universität Freiburg hat den Deutschen Studienpreis der Körber- Stiftung erhalten. Für seine Dissertation „Entwicklung neuer Materialien für das Rapid Prototyping und die additive Fer tigung von Glas und Polymethylmeth acrylat“ hat er ein Verfahren zur energie sparenden Herstellung von Glas entwickelt. Damit lässt sich Glas bei Raumtemperatur ähnlich leicht wie Kunststoff formen. Die Dissertation ist am Karlsruher Institut für Technologie entstanden. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert. Die American Academy of Nursing hat Prof. Dr. Christiane Kugler als Fellow ausgewählt. Die derzeitige Direktorin des Instituts für Pflegewissenschaft und Professorin für Pflegewissenschaft an der Medizinischen Fakultät wird damit eine der wenigen europäischen Reprä sentantinnen und erste deutsche Vertre terin ihrer Profession in der Akademie sein. Sie wird für ihre Beiträge und Leis tungen auf dem Gebiet der Pflege und deren Aus wirkungen auf die Gesundheit geehrt. Prof. Dr. Clemens Lange, Oberarzt an der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg, hat für seine Forschung im Bereich der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) den Dr.-Gaide-AMD-Preis erhal ten. Lange untersuchte in seiner Arbeit, wie das Fortschreiten der AMD mit im muntherapeutischen Ansätzen aufgehal ten werden kann. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Deutsche Forschungsgemein schaft fördert zwei Sonderforschungs bereiche (SFB) an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg mit 25,8 Millionen Euro. Prof. Dr. Chris Meisinger vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie ist Sprecher des neu beantragten SFB 1381 „Dynami sche Organisation zellulärer Protein maschinerien: Von der Biogenese und modularen Assemblierung zur Funkti on“. Die Förderung begann am 1. Juli 2019 und läuft vier Jahre, die Förder summe beträgt 14,5 Millionen Euro. Der SFB 1160 „Immunpathologie als Folge eingeschränkter Immunreaktio nen“ wird fortgesetzt und mit 11,3 Millionen Euro gefördert. Leiter ist Prof. Dr. Stephan Ehl, der medizinische Direktor des Centrums für Chronische Immundefizienz am Universitätskli nikum Freiburg. Dr. René Marcel Rothweiler, Assistenzarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, erhält nach einer Ausschreibung des Syn chrotron Soleil in Paris/Frankreich Strahlzeit im Wert von knapp 40.000 Euro. Der Mediziner untersucht die Mikroarchitektur verschiedener Kno chenentitäten zur Optimierung von Biomaterialien. Die Universität Bayreuth hat Dr. Nils Schallner, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums Freiburg, ein Vollstipendium für den berufsbegleiten den Weiterbildungsstudiengang MBA Health Care Management zugesichert. Das mit 17.200 Euro dotierte Stipendi um wird vom Verband der leitenden Krankenhausärzte e.V. vergeben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert den Aufbau eines „Nationalen Registers für rezidivierende Steinerkrankungen des oberen Harntrak tes“ unter Leitung von Prof. Dr. Martin Schönthaler, Oberarzt an der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Frei burg. Die Digitaldatenbank wird für fünf Jahre mit zwei Millionen Euro finanziert und soll dazu beitragen, Therapien bei Harnsteinerkrankungen zu verbessern. An dem Projekt beteiligen sich zehn uro logische Universitätskliniken in ganz Deutschland. Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage vom Epilepsiezentrum der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg ist seit Mai 2019 erster Vorsit zender der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie. Er steuert damit die in haltliche Ausrichtung der medizinischen Fachgesellschaft, die sich an Fachleute mit beruflichem Schwerpunkt in der Behandlung und Betreuung von Epilep siepatientinnen und patienten richtet. Dr. Maximilian Seidl, Arzt am Institut für Klinische Pathologie des Universitäts klinikums Freiburg, hat mit Dr. Stefan Moser vom FraunhoferInstitut für Kurz zeitdynamik den dritten Platz auf der „Annual External Innovation Think Tank Exhibition“ in Erlangen erreicht. In ihrem Projekt entwickeln die Forscher eine Software, die eine virtuelle Mikroskopie ohne Gewebezerstörung erlaubt. Die Deutsche Forschungsgemein schaft hat Prof. Dr. Robert Thimme, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Frei burg, in die Ständige Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung berufen. Zu den Mitgliedern zählen wissenschaftlich tätige Medizine rinnen und Mediziner sowie Forschende aus der deutschen Universitätsmedizin und anderen Forschungseinrichtungen. Die Kommission berät Politik, Öffentlich keit, Behörden und die wissenschaftliche Gemeinschaft zu Themen der klinischen Forschung. Aus den Fakultäten Wirtschafts- und Verhaltens- wissenschaftliche Fakultät Der Rektor hat Prof. Dr. Thamar Voss, bisher Juniorprofessorin am Institut für Erziehungswissenschaft, mit Wirkung vom 28. Juli 2019 für die Dauer von zwei weiteren Jahren zur Juniorprofessorin im Fach Empirische Schul und Unterrichtsentwicklungs forschung ernannt. Medizinische Fakultät Prof. Dr. Robert Zeiser, Klinik für Innere Medizin I, hat den an ihn ergangenen Ruf der Stanford University abgelehnt. Philosophische Fakultät Der Rektor hat Sebastian Kalla, Historisches Seminar, mit Wirkung vom 1. Juli 2019 für die Dauer von drei Jahren zum Akademischen Rat ernannt. Prof. Dr. Werner Mezger, Institut für Kulturanthropologie und Europäi sche Ethnologie, ist mit Ablauf des Monats September 2019 in den gesetzlichen Ruhestand getreten. Der Rektor hat Dr. Tobias Schlecht- riemen, Institut für Soziologie, mit Wirkung vom 1. Oktober 2019 für die Dauer von drei Jahren zum Akademi schen Rat ernannt. Fakultät für Mathematik und Physik Der Rektor hat Prof. Dr. Nadine Große, bisher Juniorprofessorin am Mathe- matischen Institut, mit Wirkung vom 1. Oktober 2019 für die Dauer von zwei weiteren Jahren zur Juniorprofessorin im Fach Reine Mathematik ernannt. Der Rektor hat Dr. Mara Ungureanu, Mathematisches Institut, mit Wirkung vom 1. Juli 2019 für die Dauer von drei Jahren zur Akademischen Rätin ernannt. Fakultät für Biologie Der Rektor hat Dr. Cornelia Klose, Institut für Biologie II, mit Wirkung vom 1. Oktober 2019 für die Dauer von drei Jahren zur Akademischen Rätin ernannt. Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen Der Rektor hat Prof. Dr. Thomas Seifert, Institut für Forstwissenschaf ten, mit Wirkung vom 1. Juni 2019 zum Universitätsprofessor im Fach Waldwachstum ernannt. Der Rektor hat Prof. Dr. Cathrin Zengerling, bisher HafenCity Univer sität Hamburg, mit Wirkung vom 1. August 2019 für die Dauer von vier Jahren zur Juniorprofessorin für Transformation zu nachhaltigen Ener giesystemen ernannt. FOTO: SANDR A MEYNDT Glückwunsch DIENSTJUBILÄEN 25 JAHRE DIENSTJUBILÄEN 40 JAHRE Dr. Claudia Gack, Institut für Biologie I Dr. Harald Baßler, Deutsches Seminar Monika Grethler, Zentrale Universitäts verwaltung Ulrich Eckelt, Zentrale Universitätsverwaltung Christa Reichenbach, Institut für Biologie II Prof. Dr. Joachim Grage, Skandinavisches Seminar Isabelle Reutenauer, Institut für Physikalische Chemie Susanne Hettich, Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen Renate Zimmermann, Universitätsbibliothek VENIA LEGENDI FÜR Volker Kaufmann, Rechenzentrum Sylvia Koch, Institut für Physikalische Chemie Dr. Tim Kunkel, Institut für Biologie II Annette Schneider, Universitätsbibliothek Johanna Regine Schön, BrainLinks – BrainTools Dr. Alice Blumenthal-Dramé, Englische Philologie Oliver Bräunling, Mathematik Dr. Anna Growe, Humangeographie Dr. Mark Robertus Cornelis Grundeken, Neues Testament und Frühchristliche Literatur Barbara Schuler, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften Dr. Robert Krause, Neuere deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft Dr. Yvonne Stork, Romanisches Seminar Dr. Christopher Meid, Neuere deutsche Literaturgeschichte
14 versum 04 2019 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Abgelichtet Same same but diff erent: Gemeinsamkeiten und Unterschiede fi nden sich an jedem Arbeitsplatz, auch an der AlbertLudwigs Universität. Mit ihrem Motto „Connecting Creative Minds“ zeigt die Hochschule, dass in der Vielfalt das Potenzial für neue Ideen und Impulse steckt. Der Künstler Jürgen Oschwald hat sich in seinem Atelier von diesem Gedanken inspirieren lassen und ein Modell des Freiburger Holbeinpferds mit bunten Farben und Figuren verziert. FOTO: JÜRGEN RÖSCH Abgespeist Schüssel-Erlebnisse Freitags gibt’s Fisch und Milchreis, Schnitzel mit Pommes fast immer und ansonsten alle Gerichte, die man sich denken kann: Seit Jahrzehnten pilgern Horden von hungrigen Studierenden in die Freiburger Mensen. Auf die regelmäßige Kalorienzufuhr ist also Verlass. Doch was verraten bestimmte Gerichte über die jeweilige Epoche? Das Studierendenwerk Freiburg-Schwarzwald hat Mathias Heybrock die Klassiker der letzten Jahrzehnte verraten. Eine kleine kulinarische Kulturgeschichte. Teil fünf: die 2010er Jahre Aber auch in Israel, Australien und den USA ist der Trend angekommen: Die dortigen Foodie-Szenen feiern schon seit vielen Jahren die Buddha Bowl – eine bis an den Rand gefüllte Schale voller Nahrungsmittel, die zum Wohle der Tiere meistens rein pflanz lich sind. Und, zum Wohle der Nähr stoffe, nicht selten auch unprozes siert, also roh. Namensgeber der Buddha Bowl ist nicht der indische Religionsstifter Siddhartha Gautama, sondern ein dickbäuchiger, selig lächelnder asiatischer Mönch, dessen figürliches Abbild man auch bei uns zuweilen in Schaufenstern sieht. So wird dem Vorurteil entgegengetreten, der Verzicht auf Fleisch sei eine eini germaßen spaßfreie Angelegenheit. Spitzenküche mit Sternen Auch wenn die riesige Schüssel schlecht auf ein Mensatablett passt – die Prinzipien der veganen Ernährung tun es perfekt: An zwei von fünf Tagen finden Menschen, die sich ve- gan ernähren, in der Mensa Gerichte nach ihrem Geschmack. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland nach Erhebungen von 2016 lediglich 1,6 Prozent der Bevölkerung vegan leben, ist das vergleichsweise häufig. Überdurchschnittlich viele dieser Menschen sind jung. Genau wie Studierende – und deswegen setzt die Mensa voll auf diesen Trend. Für Vegetarierinnen und Vegetarier ist das Angebot noch größer; bei vielen Gerichten kann man einfach auf die angebotene Fleischbeilage verzich ten und bekommt als Ersatz einen zusätzlichen Nachtisch. Zu den be sonders beliebten Gerichten gehören vegan gefüllte Paprika, Tortellini mit Gemüsefüllung und Tomatenragout sowie die aus dem Nahen Osten stammenden Falafel, also frittierte, gut gewürzte Bällchen aus pürierten Bohnen oder Kichererbsen. Mit ihrem veganen Angebot er- reicht die Mensa hervorragende Be- wertungen: Drei Sterne, das ist absolute Spitzengastronomie. Wobei man anmerken muss, dass in diesem Fall nicht die Gastrosophen vom Guide Michelin die Sterne vergaben – sondern die Tierschutzorganisation Peta. Rund und gesund: Die Buddha Bowl vereint viele Köstlichkeiten in einer Schüssel. FOTO: LILY_ROCHA/STOCK.ADOBE.COM Eine Mensa ist keine Avantgarde- küche. Sie setzt keine kulinarischen Trends, sondern greift sie auf, gele gentlich auch mit einiger Verspätung. Gelegentlich – aber nicht immer, wie man an der veganen Ernährung sehen kann. Veganismus, also der komplette Verzicht auf tierische Pro dukte, ist in vielen Gegenden der Welt ein großes Ding. In Indien und anderen asiatischen Ländern ist die vegane Ernährung besonders verbrei- tet – je höher der Anteil von Buddhis ten, desto niedriger der Fleischkonsum. Abgezählt 3.000 Besucherinnen und Besucher begrüßt die Universität zum Erstsemestertag auf der Tribüne im SchwarzwaldStadion des SC Freiburg. Damit steht auch das Motto für den Studienstart: Am Ball bleiben! Impressum uni'leben, die Zeitung der Universität Freiburg, erscheint viermal jährlich. Herausgeber AlbertLudwigsUniversität Freiburg, der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer Verantwortlich für den Inhalt: Nicolas Scherger, Leiter Öff entlichkeits- arbeit und Beziehungsmanagement Redaktion Rimma Gerenstein (Redaktionsleitung), Nicolas Scherger, Patrick Siegert Anschrift der Redaktion Presse- und Öff entlichkeitsarbeit AlbertLudwigsUniversität Fahnenbergplatz 79085 Freiburg Telefon: 0761/203-4302 Fax: 0761/203-4278 E-Mail: unileben@pr.uni-freiburg.de Aufl age 14.000 Exemplare Gestaltung, Layout Jürgen Oschwald Druck und Verarbeitung Freiburger Druck GmbH & Co. KG Vertrieb Stabsstelle Öff entlichkeitsarbeit und Beziehungsmanagement ISSN 0947-1251 © AlbertLudwigsUniversität Freiburg Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Texte geben nicht unbedingt die Meinung des Verlags oder der Redaktion wieder. uni’leben erscheint online unter www.leben.uni-freiburg.de uni'leben ist klimaneutral auf 100 Prozent Altpapier gedruckt. Das Papier ist mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ zertifi ziert. klimaneutral gedruckt Die CO2-Emissionen dieses Produkts wurden durch CO2-Emissions- zertifikate ausgeglichen. Zertifikatsnummer: 311-53210-0310-1003 www.climatepartner.com FOTO: PATRICK SEEGER