Lernkonzepte Ist die Anwesenheitspflicht für manche Studierende besonders schwierig – oder auch besonders sinnvoll? Koch: Anwesenheitspflicht grenzt be- stimmte Studierende aus. Was ist, wenn jemand ein krankes Kind zu Hause hat, aber ins Seminar muss, weil sonst die Prü- fung in Gefahr ist? Wagschal: Für diese Fälle gibt es natürlich Ausnahmeregelungen. Wir sind doch kein preußisches Bürokratieamt, sondern sehen im Einzelfall die Nöte. Koch: Aber die Studierenden werden zu Bittstellern. Sie haben nicht die Freiheit zu bestimmen: So studiere ich. Aber diese Freiheit steht ihnen voll und ganz zu. Wagschal: Die Universität bietet Ihnen alle Möglichkeiten, eigenverantwortlich zu stu- dieren. Wir Dozierende wollen aber, dass unsere Studierenden später einen Arbeits- platz finden. Das gelingt besser, wenn wir wissenschaftliches Lernen anleiten. Ich kann mir zwar vorstellen, dass manche sich sogar Methodenwissen selbstständig erar- beiten. Aber die Klientel ist überwiegend nicht so. Das ist meine Erfahrung aus fast 20 Jahren als Dozent. Koch: Die Arbeitsplatzperspektive ist sicher- lich eine Sache. Aber Bildung hängt nicht davon ab, dass ich schön in irgendein Wirt- schaftssystem passe. Wagschal: Es ist die entscheidende Sache, wenn Sie später mal etwas essen wollen. Koch: Aber mit Zwang helfen Sie den Leuten nicht, sondern mit einem anderen Betreu- ungsansatz. Es sollte von Anfang an eine andere Universitätskultur vermittelt werden, bei der es darum geht, dass man mitwirken und selbstbestimmt entscheiden kann, wie man studiert. Wagschal: Ihr Modell ist geeignet für Stu- dierende, die aus sich selbst heraus moti- viert sind. Selbstverantwortliches Lernen ist ein wünschenswertes Ziel. Aber die Masse der Studierenden will strukturierte, organisierte, didaktisch gute Lehre. Lang- fristig bin ich überzeugt, dass Hochschul- orte mit Anwesenheitspflicht die besseren Ergebnisse erzielen. Koch: Es läuft besser an Universitäten mit Dozierenden, die motiviert sind und inter- aktive Methoden einsetzen. Die Anwesen- heitspflicht schränkt uns nur ein. Wollen Sie mündige Studierende? Wagschal: Das hat damit nichts zu tun. Koch: Doch. Wenn Sie Studierenden nicht zutrauen, dass sie ihr Lernen selbst organi- sieren, dann möchten Sie keine mündigen Studierenden. Wagschal: Die Empirie widerlegt diese Unterstellung. Aber nehmen wir zum Beispiel >>> uni'lernen2011 20