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uni'wissen 01(3)-2011

Prof. Dr. Uwe Wagschal hat Politische Wissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidel- berg studiert. Nach seiner Promotion 1996 war er als wissenschaftlicher Assis- tent an der Universität ­Bremen tätig. Von 2001 bis 2003 arbeitete er in der ­Politikberatung beim Think Tank „Avenir Suisse“ und wechselte anschließend als Professor für Empirische Politikforschung und Policy Analysis an die Ludwigs- Maximilians-Universität München. 2005 nahm er den Ruf auf die Professur für Vergleichende Regie- rungslehre an der Universi- tät Heidelberg an. Seit Sep- tember 2009 ist Wagschal Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Freiburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind die vergleichende Staatstätigkeitsforschung, direkte Demokratie, öffent- liche Haushalte sowie die Konfliktforschung. ­beobachtet, wie sich die Ergebnisse verändern. „Wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, wie wir die Daten am sinnvollsten gewichten. Das war der Schlüssel zum Erfolg.“ Punktlandung bei den Grünen und den Linken Entscheidend waren vor allem soziostruk­ turelle Faktoren. Denn obwohl der Zufall gute ­Ergebnisse bringt, entsprach die Zusammenset- zung der Stichprobe nicht genau der Bevölke- rungsstruktur des Bundeslandes. Um beides zu vergleichen, untersuchten die Wahlforscher mit Daten des Statistischen Landesamtes Baden- Württemberg, wie sich die Bevölkerung unter ­anderem nach Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Einkommen und Haushaltsgröße zusammen- setzt. Stellten sie fest, dass in der Umfrage etwa eine bestimmte Altersgruppe unterproportional vertreten war, wurden die entsprechenden Daten- sätze stärker gewichtet. Allerdings hätten die Forscher einzelne Personen, die mehreren unter- repräsentierten Gruppen angehörten, auf diese Weise um das 20-Fache höher bewerten müssen als andere. Daher beschlossen sie, die Gewich- tung auf den Maximalfaktor 2,5 zu begrenzen. Außerdem entschieden sie sich gegen eine so genannte politische Gewichtung. Diese hätte sich vor allem bei der Sonntagsfrage ausgewirkt, erklärt Wagschal: „In der Regel unterstellen Wahlforscher, dass die alten Präferenzen stärker werden, je näher die Wahl rückt.“ Sie gehen davon aus, dass die Bereitschaft, eine andere Partei zu wählen als beim letzten Mal, bis zum Wahltag vor allem bei jenen sinkt, die den Regierungs- parteien nahestehen – und dass deshalb oppo- sitionelle Parteien in Umfragen vor der Wahl ­tendenziell zu gut wegkommen. Um das auszu- Dicht dran: das Resultat der Freiburger Sonntagsfrage im Vergleich zum amtlichen Endergebnis der Landtagswahl vom 27. März 2011. Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg/Universität Freiburg Grafik: qu-int gleichen, werden die Teilnehmenden, die sich für die Regierungsparteien ausgesprochen haben, für die Analyse oft höher gewichtet. Da die Frei- burger Forscher darauf verzichtet hatten, gingen sie bei der Präsentation der Ergebnisse Ende Februar davon aus, dass die damalige CDU/FDP- Koalition sich noch verbessern würde und damit weiterregieren könne, die Grünen dagegen zu hoch eingeschätzt worden seien. Dann kamen das Erdbeben und der Atomunfall in Japan. „Das hat die CDU ein paar Prozentpunkte gekostet – und dazu geführt, dass wir in der Umfrage bei den Grünen und den Linken eine Punktlandung hingelegt haben.“ Das Beispiel zeigt auch, warum Wagschal da- von ausgeht, dass die Wahlforschung künftig im- mer schwieriger wird: Traditionelle Parteibin­dungen und soziale Milieus lösen sich auf, viele Wähler sind eher bereit zum Wechsel und entscheiden spontaner. Hinzu kommt, dass repräsentative Umfragen über Festnetzanschlüsse erschwert werden, weil vor allem jüngere Menschen oft nur noch eine Mobilfunknummer haben. „Alle Meinungsforschungsinstitute suchen nach Wegen, um die Menschen über das Internet zu erreichen. Wahrscheinlich ist das die Zukunft“, sagt Wag- schal. Sozialwissenschaftler, die in der Wahl­ forschung an der Schnittstelle von Soziologie, Psychologie, Statistik und Marktforschung aus- gebildet wurden, haben aus seiner Sicht jeden- falls gute Berufschancen. Auch dafür liefert er einen Beweis: Der Tutor, der das Wahlforschungs- projekt mit betreut hat, hat im Anschluss daran eine Stelle in der Strategieabteilung des Bundes- vorstands der Grünen bekommen. Zum Weiterlesen Wagschal, U./Grasl, M./Jäckle, S. (2009): ­Arbeitsbuch Empirische Politikforschung. ­Berlin/Münster (Einführungen Politikwissen- schaft 6). Dokumentation des Projekts im Internet: http://www.landtagswahl-umfrage.de 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % CDU Die Grünen amtliches Endergebnis (27. März 2011) Wahlumfrage der Universität Freiburg (26. Februar 2011) SPD FDP Die Linke Andere 39,0 % 41,1 % 24,2 % 24,2 % 23,1 % 22,7 % 5,3 % 6,0 % 5,6 %2,8 % 2,8 % 3,2 % 11