Zeichnungen und Fotografien dokumentiert, Frag- mente wenn möglich datiert und in einer Daten- bank erfasst. Diese Ergebnisse bilden nun den Grundstock für die nächste große Forschungsaufgabe. Für Ralf von den Hoff steht die Klassische Archäologie auf zwei gleich starken Beinen: Die Feld forschung fördert die Funde zutage – und die historisch-kulturelle Interpretation setzt sie in ihren Kontext. Während die Klassische Archäologie sich früher vor allem als Kunstgeschichte ver- stand, drohe ihr heute häufig eine Beschränkung auf Ausgrabungsarbeiten. Beides greife aber zu kurz. „Die Archäologie ist auch eine Bildwissen- schaft“, sagt von den Hoff. „Wir fragen uns: Wie funktionieren Bilder und Bildwahrnehmungen im kulturellen Kontext?“ In einer Zeit ohne Massen- medien wie der Epoche der griechisch-römi- schen Gesellschaften hätten Bilder eine immens wichtige Rolle für die Vermittlung von Identität gespielt. Für von den Hoff sind die Fundstücke aus den Grabungen nicht nur Kunstwerke, sondern vor allem Zeugnisse des Alltags der Menschen, der Gesellschaft, des Lebens in Pergamon. Bekleidete Bürger, nackte Sportler „Ein Stück steinerner Mantel verweist zum Bei- spiel auf eine bekleidete Statue, und eine beklei- dete Statue auf einen Bürger – während Sportler meist nackt dargestellt wurden“, sagt von den Hoff. Die Kunstproduktion dieser Zeit war nicht völlig frei, sie folgte bestimmten Regeln, und die Statuen hatten bestimmte Funktionen. Durch die zeitliche und räumliche Zuordnung der Funde ergebe sich nach und nach ein Gesamteindruck vom Bildpro- gramm der Sportstätte. Ein Ergebnis: Während im Hellenismus die Könige den öffentlichen Raum dominieren, übernehmen nach dem Ende der Königsherrschaft die Bürger die Gestaltung des Gymnasions. Und sie verleihen ihm neue Pracht: „Die Bürger beginnen, Raum für Raum mit Marmor auszustatten, während es zuvor vor allem einfache Lehmfußböden gab.“ Viele neue Statuen werden aufgestellt: „Es gibt Massen von klassischen Bürgerdarstellungen im Mantel.“ Vor allem Stifter und Wohltäter werden in den edlen Räumen por- trätiert. Sie bringen das Bürgerbild der Polis zum Ausdruck und dienten damit auch als Vorbild für bürgerliches Verhalten. Doch auch die Königsstatuen blieben im Gymnasion stehen. Sie wurden sogar gepflegt und restauriert. Auch das lässt sich an den archäologi- schen Funden zeigen. „Die Statuen dienten der Erinnerung an die eigene Geschichte – als eine Art Gedächtnisspeicher der städtischen Gesellschaft“, sagt von den Hoff. Die Statuen der selbstbewuss- ten und wohlhabenden Bürger kommen hinzu; später erhalten die Skulpturen römischer Kaiser einen eigenen Raum. Das Gymnasion als Bild- und Bildungsprogramm: Auch wenn es nicht bewusst darauf angelegt war, lasse es sich doch als Ausdruck der Identitäts bildung einer städtischen Bürgergesellschaft Zum Weiterlesen Hoff, R. von den (2009): Hellenistische Gymnasia. Raumgestaltung und Raumfunk tionen. In: Matthaei, A./Zimmermann, M. (Hrsg.): Stadtbilder im Hellenismus. München, S. 245 –275. Mathys, M. (2009): Der Anfang vom Ende oder das Ende vom Anfang? Strategien visu- eller Repräsentation im späthellenistischen Pergamon. In: Matthaei, A./Zimmermann, M. (Hrsg.): Stadtbilder im Hellenismus. München, S. 227–242. Petersen, L./Hoff, R. von den (Hrsg.) (2011): Skulpturen in Pergamon. Gymnasion, Heilig- tum, Palast. Ausstellungskatalog. Münster. Nur der Sockel steht noch: Während im Hellenismus vor allem Königsstatuen errichtet wurden, kamen später Bildnisse wohlhabender Bürger hinzu. „Im Gymnasion lernte man alles, was man als Bürger wissen musste“ 34