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uni'leben 05-2013

Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 05 2013 Anfangen: Universität unterstützt berufliche Selbstständigkeit > S.4 Anschauen: Plattform präsentiert Kunst aus aller Welt > S.7 Anfragen: Neue Studienbüros beraten und informieren > S.10 FOTO:DOCRABEMEDIA/FOTOLIA von Nicolas Scherger Maisfelder zwischen Wohn- blocks, Hühner auf den Straßen, Wasserspinat in aufge- schnittenen, übereinandermontier- ten Plastikflaschen vor der Hütte: „Landwirtschaft gibt es in westafri- kanischen Städten auf jedem freien Fleck, wenn Wasser verfügbar ist“, sagt der Freiburger Geograph Prof. Dr. Axel Drescher. Die Menschen wollen ihre Ernährung sichern und vielleicht noch etwas auf dem lo- kalen Markt verkaufen. Nach neu- en Berechnungen von Dreschers Arbeitsgruppe gibt es heute welt- weit wohl etwa 1,2 Milliarden städ- tische Bäuerinnen und Bauern – die aber in keiner Statistik auftauchen. „Diesen übersehenen Anteil der globalen Ernährungssicherung wollen wir ins Bewusstsein rücken“, sagt Prof. Dr. Rüdiger Glaser. Auch er ist Geograph an der Albert-Lud- wigs-Universität und beteiligt sich mit seinem Kollegen Axel Drescher an dem Projekt „Urban Food Plus“, das zum Ziel hat, die Landwirt- schaft in westafrikanischen Städten zu verbessern. Hitze und Trockenheit prägen das Klima der Sahelzone süd- lich der Sahara. Die Menschen beackern die Böden mit Hacke und Schaufel, bewässern die Pflanzen aus Eimern und Gießkannen. Oft gibt es nicht genügend Saatgut oder Dünger. Mit „Urban Food Plus“ sollen die städtischen Bau- ern unter anderem lernen, wie sie Regenwasser speichern oder mit Holzkohle düngen können. Die Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erarbeiten für das Projekt eine interaktive For- schungsplattform. Wesentlicher Bestandteil ist ein Geographisches Informationssystem (GIS), das er- möglicht, auf einen Raum bezoge- ne Daten zu analysieren und in the- matischen Karten am Computer zu zeigen. „Wir erfassen mithilfe von Luft- und Satellitenbildern sowie vor Ort mit GPS-Geräten, auf wel- chen Flächen die Menschen wel- che Pflanzen anbauen. Diese Da- ten verknüpfen wir beispielsweise mit Informationen zum Klima, aber auch zur Wirtschaft und Sozial- struktur, die wir bei Befragungen erheben“, erklärt Glaser. 20 Post- docs, Doktorandinnen und Dokto- randen, darunter drei aus Freiburg, sind derzeit bei der Geländearbeit in Ouagadougou/Burkina Faso und Tamale/Ghana. Weitere Erhebun- gen sind in Bamako/Mali und Ba- menda/Kamerun geplant. Mit Kindern Schulgärten anlegen Die Plattform soll es ermögli- chen, Daten zu sammeln, zu nut- zen, langfristig zu speichern und auszutauschen – den Wissen- schaftlern ebenso wie den Betei- ligten in den afrikanischen Städten. Die Forscherinnen und Forscher setzen daher überwiegend einfach zu bedienende Open-Source- Software ein. Ein zweites Projekt, an dem sich die beiden Freiburger Geographen beteiligen, betont diesen partizipativen Ansatz noch stärker: „Vegetables Go to School“ zielt darauf ab, die Ernährung von Kindern in Afrika und Asien zu ver- bessern – indem diese Schulgär- ten anlegen. Jeweils 400 solcher Gärten sollen in den kommenden Jahren in Burkina Faso, Tansania, Bhutan und Nepal entstehen. Ide- alerweise knüpft das Vorhaben an laufende Gesundheitsprojekte an, die Kindern etwa das Zähneputzen und Händewaschen näherbringen. Solche Projekte laufen zum Bei- spiel auf den Philippinen und sollen Modelle für die Länder sein, de- nen sich „Vegetables Go to School“ widmet. „Die Schulspeisung in diesen Ländern erfolgt, sofern es sie gibt, über das Welternährungspro- gramm der Vereinten Nationen“, sagt Drescher. „Es liefert aber nur Grundnahrungsmittel wie Reis oder Mais, aber kein Gemüse. Dadurch fehlen den Kindern Vitamine und Mineralstoffe.“ In den Gärten sollen die Kinder einheimische Sorten an- bauen. Beispiele sind verschiedene Spezies von Amaranthus, Bidens, Cleome, Chenopodium, Corcho- rus, Crotalaria und viele andere. Sie weisen oft wesentlich höhere Anteile an Mineralstoffen auf als jene Sorten, die in diesen Ländern als exotisch gelten – etwa Toma- ten, Kohl oder Kopfsalat. Im besten Fall beteiligen sich die Eltern. „Die Menschen sind mit den Arten ver- traut, ihr Selbstbewusstsein wächst, wenn sich ausländische Forscher für ihre Esskultur interessieren, und die ökologische und kulturelle Vielfalt bleibt erhalten“, sagt Glaser. Ergebnisse möglichst frei zugänglich machen Die Freiburger Geographen er- stellen auch bei diesem Projekt eine interaktive Forschungsplatt- form samt GIS. Sie haben damit begonnen, Lehrer, Schüler, Be- schäftigte in Politik und Verwaltung sowie andere Beteiligte vor Ort zu schulen. Diese sollen die erforder- lichen Daten selbst erheben und eingeben können – Informationen über die Schule, das Klima, Da- ten zur detaillierten Kartierung der Schulgärten, Fotos und Kochre- zepte zu den angebauten Sorten. Die Forscher wollen vorbildliche Modelle finden: Wo funktioniert der Ansatz, wo nicht – und warum? Ziel ist, vergleichen zu können, zur Zu- sammenarbeit zu ermuntern und dauerhaft Wissens- und Informa- tionsstrukturen bereitzustellen. „Wir Wissenschaftler wollen die Ergeb- nisse online möglichst frei zugäng- lich machen“, sagt Glaser. „Aber letztlich entscheiden die Beteilig- ten, was mit ihren Daten passiert.“ Bei einem Workshop im September 2013 haben sich alle geeinigt, wel- che Daten sie erheben werden. Die Freiburger Forscher werden nun die Eingabemasken programmie- ren – damit die Erhebung beginnen kann, sobald die ersten Gärten an- gelegt sind. Freiburger Geographen entwickeln interaktive Forschungsplattformen für Projekte, die helfen sollen, die Ernährung in afrikanischen und asiatischen Ländern zu verbessern Einheimische Sorten anbauen, gesundes Essen ermöglichen, ökologische und kulturelle Vielfalt erhalten: Mit diesen Zielen sind im Juni 2013 zwei neue Forschungsvorhaben gestartet. Ran ans Gemüse Fakten zu den Projekten „Urban Food Plus“ hat am 1. Juni 2013 begonnen und läuft über fünf Jahre. Die Agrarwissen- schaften der Universität Kassel und die Bodenkunde der Uni- versität Bochum leiten das Vor- haben, an dem sich zudem die Universität Göttingen beteiligt. Das Projekt ist Teil des Förder- programms „GlobE – Globale Ernährungssicherung“ des Bun- desministeriums für Bildung und Forschung und erhält für die ersten drei Jahre insgesamt 4,3 Millionen Euro, von denen etwa 450.000 Euro auf die Physische Geographie in Freiburg entfallen. „Vegetables Go to School“ ist ebenfalls am 1. Juni 2013 ge- startet und auf neun Jahre an- gelegt. Das AVRDC – The World Vegetable Center in Taipeh/Tai- wan koordiniert das Projekt, an dem sich unter anderem das Swiss Tropical and Public Health Institute der Universität Basel beteiligt. Die Swiss Agency for Development and Cooperation fördert das Vorhaben. Die Physi- sche Geographie der Universität Freiburg erhält für die ersten drei Jahre insgesamt etwa 500.000 Euro. FOTO: MORITZ BLANKE, ILLUSTRATION: SVENJA KIRSCH

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