von Nicolas Scherger Wind und Sonne liefern umwelt- freundliche Energie – doch der Ertrag schwankt stark und entspricht nicht immer dem aktuel- len Verbrauch. Eine Methode, die Energie über längere Zeit und in großem Maßstab zu speichern, ist noch nicht gefunden. Das will ein Freiburger Forschungsteam um die Chemieprofessoren Harald Hil- lebrecht und Ingo Krossing von der Albert-Ludwigs-Universität ändern: Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler der Universität sowie der Fraunhofer-Institute für Solare Energiesysteme (ISE) und für Werk- stoffmechanik (IWM) arbeiten daran, die Energie in Wasserstoff zu bin- den und diesen mit Kohlendioxid zu leicht speicherbaren Flüssigkraft- stoffen zu kombinieren. „Unser Ziel ist eine Technologie mit weltweiter Strahlkraft, die Potenzial für Paten- te, Kooperationen mit der Wirtschaft und erfolgreiche Forschungsanträ- ge bietet“, sagt Hillebrecht. Das Vorhaben steht beispielhaft für die Vision, mit der das „Leis- tungszentrum Nachhaltigkeit“ der Universität und der Fraunhofer- Gesellschaft Anfang 2015 in die Pilotphase gestartet ist. Das Land Baden-Württemberg und die Fraun- hofer-Gesellschaft investieren in den kommenden drei Jahren zusammen etwa 7,2 Millionen Euro mit dem Ziel, die wissenschaftlichen Grundlagen für die Energiewende weiter voran- zutreiben. „Wir gehen mit den fünf Freiburger Fraunhofer-Instituten unter dem Dach des Leistungszen- trums eine langfristige strategische Allianz ein“, sagt Prof. Dr. Gunther Neuhaus, Prorektor für Forschung der Universität und einer der beiden Koordinatoren: Die Volluniversität hat ein breites Fächerspektrum mit Schwerpunkt auf der Grundlagen- forschung, die Fraunhofer-Institute in Freiburg betreiben angewandte Forschung in Maschinenbau, Elek- trotechnik, Physik, Bauingenieurwe- sen und erneuerbaren Energiesys- temen. Ingenieurwissenschaftlicher Kern des Leistungszentrums soll das geplante Institut für Sustainab- le Systems Engineering (ISSE) an der Technischen Fakultät werden. Es entsteht ebenfalls in Kooperation zwischen der Universität und den Freiburger Fraunhofer- Instituten und wird bis zu 14 Profes- suren umfassen. Im Leistungszentrum sind vier Schlüsselthemen vorgesehen: Die Wissenschaftler forschen an nach- haltigen Werkstoffen als Grundlage für Produkte, die mit möglichst ge- ringem Materialeinsatz und Ener- gieaufwand zu produzieren sowie wiederverwertbar oder ökologisch abbaubar sind. Sie arbeiten an Ener- giesystemen, die den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Quellen wie Biomasse, Wind, Sonne und Was- ser erlauben und eine zuverlässige Versorgung garantieren. Bei der Re- silienzforschung und der Entwick- lung resilienter Ingenieursysteme geht es darum, die von extremen Wetterereignissen, Industrieunfällen, Terrorismus und anderen Gefahren- quellen verursachten Schäden mög- lichst gering zu halten. Ansätze zur ökologischen und gesellschaftlichen Transformation nehmen in den Blick, wie sich technologische Neuheiten auf natürliche und soziale Systeme auswirken – mit dem Ziel, langfris- tige Governance-Strategien zu fin- den, die einen nachhaltigen Wandel ermöglichen. „Unser Profil ist bundesweit einzigartig. Kein anderes Zen- trum für Nachhaltigkeitsforschung ist hierzulande thematisch so breit aufgestellt“, sagt Prof. Dr. Stefan Hiermaier, Leiter des Ernst-Mach- Instituts und ebenfalls Koordinator des Leistungszentrums. In der Pi- lotphase sind bis zu zwölf Projekte geplant. An allen sind Forscherin- nen und Forscher der Universität und der Freiburger Fraunhofer- Institute beteiligt. Eines davon ist den erwähnten Flüssigkraftstoffen gewidmet, ein anderes nachhalti- gen Werkstoffen, die sich nach dem Vorbild von Pflanzen selbst repa- rieren. So können beispielsweise die Blätter eines Mittagsblumenge- wächses Wunden innerhalb einer Stunde versiegeln: Die Wundrän- der rollen sich nach innen ein, und das gesamte Blatt verbiegt sich so lange, bis die verletzte Stelle nach außen abgeschlossen ist. Dies wird dadurch ermöglicht, dass die Blät- ter im Querschnitt aus kreisförmig angeordneten Gewebeschichten mit jeweils besonderen mechani- schen Eigenschaften bestehen. Das Prinzip ließe sich möglicher- weise auf technische Schichtmate- rialien übertragen, sagt die Biologin Dr. Olga Speck vom Botanischen Garten der Universität: „Solche von der Natur inspirierten Lösun- gen haben ein großes Potenzial für innovative Technikentwicklung.“ Die weiteren bislang bewilligten Projekte befassen sich mit nach- haltiger LED-Beleuchtung, verbes- serten Leichtbaumaterialien, der Erfassung von Umweltdaten zur Abschätzung von Georisiken und dem pflanzlichen Werkstoff Lignin als Ausgangsmaterial für einen bio- logisch basierten Kunststoff. Projekte mit der Wirtschaft Die Wirtschaft soll sich ebenfalls beteiligen: Das Leistungszentrum will in zusätzlichen, industriefinan- zierten Projekten Firmen einbinden, damit der Transfer wissenschaft- licher Ergebnisse in marktfähige Produkte und Dienstleistungen ge- lingt. Das erste dieser so genann- ten Ankerprojekte wird von der Georg-H.-Endress-Stiftung ge- fördert. „Wir hoffen zudem, dass das Zentrum zu einer Keimzelle für Start-up-Ideen und Existenz- gründungen wird“, sagt Hiermaier. Darüber hinaus will es Formate für Bürgerbeteiligung erforschen und selbst anwenden. Dahinter steht die Annahme, dass die Transfor- mation hin zu einer nachhaltigen Lebensweise nur im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern gelingen kann. Über Tagungen, Workshops und andere Formate soll sich ein Netzwerk herausbilden, das Wis- senschaft, Industrie, Politik, Ver- waltung, Privatleute sowie weitere Akteure verbindet. Die Pilotphase bis 2018 soll dazu dienen, das Leistungszentrum zu etablieren. „Freiburg ist als Green City weltweit bekannt. Unsere Al- lianz wird den Standort nun auch in der Nachhaltigkeitsforschung in- ternational sichtbar machen“, sagt Neuhaus. Das Zentrum soll junge Nachwuchswissenschaftler und ideenreiche Unternehmensgrün- der ebenso anlocken wie etablierte Spitzenforscher und Konzerne. Au- ßerdem will es sich mit dem Nach- weis wissenschaftlicher Exzellenz für künftige Förderprogramme des Bundes und der Europäischen Uni- on fit machen – und damit seine ei- gene Nachhaltigkeit sichern. n umfassen. tige den erm tr ist Forscher wollen im Leistungszen- trum unter anderem nachhaltige Materialien entwickeln – etwa Schichtmaterialien, inspiriert von einem Mittagsblumengewächs, und einen Kunststoff aus dem im Holz enthaltenen Werkstoff Lignin. FOTOS: PLANT BIOMECHANICS GROUP FREIBURG, WOMUE/FOTOLIA 01 2015 Gemeinschaft: Leitbild für die Universitätsverwaltung > S. 3 Gesellschaft: Magnus Striet über Freiheit und Religion > S. 4 Gesundheit: Projekt „inTensity“ hilft bei Stress im Studium > S. 8 Die Albert-Ludwigs-Universität und die Fraunhofer-Gesellschaft gehen in Freiburg eine langfristige Allianz ein Energie aus erneuerbaren Quellen speichern, den Verbrauch mithilfe von sparsamen Leuchtmitteln senken: Mit diesen Themen befassen sich zwei Projekte des neuen Forschungsverbunds. FOTOS: GYULA GYUKLI, CHONES (BEIDE FOTOLIA) Start für das Leistungszentrum Nachhaltigkeit Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de www.leistungszentrum- nachhaltigkeit.de Ziel ltweiter für Paten- er Wirtschaft ungsanträ- haft is- ht e chen der U Freibu Insti bis suren Forsc tru 012015