von Stephanie Streif Wer die Stalltüre des Mathisle- hofs in Hinterzarten aufstößt, landet in der Vergangenheit: eine niedrige Decke, altes Holz, ein rostiges Fahrrad in der Ecke. Das Bauernhaus ist mehr als 300 Jah- re alt, den Hof gibt es sogar noch länger: mindestens seit Mitte des 15. Jahrhunderts. Von altmodisch kann aber keine Rede sein, denn die Tiere auf dem Mathislehof wer- den artgerecht gehalten, und die Milch- und Fleischprodukte sind von Demeter und Bioland zerti- fiziert. Die Bäuerin auf dem Hof heißt Nicole Raff. Eigentümerin ist allerdings die Müller-Fahnenberg- Stiftung, und deren Treuhänderin ist die Universität Freiburg. Zusammen mit einem Auszubil- denden bewirtschaftet Raff den Hof, manchmal hilft auch ein Prak- tikant. Zehn, elf Stunden täglich müsse sie schon arbeiten, erzählt sie. „Aber das ist in Ordnung. Hauptsache ist, ich bin viel in der Natur.“ Von den zwei Kaninchen und ein paar Schweinen abgese- hen, beherbergt der Mathislehof vor allem Kühe. Oder besser Käl- ber. Die Mutterkühe stehen auf dem knapp 50 Kilometer entfernt liegenden Untermühlbachhof in St. Georgen im Schwarzwald. Warum die Trennung von Kuh und Kalb? Die Jungtiere sollen ihren Müttern nicht alle Milch abtrinken, denn in der St. Georgener Hofkäserei wird daraus Käse gemacht – mal mild, mal geräuchert, mal mit Most und Apfelsaft gebürstet. Beide Höfe gehören zur Wälder GbR. Sie hat den Mathislehof 2001 gepachtet, um all ihre Kälber unterstellen und selbst aufziehen zu können. Viele werden früher oder später geschlachtet, und ihr Fleisch wird auf Wochenmärkten oder in den Hofläden des Mathisle- und des Untermühlbachhofs verkauft. Ein Teil der weiblichen Tiere wächst zu Kühen heran. Alle Rinder der Wälder GbR sind Vorderwälder – eine alte, aus dem Südschwarz- wald stammende Hausrindrasse, die klein und robust ist. Heimisches Gras fürs Jungvieh Auf der Rückseite des Hofs liegen in Plastik gepackte Pakete, die so genannte Silage: angewelktes, ge- schnittenes Gras, luftdicht konser- viert. Denn das Jungvieh soll auch im Winter nur heimisches Gras fres- sen. Damit das besonders nährstoff- reich ist, wird der Boden, auf dem es wächst, mit gemäß den Prinzi- pien der biologisch-dynamischen Landwirtschaft selbst hergestellten Hornkiesel- und Hornmistpräpara- ten bearbeitet. Zusätzlich gibt es aus Pflanzen gewonnene Kompost- präparate, die die Bodenstruktur verbessern sollen. „Hier oben wirt- schaften wir nachhaltig“, sagt Raff. „Was wir der Natur wegnehmen, ge- ben wir ihr auch wieder zurück.“ Bio bedeutet auch, dass die Käl- ber sich im und um den Stall he- rum frei bewegen können. Nur beim Fressen wird ihr Kopf manch- mal in einer Halterung fixiert. Das störe die Tiere aber nicht. „Die meisten sind froh, wenn sie die vorgesehene Ration in Ruhe fres- sen können“, berichtet Raff. Beim Rundgang durch den Stall erzählt die Bäuerin, dass man den Rin- dern auf dem Mathislehof auch die Hörner lasse. Demeter vertritt die Auffassung, dass diese wichtig für Verdauung und Stoffwechsel sind. Großzügiges Erbe Es scheint kurios, dass eine Stif- tung der Universität den Mathislehof und die dazugehörigen knapp 130 Hektar Wald verwaltet. Früher ge- hörte der Hof einer Familie Müller. Vater Norbert war Friseur, Barbier und Chirurg. Nachdem er viele Im- mobilien in Freiburg und Umgebung erworben hatte, wurde er auch zum Bauunternehmer, Sägewer- ker und Holzhändler. 1908 kaufte er den Mathislehof, auf den sich seine Kinder und Erben Karl, Eugen und Frieda nach dem Bombenangriff 1944 zurück- zogen, bei dem ihr Wohnhaus mit dem Restaurant „Fahnen- berg“ in der Freiburger Kaiserstra- ße zerstört worden war. Alle drei blieben kinderlos und vermachten ihr gesamtes Vermögen inklusive Mathislehof der Universität für eine Stiftung. Sie verfügten, dass ein Drittel der Stiftungserträge forst- wissenschaftlichen Zwecken sowie der Unterstützung bedürftiger Forst- wissenschaftsstudierender dienen sollte. Die übrigen Erträge sollten in die medizinische Krebsforschung fließen. Die Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen nutzt das Gebiet noch heute als Lehrwald. „Über die Jahre hat sich die Müller-Fahnenberg-Stiftung sehr gut entwickelt“, berichtet Andreas Lang, Leiter der Abteilung Stiftung und Vermögen der Universität Freiburg. Das Vermögen belaufe sich auf einen mittleren einstelli- gen Millionenbetrag. Mit dem Geld wird auch der Mathislehof erhal- ten. „Denn selbst tragen kann sich so ein Hof heute nur schwer“, sagt Lang. Vor zwei Jahren wur- den für mehrere Hunderttausend Euro das Dach neu eingedeckt und eine moderne Fotovoltaikanlage installiert. Den Mathislehof wird es also noch eine Weile geben, dafür haben seine früheren Bewohner gesorgt. Und er wird bleiben, was er ist – ein Bauernhof wie aus dem Bilderbuch. 02 2015 Ganz ruhig: Psychologen erfor- schen Resilienz gegen Stress > S. 4 Ganz bunt: Der Wissenschafts- markt lädt zum Staunen ein > S. 8 Ganz exponiert: Christian Wacker über die Kunst des Ausstellens > S.9 Der Mathislehof wirtschaftet nachhaltig – und ist auf kuriose Weise mit der Universität verbunden Glückliche Kühe: Die Tiere dürfen sich im und um den Stall herum frei bewegen. FOTOS: PATRICK SEEGER Gehöft mit Geschichte Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Hofführungen Wer wissen will, wie auf dem Mathislehof gewirtschaftet wird, kann an einer kostenlosen Hof- führung teilnehmen und im An- schluss einige Käsesorten des Hofladens probieren. Die Füh- rungen finden bis September einmal im Monat statt: am 9. Mai ab 14 Uhr sowie am 6. Juni, 11. Juli, 8. August und 12. Sep- tember jeweils ab 15 Uhr. Anmeldung: 07652/982582 oder per E-Mail unter mathislehof@t-online.de www.waelder-gbr.deDie Bäuerin Nicole Raff veranstaltet Hofführungen – Käseprobe aus eigener Produktion inklusive. ker und Holzhändler. 1908 kaufte er den Mathislehof, auf den sich seine Kinder und Erben Karl, mit dem Restaurant „Fahnen- FOTO:THOMASKUNZ 022015