01 2016 Gestaltet: Wie sieht die Zukunft des European Campus aus? > S. 4 Gebrüllt: Kommen sich Wild- und Hauskatzen in die Quere? > S. 5 Gestylt: Ist der Turnbeutel auf dem Campus salonfähig? > S. 10 gewissermaßen das Gesicht der Parapsychologie. Bender untersucht Spukerscheinungen und Polter- geister, macht Laborexperimente zu Telepathie und anderen außer- sinnlichen Wahrnehmungen und berät Menschen, die nach uner- klärlichen Erfahrungen Ängste aus- stehen. Er ist als Experte gefragt, wenn das „Paranormale“ Zuschau- erinnen und Zuschauer vor die Fernsehgeräte zieht. „Hans Bender hatte keine Berüh- rungsängste“, sagt die Freiburger Historikerin Dr. Anna Lux über die Haltung des Forschers zu den Massenmedien. Er war ein Vorreiter für die publikumswirksame Vermitt- lung von Wissenschaft und mit der Öffentlichkeitsarbeit für sein Fach sagenhaft erfolgreich. Als er regel- mäßig im Fernsehen auftrat, war die Mehrheit der Wissenschaftle- rinnen und Wissenschaftler für Auftritte in populären Medien noch nicht zu haben. Lux erforscht, wie die Medienpräsenz der Para- psychologie, die Innovationskraft dieser neu entstandenen Disziplin und nicht zuletzt die Persönlichkeit Hans Benders im 20. Jahrhundert zusammengewirkt haben. Kleine Disziplin, neue Wege Die Parapsychologie war nicht nur im Hinblick auf Benders virtuo- se Öffentlichkeitsarbeit und ihren beachtlichen Erfolg bei der Einwer- bung von Drittmitteln ihrer Zeit voraus. Ihre internationale Vernet- zung ist ein weiteres Beispiel für ihre Innovationskraft. Der Aus- tausch mit Kolleginnen und Kolle- gen auf der ganzen Welt war schon deshalb unerlässlich, weil die deutsche Community winzig war. Bender unterhielt Kontakte in andere europäische Länder und in die USA. „Unmittelbar nach dem Nationalsozialismus war so ein Austausch nicht selbstverständ- lich“, sagt Lux, „denn die deutsche Wissenschaft war in dieser Zeit noch sehr isoliert.“ Als 1950 in Freiburg das von Bender gegrün- dete Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) eröffnete, hielt der bekann- te amerikanische Parapsychologie- professor Joseph B. Rhine eine Ansprache. Die Innovationen, die von der Parapsychologie ausgingen, waren kein Selbstzweck, sondern lassen sich mit den Zwängen erklären, mit denen die randständige Disziplin kämpfte: mit der Notwendigkeit finanzieller Unterstützung, mit einem großen Rechtfertigungsdruck und dem Fehlen eines wissenschaftlich- akademischen Netzwerks. Daraus mag sich, vermutet Lux, auch er- klären, warum die Sozialstruktur innerhalb der Parapsychologie und am IGPP von Anfang an bemer- kenswert durchlässig war. Zum Beispiel stammte die erste Promo- tion, die Bender betreute, aus der Feder einer Frau – 1958 noch alles andere als alltäglich. Die Doktoran- din hieß Inge Strauch und wurde seine erste Assistentin und später Professorin für Psychologie in Zürich/Schweiz. Auch in Bezug auf Alter und akademischen Status war die Sozialstruktur durchlässig. Weggefährtinnen und Weggefähr- ten Benders, die Lux interviewt hat, erzählten übereinstimmend, er habe jungen Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern früh Verantwortung über- lassen und sie dadurch auf unübli- che Weise gefördert. Diese soziale Durchlässigkeit will Lux genauer untersuchen. Möglicherweise waren die Freiburger Parapsychologie und ihr Begründer in dieser Hinsicht ebenfalls Vorreiter. Das Unerklärliche erklären Bender wirkte auch an der Uni- versität. Nach einer ersten Karriere, die ihn im Dritten Reich auf ein Extraordinariat an der Reichs- universität Straßburg geführt hatte, übernahm er Anfang der 1950er Jahre in Freiburg Gast- und Vertre- tungsprofessuren. 1954 wurde er zum außerplanmäßigen Professor für Grenzgebiete der Psychologie ernannt, 1967 zum Ordinarius. Freiburg sollte die einzige deutsche Universität mit einem Lehrstuhl dieser Art bleiben. Nach einigen Semestern Jura hatte der 1907 in Freiburg geborene Bender Psychologie, Philosophie und Romanistik studiert, wurde in Psychologie promoviert und schloss zudem ein Medizinstudium mit der Approbation ab. Auf entsprechend vielfältige Kenntnisse konnte er später zurückgreifen. Einerseits betrieb er Feldforschung: So rückte er mit zum Teil selbst entwickelten Messgeräten an, um zum Beispiel Spukphänomenen auf die Spur zu Hans Bender machte Freiburg zum Zentrum der Parapsychologie und war ein charismatischer Medienprofi von Martin Jost Eine Vorlesung am Mittwoch- abend. Ort: die Aula der Uni- versität Freiburg. Wie jede Woche ist der Saal brechend voll. Hörerin- nen und Hörer aus allen Fakultäten sind wegen Hans Bender gekom- men. Der Freiburger Professor für Grenzgebiete der Psychologie glänzt durch Ausstrahlung, umwerfendes erzählerisches Talent und – so ein Nachruf in der Badischen Zeitung – „hypnotisches Charisma“. Bender ist in den 1970er Jahren eine Be- rühmtheit. Ganz Deutschland kennt ihn aus dem Fernsehen und aus auflagenstarken Zeitungen. Er ist kommen. Andererseits maß er im Labor mit empirischen Methoden, ob die hellseherischen oder telepa- thischen Fähigkeiten, die einige Menschen zu besitzen behaupte- ten, wirklich existierten. Zentral war für Bender eine vorurteilsfreie Grundhaltung. Persönlich wollte er nicht ausschließen, dass so ge- nannte Psi-Phänomene, die nicht mit naturwissenschaftlichen Mo- dellen zu erklären sind, existieren. An einen Nachweis stellte er aller- dings hohe Ansprüche. Der Lehrstuhl für Grenzgebiete der Psychologie existiert nicht mehr, er wurde in den 1990er Jahren in einen Lehrstuhl für Pädagogik der Psychologie umgewandelt. Hans Bender wurde 1975 emeritiert und leitete bis zu seinem Tod 1991 das IGPP. Das von ihm gegründete Institut ist dank einer umfangrei- chen Stiftung weitgehend unab- hängig und betreibt bis heute eine Beratungsstelle für Menschen mit Psi-Erfahrungen. Förderung bis 2017 Das Projekt „Hans Bender – Parapsychologie im Schnitt- punkt von wissenschaftlicher Disziplinbildung, gesellschaft- licher Nachfrage und medialer Öffentlichkeit“ ist an der Pro- fessur für Neuere und Neueste Geschichte angesiedelt, die Sylvia Paletschek innehat. Die Deutsche Forschungsgemein- schaft fördert das Vorhaben bis 2017. Pionier der PR: Hans Bender (1907 – 1991) suchte im Gegen- satz zu anderen Wissenschaftlern seiner Zeit den Kontakt zu Print, Radio und Fernsehen. Hans Bender besuchte Menschen, die von Spukphänomenen berichteten – zum Beispiel eine Frau, die in ihrem Haus angeblich eine „Teppichschlange“ vorfand. Ein Fotograf stellte die außersinnlichen Erlebnisse nach. Noch gruseliger wirkt das sich windende Textil, wenn man es spiegelt. FOTOS: LEIF GEIGES/INSTITUT FÜR GRENZGEBIETE DER PSYCHOLOGIE UND PSYCHOHYGIENE FRANKREICH SCHWEIZ DEUTSCHLAND Karlsruhe Freiburg Strasbourg Mulhouse Basel INFOGRAFIK: ENTELECHIE / FOTOLIA So ein Spuk So ein Spuk So ein Spuk Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 012016