Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

uni'leben 03-2016

Gefilmt und gemalt gemalt 03 2016 Rufen: Doktoranden setzen sich für ihre Rechte ein > S. 2 Sehen: Ausstellung zeigt 2.500 Jahre jüdisches Exil > S. 5 Hören: Verein Nightline hilft Studierenden mit Sorgen > S.  9 Videoclip der Arbeitsgruppe Brox angesehen. Das freut den Experten für Bildanalyse: „So viel Medien- echo zu einer studentischen Arbeit ist außergewöhnlich, aber sie ist auch von hoher wissenschaftlicher Qualität.“ Deshalb erhielt Ruder kürzlich eine Einladung zur Deut- schen Tagung für Mustererkennung. „Die Gutachter haben sein Projekt mit Bestnoten bewertet“, sagt Brox. Selbst aus der Filmbranche kamen Anfragen zu Ruders Verfahren. „Style Transfer gab es schon“, erzählt der Student. Tübinger Infor- matiker haben im Jahr 2015 Kunst- stile auf Einzelbilder übertragen. Es wäre doch schön, wenn sich das Prinzip auch auf Videos an- wenden ließe, dachten sich Brox und Ruder – sie waren nicht die Ersten. Andere Arbeitsgruppen hatten es bereits versucht. In ihren Videos flackern die Farbflächen, die Optik fließt nicht, sondern hum- pelt. Der Computer hatte jedes Bild einzeln verkünstelt. Darum konnte er nicht erkennen, dass die Bilder Teile einer Folge waren. Der Style Transfer fiel jedes Mal minimal anders aus, und die Videos zuckten. Nach Ruders Verfahren flutscht der animierte Zeichentrickfilm „Ice Age“ im Höhlenmalereistil nahtlos, weich und farbgetreu dahin. Darth Vader aus „Star Wars“ erscheint wie eine Schöpfung des deutschen Expressionisten Heinrich Schlief und bewegt sich dennoch rund. „Wir lassen den Computer immer ein Bild in die Vergangenheit schau- en“, erklärt Ruder. Die Maschine erstellt jeweils eine globale Bild- statistik, entdeckt Zusammenhänge und kapiert: Das hier ist ein Film! Auch hat Ruder eine Kontrolle ein- geführt, die Abweichungen zwi- schen zwei Bildern „bestraft“. Aus- geklammert werden die Rand- zonen bewegter Objekte und ver- deckte Flächen. „An diesen Prob- lemstellen lassen wir dem Transfer- Algorithmus mehr Freiheit.“ Ein Zufallselement erlaubt hier, etwas großzügiger zu improvisieren. Maximale Freiheit herrscht bei Kameraschwenks, wenn am Bild- rand neue Flächen auftauchen. Der Rechner darf sie erfinden, sie müssen lediglich zum Rest des Bildes passen. Damit trotzdem nichts flattert, hat Ruder einen Multipass-Algorithmus entwickelt. Daher ist alles wunderbar im Fluss bei „Miss Marple“ im Stil von van Goghs „Sternennacht“ oder beim „Dschungelbuch“ à la Uffe Boesen. Doch die Technik hat Grenzen, sagt Brox. Angela Merkels Neujahrsrede als Kandinsky-Imitat wäre machbar, Angela Duck à la Disney leider nicht. „Je expressio- nistischer, künstlerischer der Stil, desto einfacher funktioniert Style Transfer“, so der 39-jährige Profes- sor. Schwierig wird’s bei grafischen Vorbildern wie etwa von Keith Haring oder aus Comics. Zudem gehen inhaltliche Details verloren, bedauert Brox: „Gesichter sehen nach dem Style Transfer selten besser aus.“ Eine Stunde Rechenzeit je Filmminute In mehrfacher Hinsicht wären Pornos nach einem Transfer wohl weniger scharf. Das ahnte ein ent- sprechender Webseitenbetreiber nicht, als er anfragte. Weit mehr ehrt Brox und Ruder, dass ein Studio aus Los Angeles/USA ihren Style Code bei einem Musikvideo für das Cannes-Lion-Festival einsetzte. Ein Dokumentarfilmer wollte das Inter- view mit einer Künstlerin in ihren Stil transferieren. „Leider bekam ihr Gesicht zu wenig davon ab und der Hintergrund zu viel“, sagt Ruder. Der Student will das Verfahren in seiner Masterarbeit, die nächstes Semester ansteht, optimieren. Ein Ziel ist, es zu beschleunigen. Jedes Bild rechnet der Computer 200- bis 500-mal durch, was je Filmminute eine Stunde Zeit kostet. Das ist für Zum ersten Mal gleiten Videoclips, die von Computern im Stil von Henri Matisse oder Pablo Picasso umgestaltet werden, ohne Zucken voran von Jürgen Schickinger Vincent van Gogh macht neuer- dings Videokunst. Eine reale Filmszene zeigt ein Paar auf dem Freiburger Münstermarkt. Die bei- den lassen ihren Blick schweifen, auf einer Seite ragt das rotbraune Münster in den tiefblauen Himmel, hinten steht die Alte Wache, vor der sich Marktstände aufreihen. Plötz- lich ändern sich die Farben und Konturen. Das Münster leuchtet gelb, blau, orange. Den Himmel zie- ren bunte Tupfer. Hat van Gogh einen Trickfilm gedreht? Zumindest sieht die Sequenz so aus. „Sie läuft ohne Ruckeln und Flackern, sehr beeindruckend“, betont Informatiker Thomas Brox, Professor für Muster- erkennung und Bildverarbeitung an der Universität Freiburg. Bisher flackerten Filme nach einem so ge- nannten Style Transfer immer. Bei diesem Verfahren übertragen Com- puter Kunststile wie etwa die von van Gogh, Henri Matisse oder Pablo Picasso auf Filmsequenzen. Das Problem, das woanders Zittern her- vorrief, hat der 23-jährige Informatik- student Manuel Ruder nun beseitigt: Mit seinem Verfahren gleiten bear- beitete Filme wackelfrei voran. Medienrummel und Bestnoten Lob kommt vom Magazin „Wired“, der US-amerikanischen „Technology Review“, der britischen „Daily Mail“ und anderen. Im Internet haben sich fast 80.000 Menschen den komplette Spielfilme und Apps noch zu langsam. „Der Algorithmus soll auch große Bewegungen besser erkennen und speziell auf Gesichter eingehen“, sagt Brox. Er und Ruder wären nicht traurig, wenn der Photoshop- Entwickler Adobe oder die Compu- teranimationscracks von Pixar irgendwann anriefen. Die Informati- ker suchen nach Ideen, mit denen sich Hollywood locken lässt. Werde dort getrickst, dann noch mit einer Menge Handarbeit und einem finan- ziellen Aufwand in Millionenhöhe. Vielleicht klappt es rasch: Nur zwei Monate brauchte Ruder von der Idee bis zur Umsetzung seines Ver- fahrens. „Da konnte ich aber auf einige vorhandene Pakete zurück- greifen.“ Doch um sie zu verbinden und anzupassen, musste er Quell- codes schreiben und Neuland be- treten. Das werden Thomas Brox und Manuel Ruder auch zukünftig tun. Sie wollen Einzelaufnahmen zu filmischem Leben erwecken und damit quasi per Computertechnik einen historischen Schritt wieder- holen: die Bilder das Laufen lehren. Hat Vincent van Gogh seinen Pinsel auf dem Münsterplatz geschwungen? Das Verfahren „Style Transfer“ überträgt unter anderem berühmte Kunststile auf bewegte Bilder. FOTOS: MANUEL RUDER, KAZyAVKA, CAN yESIL (BEIDE FOTOLIA) Sternenhimmel in Südfrankreich: Vincent van Goghs „Caféterrasse am Abend“ diente Thomas Brox und Manuel Ruder als Vorbild. QUELLE: WIKIMEDIA COMMONS Kunstvoller Algorithmus Ein Videoclip zeigt den wilden Ritt durch die Kunst- und Film- geschichte. www.pr.uni-freiburg.de/go/ style_transfer  Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 032016

Seitenübersicht