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uni'leben 02-2016

02 2016 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 12 von Yvonne Troll Philipp Anweiler erzählt von einer besonderen Verbindung. Von Be- dürfnissen, die man nach und nach kennenlerne, von eigenständigen Indi- viduen, um die man sich mit viel Gefühl kümmern und vom Schmerz, wenn man sich trennen müsse. Nein, es geht nicht um geliebte Menschen. Anweiler spricht über Pflanzen. „Es kann dir nichts Besseres passieren, als deine Leiden- schaft zum Beruf zu machen“, sagt der 28-Jährige, der sich im Botanischen Garten der Universität Freiburg zum Gärtner ausbilden lässt. Mit sechs Jahren bekam er von sei- ner Mutter die erste Pflanze geschenkt, einen Pfennigbaum, den es bis heute gibt. Bald sei sein Zimmer ein Wust von Pflanzen gewesen. Mit seinem Vater setzt er bis heute keimende Jungeichen in den Kiefernwäldern seiner Heimat Brandenburg aus, und über seinen Unterarm schlängelt sich das Tattoo eines lebensgroßen Eichensämlings. „Dass aus einer so kleinen Frucht wie der Eichel ein Riesenbaum werden kann, der ein übermenschliches Alter erreicht und unzähligen Tierarten einen Lebensraum bietet, das beeindruckt mich.“ Doch hinter seiner Berufswahl steckt mehr als eine kindliche Begeis- terung, die sich gehalten hat: Anweiler sieht das große Ganze. „Ohne Pflanzen funktioniert nichts auf der Welt. Wenn wir keine Fotosynthese hätten, gäbe es uns Menschen schlichtweg nicht.“ Dass Anweiler sein berufliches Glück mit Pflanzen finden würde, scheint auf der Hand zu liegen. Doch nach dem Abitur studierte er zunächst Mathe- matik, Deutsch und Sachkunde für das Grundschullehramt. Mit Kindern hat er schon früh gearbeitet, sei es als Betreuer im Ferienlager oder als Trainer im Schwimmverein. Zudem habe er Angst gehabt, dass ihm die Freude an Pflanzen vergehen würde, wenn er im Beruf täglich mit ihnen zu tun hätte. Während des Studiums kamen Anweiler zwar immer wieder Zweifel, aber er legte trotzdem das Erste Staatsexamen ab und begann sein Referendariat an einer Mainzer Schule. „Dann ist alles über mich hereingebrochen. Der Schulalltag hat sich ganz markant als falsch für mich herausgestellt.“ Vom Lehrer zum Gärtner Für das didaktische Konzept, das von Lehrerinnen und Lehrern erwartet wer- de, sei er nicht geschaffen. „Das Vorbe- reiten des Unterrichts nach strengen Kriterien, dieses Kreativ-sein-Müssen nach einer engen Struktur, ist mir extrem schwergefallen.“ Seine besten Stunden seien diejenigen gewesen, in denen er seinen Plan über den Haufen gewor- fen und den Unterricht pädagogisch frei gestaltet habe. Schließlich bekam er Schwindelanfälle und starken Blut- hochdruck. „Mein Körper hat mir knall- hart signalisiert, dass ich nicht am richtigen Ort war“, sagt er. Irgendwann war klar: So konnte es nicht weiterge- hen. „Ich habe mich gefragt, ob ich es nicht früher hätte merken können. Aber ich komme aus einer Arbeiterfamilie, da wurde nichts abgebrochen. Da hat man das, was man angefangen hat, durchgezogen.“ Seine Familie habe ihn trotzdem auf seinem Weg stets unterstützt, betont er. Von „Wow, das ist aber mutig!“ bis „Erst Lehrer, dann Gärtner, wie geht das denn?“ reichen die Reaktionen, wenn er heute erzählt, dass er das Referendariat abgebrochen hat. „Zu dieser Entscheidung zu gelangen war ein Drama, aber irgendwann war ich mir sehr sicher.“ Im Botanischen Gar- ten sei er toll aufgenommen worden. „Man wird als Azubi wertgeschätzt, kann eigene Ideen einbringen und Dinge ausprobieren. Das motiviert mich ungemein“, sagt er. „Es gibt hier eine unglaubliche Vielfalt an Pflanzen aus der ganzen Welt, und ich bin ge- willt, viel zu lernen.“ Den beruflichen Wechsel nennt Anweiler seine zweite wichtige Grund- satzentscheidung. Vegan zu leben war die erste. „Veganismus hat viel mit Umweltschutz und globaler Gerechtig- keit zu tun. Für die Tiere, die wir in Deutschland mästen, werden bei- spielsweise in Südamerika Wälder ge- rodet, um Soja anzubauen.“ Anweiler ist Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, beim Naturschutzbund Deutschland und bei Plant-for-the-Planet, einer Kinder- und Jugendinitiative, die in der Gesellschaft ein Bewusstsein für den Klimawandel schaffen und diesen durch Baumpflanzaktionen bekämpfen möchte. „Am liebsten würde ich für den Rest meines Lebens Bäume pflan- zen“, sagt er und lacht. Liegt darin also seine berufliche Zukunft? „Ich bin nach dieser schweren Zeit gerade erst wie- der am Aufblühen. Was nach der Aus- bildung kommt, überlege ich noch. Im Moment bin ich einfach nur zufrieden, hier im Botanischen Garten arbeiten zu dürfen.“ menschen Alles im grünen Bereich Hinter Philipp Anweiler, Auszubildender im Botanischen Garten, liegt ein außergewöhnlicher Weg Lebensraum für unzählige Tierarten: Mit dem Tattoo eines Eichensämlings zeigt der angehende Gärtner Philipp Anweiler, welche Faszination Bäume auf ihn ausüben. Foto: Thomas Kunz von Anita Rüffer Gemessen am ehrwürdigen Alter der Albert-Ludwigs-Universität ist eines ihrer neueren Aushängeschilder, das 2012 gestartete University College Freiburg (UCF), noch ein junger Spross: entwicklungsfähig, gestaltbar und ohne verknöcherte Strukturen. Wie gemacht für Dr. Ursula Glunk, die seit Dezember 2015 als akademische Geschäftsfüh- rerin für die Lehre am bundesweit ein- maligen University College verantwort- lich ist. Mit dem Bachelor of Liberal Arts and Sciences (LAS) bietet das College eine fachlich breitere Alternative zu den etablierten, auf eine Disziplin be- schränkten Bachelorstudiengängen an. Von Routine kann am UCF noch keine Rede sein – „sonst hätte mich die Stelle nicht interessiert“, bekennt die vor Le- ben sprühende 50-Jährige in der roten Lederjacke lachend. Aufregung und Abenteuer Ein bisschen Abenteuer und Aufre- gung müssen sein. Die findet Glunk am ehesten dort, wo Neues entsteht. „Ich habe mich immer für gute, innovative Lehre interessiert“, erklärt sie. „Und ich baue gerne etwas auf.“ Die Organisa- tionspsychologin hat es nicht lange auf dem akademischen Karriereweg mit seinen Forschungs- und Publikations- regeln gehalten. An der Universität Maastricht/Niederlande wartete mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge eine willkomme- nere Herausforderung auf sie: Als Programmdirektorin entwickelte sie das Masterprogramm International Business mit. Die nächste Heraus- forderung war die Etablierung des berufsbegleitenden Studiengangs Master of Business Administration für Führungskräfte: Da konnte sie ihre Coachingkompetenzen einbringen und dafür sorgen, dass Bausteine zur Persönlichkeitsentwicklung Teil des Curriculums wurden. Erfahrungen, die den Studierenden zugutekommen, wird doch am University College viel Wert darauf gelegt, dass sie sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten entwickeln. Nach beinahe 20 Jahren in den Nie- derlanden packte die aus Villingen- Schwenningen stammende Organisa- tionspsychologin das Heimweh nach grünen Hügeln, der deutschen Sprache und der Lebensart des Südens. Sie landete am Bodensee. An der privaten Zeppelin-Universität in Friedrichshafen baute sie gut zwei Jahre lang berufs- begleitende Masterprogramme mit auf. Gemeinsam im Team etwas Neues entwickeln: „Das schafft ein schönes Gemeinschaftsgefühl“, wie sie es jetzt wieder in Freiburg erlebt. Auf das Kon- zept des University College stieß sie noch während ihrer Zeit in Maastricht: Beim Surfen auf der UCF-Website ent- deckte sie im vergangenen Sommer, dass die Position der akademischen Geschäftsführung neu zu besetzen war. Da sie familiär nicht gebunden war, war ein weiterer Neuanfang für sie kein Problem. Im UCF warten eine Menge Premi- eren auf sie: Die Studierenden des ersten Jahrgangs sind gerade dabei, ihre Bachelorarbeiten zu schreiben. Bei der ersten Graduierungsfeier wer- den sie ihre Zeugnisse erhalten. „Diese Studierenden sind die Ersten, die rausgeschickt werden. Wir werden ein Alumni-Netzwerk aufbauen, damit sie miteinander und mit uns in Kontakt bleiben.“ Glunk wird beim nächsten Bewerbungsverfahren mitentscheiden müssen. Etwa 300 Bewerbungen auf 80 Studienplätze sind in den Vorjahren eingegangen. Und sie wird „Anträge schreiben, um an Geld zu kommen, das uns hilft, uns inhaltlich weiterzu- entwickeln“. Auch international tut sich einiges: So bahnt sich zum Bei- spiel gerade eine Kooperation mit einer japanischen Universität an. Ursula Glunk sucht nach Worten. Im- mer wieder schleichen sich englische Vokabeln in ihren temperamentvollen Redefluss, und die Sprachmelodie klingt mehr nach den Niederlanden oder Eng- land als nach Villingen-Schwenningen. Am UCF ist sie damit richtig: Der LAS- Studiengang ist englischsprachig – und taugt demzufolge kaum dazu, ihr Deutsch wieder auf Vordermann zu bringen. Aber da gibt es ja noch ihr neues Umfeld: den Fußweg von ihrer Wohnung in dem Stadtteil Wiehre zu ihrem Arbeitsplatz in der Alten Univer- sität. Und neue Freundinnen und Freunde zu finden dürfte der kontakt- freudigen akademischen Geschäftsfüh- rerin des UCF auch nicht schwerfallen. Ursula Glunk schätzt die Gestaltungsmöglichkeiten ihrer neuen Stelle. Foto: Thomas Kunz Lust auf Neues Ursula Glunk ist für die Lehre am University College Freiburg zuständig www.ucf.uni-freiburg.de www.botanischer-garten.uni-freiburg.de 022016

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