01 2014 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 6 forschen von Claudia Füßler Gut eine Woche hat es gedauert, dann waren zehn Millionen Mo- leküle getestet. Als mögliche Kandi- daten für weitere Untersuchungen ha- ben sich 20 von ihnen qualifiziert. Das sei eine Arbeit, die der Mensch allein nicht schaffen könne, deshalb stecke in diesem Verfahren ein ungeheures Potenzial, sagt der Bioinformatiker Dr. Stefan Günther vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften. Der Juniorprofessor leitet das Projekt des Sonderforschungsbereichs Medi- zinische Epigenetik, das Medikamente gegen Leukämie finden soll. Mit dem so genannten In-silico-Screening haben die Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler nun eine vielversprechende Substanz ausfindig gemacht: Der Wirk- stoff XD14 blockiert einige Proteine der BET-Familie und verhindert so, dass sich Leukämiezellen ungebremst weiter teilen und den Körper schädigen. Rechner trifft Vorauswahl Die Bezeichnung „In-silico-Screen- ing“ ist eine Anspielung auf die Com- puterchips, die meist auf Siliziumbasis hergestellt werden. Das Verfahren wird auch „virtuelles Screening“ genannt. Die Berechnungen, die der Computer beim Scannen aller potenziell hilfrei- chen Moleküle anstellen muss, sind derart aufwendig, dass sie in einem Rechnerverbund baden-württember- gischer Universitäten realisiert wer- den, dem so genannten bwGRID. „Der Rechner hat für uns eine Vorauswahl getroffen und analysiert, welche Mole- küle aus der gigantischen Masse von Molekülen für uns interessant sein könnten. Diese haben wir uns dann in Experimenten genauer angeschaut“, erklärt Günther. Das funktioniert al- lerdings nur, wenn die Prozesse, die sich bei einer Krankheit in der Zelle abspielen, bereits gut verstanden sind. Wenn die Forschenden ein bestimm- tes Protein unter Verdacht haben, das sie beeinflussen wollen, können sie den Rechner mit diesem Wissen füt- tern und ihn testen lassen, wie sich die unterschiedlichen Wirkstoffe auf besagtes Protein auswirken würden. Biologie mit mathematischen Modellen zu beschreiben ist für Günther schon immer reizvoll gewesen. Bereits in seiner Doktorarbeit an der Berliner Charité und während seiner Post-doc- Zeit an der Berliner Humboldt-Univer- sität habe er sich mit Modellen der Bioinformatik beschäftigt; die Stelle in Freiburg sei daher perfekt auf ihn zugeschnitten gewesen. Unter den 20 theoretisch passenden Molekülen, die der Computer für Gün- ther und seine Kollegen in der Arbeits- gruppe Pharmazeutische Bioinformatik herausgefiltert hat, waren tatsächlich einige Treffer. „Im praktischen Expe- riment haben wir festgestellt, dass sieben Substanzen den gewünsch- ten Effekt hatten und mit dem Protein reagierten. Sie waren Schlüssel, die mehr oder weniger gut in das Schloss des Proteins passten.“ Den am besten passenden Schlüssel XD14 haben die Wissenschaftler unter anderem an 60 verschiedenen Arten von Krebszellen getestet. Dabei haben sie herausge- funden, dass XD14 die Teilung von Leukämiezellen stark behindern kann. ob der Wirkstoff tatsächlich die Grund- lage für ein neues Medikament sein kann, wird zurzeit untersucht. Erste Tierstudien haben gezeigt, dass XD14 nicht giftig wirkt – damit sei schon mal eine wichtige Voraussetzung gegeben, sagt Günther. „Jetzt wird die Wirkung an Tieren getestet, die die Form von Leukämie haben, die wir damit zu be- kämpfen hoffen.“ Dabei muss auch die Frage geklärt werden, inwieweit nicht nur die Krebszellen, sondern auch die gesunden Zellen im Körper auf das Blockieren des Proteins reagieren. Mentales Training bringt auf Ideen Die Erforschung der molekularen Mechanismen von Krankheiten und das Auffinden neuer Medikamente ist die Hauptaufgabe des Sonder- forschungsbereichs Medizinische Epigenetik. Etwa 20 Arbeitsgruppen der Albert-Ludwigs-Universität, des Universitätsklinikums und des Max- Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik beschäftigen sich mit Faktoren, die bestimmen, wie die Gene in der Zelle abgelesen werden. Die Teams untersuchen, wie sich die- se Merkmale im Laufe eines Lebens verändern oder weitervererbt werden können. Ideen für neue Ansätze holt sich Stefan Günther übrigens weder am Rechner noch im Labor, sondern auf der Laufstrecke. Zurzeit trainiert er für den Freiburg-Marathon, den er in unter vier Stunden laufen will: „Das ist ein guter Ausgleich für mich, mein mentales Training an der frischen Luft.“ Und ab und an fällt ihm dabei ein, auf welches Protein er den Rechner als Nächstes ansetzen will. Knapp eine Woche, zehn Millionen getestete Moleküle: Mit dem In-silico-Screen- ing hat Stefan Günther (rechts) zusammen mit seiner Arbeitsgruppe die viel ver- sprechende Substanz XD14 ausfindig gemacht. FoTo: SANDRA MEYNDT http://portal.uni-freiburg.de/magres Die Deutsche Forschungsgemein- schaft hat die Förderung für die Forschergruppe 1296: „Diversity of Asymmetric Thiamine Catalysis“ um weitere drei Jahre verlängert. Neben der Universität Freiburg als Spre- cherhochschule sind die Universitä- ten Göttingen, Leipzig und Stuttgart sowie das Forschungszentrum Jülich und die Rheinisch-Westfälische Tech- nische Hochschule Aachen Teil der Forschergruppe. Das Team erhält in der zweiten Förderperiode etwa zwei Millionen Euro. Es untersucht Thia- mindiphosphat-abhängige Enzyme, die eine wichtige Rolle im Stoffwech- sel von organismen spielen und eine Bandbreite von Reaktionen herbeifüh- ren sowie beeinflussen. Die Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler wollen beispielsweise herausfinden, wie diese Enzyme Kohlenstoff-Koh- lenstoff-Verbindungen aufbrechen oder entstehen lassen. Ziel ist es, die Bedingungen zu definieren, die be- stimmte Transformationen fördern. Förderung für Enzymforschung verlängert Moleküle unter Verdacht Forscher untersuchen einen Wirkstoff, der verhindert, dass sich Leukämiezellen ungebremst weiter teilen und den Körper schädigen Der Magnetresonanz-Verbund der Universität Freiburg (MagRes) erhält drei Millionen Euro, um die Spek- trometer-Ausstattung im Laufe des Jahres zu erweitern und zu erneuern. An der Investition beteiligen sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Struktur- und Innovationsfonds des Landes Baden-Württemberg und die Albert-Ludwigs-Universität. Mit- glieder der Fakultät für Chemie und Pharmazie hatten den Antrag für das Vorhaben ausgearbeitet. Zu den Ma- gnetresonanzverfahren gehören die Kernspinresonanz und die Elektro- nenspinresonanz. Forscherinnen und Forscher aus den Naturwissenschaf- ten setzen diese Verfahren ein, um die geometrischen und elektronischen Strukturen von Molekülen und Werk- stoffen aller Art detailliert zu unter- suchen. Im MagRes-Verbund haben sich die Nutzerinnen und Nutzer der hochempfindlichen Spektrometer an der Universität Freiburg organisiert. Millionen für Magnetresonanz- Verbund Geologie in Sekunden: Wie Forscherinnen und Forscher Meteoriteneinschläge im Miniatur- format simulieren, um das Entstehen von Kratern zu begreifen. Das Zwerchfell tanzt mit: Was im Körper von Blasmusike- rinnen und Blasmusikern passiert, wenn sie ihr Instrument spielen. Lesen Sie auf Surprising Science: www.surprising-science.de Euro1) 0, Bezügekonto für den öffentlichen Sektor Seit ihrer Gründung als Selbsthilfeeinrichtung für den öffentlichen Dienst im Jahre 1921 betreut die BBBank erfolgreich Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor und ist mit einem besonderen Produkt- und Dienstleistungsangebot bis heute bevorzugter Partner der Beschäftigten des öffentlichen Sektors. 0,– Euro Bezügekonto1) • Kostenfreie Kontoführung inkl. BankCard und viele weitere attraktive Extras! 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