03 2012 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7campus Würstchen und schwarz-rot-goldene Haare nspektakel. Wie stehen Freiburger Studierende zu dem Sportevent? Christoph Rüßler, Philosophie, Ethik, Deutsch und Latein, 13. Semester Ich habe bereits die Qualifikations- runden zum größten Teil gesehen und freue mich schon seit einem halben Jahr darauf, dass es endlich losgeht. Leider gibt es in diesem Jahr kein Pub- lic Viewing im Eschholzpark. Trotzdem werde ich die Spiele auf jeden Fall mit vielen jubelnden Leuten ansehen. Das Gemeinschaftserleben ist wichtig. In- mitten der Menge macht es einfach mehr Spaß. Dominik Niesen, Biologie, 8. Semester Dass der Eschholzpark für Public Viewing ausfällt, ist schade. Deshalb werde ich die Spiele wahrscheinlich zuhause mit guten Freunden ansehen. Das wird sicher toll, auch wenn mir die Atmosphäre des Public Viewing fehlen wird. Um die Spannung zu steigern, veranstalten wir im Freundeskreis ein kleines Wettspiel. Gewettet habe ich auf Spanien, wünsche mir aber den EM-Sieg für Deutschland. Alexander Kraemer, Jura, 4. Semester Public Viewing ist super, so lange es sich nicht nur auf Saufen und Grölen beschränkt. Ich möchte die Spiele von der ersten bis zur letzten Minute genie- ßen können. Klar, meine Freunde und ich werden Bier trinken, aber der Sport steht dabei im Vordergrund. Ich denke, Deutschland hat gute Chancen auf den Titel, wenn sie es schaffen, gegen Hol- land und Portugal zu gewinnen. Katharina Huernes, Germanistik und Ethnologie, 4. Semester Ich werde mir die Deutschland- spiele und ab dem Halbfinale auch die anderen Spiele ansehen. Da ich keinen Fernseher habe, gehe ich zum Public Viewing in den Mensagarten oder in eine Kneipe. Ich hoffe, dass Deutschland gewinnt oder dass es we- nigstens nicht peinlich wird. Peinlich wäre, schon zu Anfang rauszufliegen oder gegen Holland zu verlieren. Um meinen Fanstolz zu zeigen, würde ich mir die Haare schwarz-rot-gold färben, aber die Farben schmeicheln meinem Teint einfach nicht. Kira Urschinger, Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaften und Europäische Ethnologie, 6.Semester Ich werde mir die EM auf jeden Fall anschauen. Das ist ein gutes Argu- ment für eine Auszeit von der Bache- lorarbeit. Außerdem werde ich für das Uniradio echoFM über die Ergebnisse der deutschen Nationalmannschaft berichten. Die Spiele schaue ich mit Freunden an – wo genau, wird sich zeigen. Gerne beim Public Viewing oder in einer Kneipe, bei gutem Wetter auch zwischen Grill und Mattscheibe – denn zumindest im Würstchen-auf- den-Grill-Legen sind wir Deutschen ganz bestimmt Europameister. Auf den Spuren von Chaucers,,Canterbury Talesʻʻ Acht Studierende erfahren die sinnliche Dimension des Mittelalters von Anita Rüffer Sie hätten natürlich auch zu Fuß und in Holzpantinen von London nach Canterbury schlurfen können. Damit wären sie dem echten Mittelalter-Fee- ling schon ziemlich nahe gekommen. Doch in fünf Tagen wäre das wohl kaum zu schaffen gewesen. Und nicht einmal die Pilger aus Geoffrey Chaucers „Can- terbury Tales“, dem berühmtesten Werk der mittelalterlichen englischen Litera- tur, waren zu Fuß unterwegs, sondern auf Pferden. Die Fantasie jedenfalls kannte zunächst keine Grenzen, als die acht Studierenden des Masterstu- diengangs „Mittelalter- und Renais- sance-Studien“ beim Mittagessen in der Mensa zusammensaßen und sich Gedanken über mögliche Inhalte und Ziele einer anstehenden Pflichtexkur- sion nach England machten. Schnell stand fest, dass sie sich von den „Can- terbury Tales“ inspirieren lassen wollten, die Chaucer vor mehr als 600 Jahren verfasste. Ein grenzüberschreitendes Unternehmen Immerhin gab es Parallelen: Wie die 29 Pilger, die zufällig in einem Wirts- haus bei London zusammentrafen und beschlossen, gemeinsam zum Schrein des heiligen Thomas Becket in Canterbury zu pilgern, sind auch die acht Mittelalter-und- Renaissance- Studierenden eine bunt zusammenge- würfelte Truppe mit unterschiedlichen Hauptfächern und aus allen möglichen Herkunftsländern. „Das war eine gute Gruppenzusammensetzung“, sagt die Schweizerin Laura Frei, eine der Organisatorinnen der Exkursion. „Wir kennen einander, und wir kennen un- sere unterschiedlichen Stärken.“ Sie beschlossen, sich auf ihrer Reise ge- genseitig „Geschichten“ zu erzählen wie ehemals Chaucers Pilger. Jeder bereitete sich auf ein Thema vor, von Übernachtungsmöglichkeiten für Wall- fahrer über Stätten der Verehrung bis hin zu Reliquien und Heilige. Verschie- dene Perspektiven und Erfahrungs- hintergründe machten die Reise zu einem wahrlich grenzüberschreitenden Unternehmen. Auf den Spuren des mittelalterlichen Londons Im Oktober vergangenen Jahres war es so weit: Eine knappe Woche waren sie unterwegs, mit Flieger, Bussen und Bahnen und ein wenig auch zu Fuß. Zum Beispiel auf den Spuren des mit- telalterlichen Londons, über dessen winzige Ausmaße sie ebenso staunten wie über die alles beherrschende Ka- thedrale im kleinen Canterbury. Das Mittelalter, das sie bislang vor allem über abstrakte lateinische und theo- logische Texte kennengelernt hatten, offenbarte den Reisenden seine sinn- liche Dimension: „In der Kathedrale konnte ich mir plötzlich das Blutbad vorstellen, das die Häscher des Königs bei der Ermordung des Erzbischofs Thomas Becket angerichtet haben“, graust es Laura Frei noch im Nach- hinein. Wie Chaucers Pilger sind die Freiburger Studierenden durch die Kathedrale gezogen, vorbei an den bunten Glasfenstern und an der Stelle, an der einst der während der Reforma- tion zerstörte Schrein des von vielen verehrten Märtyrers Thomas Becket stand. Anders als die mittelalterlichen Gläubigen waren sie dabei aber we- niger auf der Suche nach ihrem See- len- oder Körperheil. „Ich bin gar nicht gläubig“, bekennt Frei. Wie ihre Mitrei- senden behielt sie bei allen sinnlichen Eindrücken ihren wissbegierigen Blick auf die Dinge, die ihnen begegneten. Als Glücksfall erwies sich, dass zu dieser Zeit im Britischen Museum eine Tagung und eine Sonderausstellung stattfanden, die sich mit Heiligenkult und Reliquien auseinandersetzten. Nicht fehlen durfte auch ein Besuch in der British Library, wo die Studie- renden in einer Schatzkammer auf ein Original-Chaucer-Manuskript stießen. Direkt daneben einige Liedtexte der Beatles, die Paul McCartney oder John Lennon einst auf einen Fetzen Papier gekritzelt hatten. Die eigenstän- dig organisierte Exkursion sei nicht nur viel Arbeit gewesen: „Es hat Spaß gemacht, und wir haben viel gelernt“, bekräftigt die Niederländerin Hannah Witteveen, ebenfalls eine der Orga- nisatorinnen. Wer weiß, ob sie nicht später einmal Mittelalterreisen organi- sieren werden. www.freunde.uni-freiburg.de Mittelalterliches Pilgerabzeichen von Canterbury im Museum von London Mit diesen mittelalterlichen Holzpantinen lässt es sich schlecht pilgern. Verband der Freunde Die Exkursion wurde vom Verband der Freunde der Universität Frei- burg gefördert. Der gemeinnützige Verein wurde 1925 gegründet, um bedürftigen Studierenden zu helfen. Mit seinen etwa 800 Mitgliedern und den von ihm verwalteten Stiftungen unterstützt er auch heute noch vor allem Studierende, zum Beispiel mit finanziellen Hilfen bei Exkursionen und Forschungsvorhaben oder Exa- mensstipendien und Preisen für her- vorragende Leistungen.