03 2013 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 4 von Claudia Füßler Stellen Sie sich vor, Sie müssen we- gen einer Routinesache ins Kran- kenhaus. Sie wissen: Das ist ein klei- ner Eingriff, dann geht es mir ruckzuck besser. Tatsächlich aber geht es Ihnen plötzlich lebensbedrohlich schlecht – schuld daran können Infektionen mit resistenten Bakterien sein.“ Das Sze- nario, das Dr. Karen Lienkamp zeichnet, klingt beängstigend, ist aber zu oft Re- alität: Etwa 25.000 Menschen sterben jedes Jahr in Europa, weil sie sich in Krankenhäusern mit resistenten Bakte- rien infiziert haben. Die 900 Millionen Euro jährlich, die in der Europäischen Union durch diese Bakterien an zusätz- lichen Kosten entstehen, könnten gut woanders eingesetzt werden, findet Lienkamp. Kampf gegen die „Viecher“ Deshalb hat die Chemikerin, die zurzeit als Junior Fellow am Frei- burg Institute for Advanced Studies (FRIAS) arbeitet, den resistenten Bakterien den Kampf angesagt. Oder, wie Lienkamp sagen würde: den „Vie- chern“. Besagte Viecher wandern ger- ne über all die Dinge ein, die direkt mit dem menschlichen Körper verbunden sind: über einen Zentralvenenkatheter zum Beispiel, einen Urinkatheter oder ein medizinisches Implantat. „Schon ein Bakterium reicht, damit sich inner- halb eines Tages ein Biofilm bilden kann“, sagt Lienkamp. In solch einem Biofilm sind Bakterien sowohl vor dem menschlichen Immunsystem als auch vor Antibiotika geschützt. Lienkamp und ihr Team am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) ent- wickeln daher neue Oberflächen für Infusionsschläuche oder Implantate, die zwei Dinge können: Sie verhindern zum einen, dass sich die tödlichen Bakterien überhaupt auf ihnen an- siedeln, und sind zum anderen in der Lage, diese abzutöten, wenn es doch passieren sollte. Gleichzeitig müssen die Oberflächen für den menschlichen Körper verträglich sein. „Dafür brau- chen wir eine so genannte selektive Toxizität, also Strukturen, die für die Bakterien tödlich sind, die körpereige- nen Zellen aber nicht schädigen.“ Über diese selektive Toxizität verfü- gen zum Beispiel antimikrobielle Pepti- de, kurz AMPs, die in praktisch jedem Organismus vorkommen. Sie haben auf der einen Seite hydrophile, also wasserliebende, auf der anderen Seite hydrophobe, also wasserabweisende Gruppen. Die wasserliebende Seite ist positiv geladen. Das wird dem Bakteri- um, das negativ geladen ist, zum Ver- hängnis. Dockt das Peptid bei ihm an, entstehen Löcher – die Zelle läuft aus und stirbt. „Das Gute ist, dass sich die Bakterien nicht so schnell an die AMPs anpassen können“, sagt Lienkamp. „Sie müssten ihre komplette Chemie umbau- en, um keine negativ geladene Mem- bran mehr zu haben. Das wiederum wäre unklug, denn dadurch würden sie sichtbarer für unser Immunsystem. So wird eine Resistenzbildung verhindert.“ Da die meisten Membranen mensch- licher Zellen neutral sind, können die Peptide ihnen nichts anhaben. Die AMPs sind nicht im großen Maßstab herstellbar. Auf der Suche nach synthetischen Alternativen ist Lienkamp während ihrer Zeit als Postdoc fündig geworden. Im La- bor von Prof. Dr. Greg Tew an der University of Massachusetts Am- herst/USA entwickelte sie neuarti- ge Polymere – die SMAMPs. „Wir haben den Polymeren beigebracht, sich wie Peptide zu verhalten. Die SMAMPs sind sogar stabiler und besser zu verarbeiten als ihre na- türlichen Vorbilder. Das macht sie für medizinische Anwendungen at- traktiv“, sagt die 34-jährige Wissen- schaftlerin, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein För- derpaket des Emmy-Noether-Pro- gramms erhalten hat. Mit der aus diesen Mitteln aufgebauten Nach- wuchsgruppe am IMTEK will sie jetzt die SMAMPs an Oberflächen binden und langfristig medizinische Geräte damit beschichten. „Wir brauchen eine Schicht, die dem Bakterium sig- nalisiert: Das ist keine gute Idee, sich hier niederzulassen, und wenn du es trotzdem tust, töte ich dich ab.“ Die Oberflächen werden in Koope- ration mit den Teams von Privatdo- zent Dr. Ali Al-Ahmad und Prof. Dr. Pascal Tomakidi aus der Zahnklinik des Universitätsklinikums Freiburg getestet. Auch wenn die ersten Er- gebnisse vielversprechend sind: Bis zur Anwendung in der Praxis werden noch viele Jahre vergehen. „Es kann durchaus sein, dass das Endergebnis dann einmal völlig anders aussieht als das, was wir jetzt im Labor ma- chen“, sagt Lienkamp. „Aber wenn es langfristig dabei hilft, dass die Zahl der Menschen, die an den resisten- ten Bakterien sterben, sinkt, bin ich schon mal sehr zufrieden.“ Drei Millionen Euro über einen Zeit- raum von drei Jahren: Das Tumorzen- trum Freiburg (Comprehensive Cancer Center Freiburg – CCCF) war bei der Ausschreibung der Deutschen Krebs- hilfe für Onkologische Spitzenzentren zum zweiten Mal erfolgreich. Ein in- ternationales Gremium bescheinigte dem Zentrum eine hohe Qualität der Versorgung der Krebspatientinnen und -patienten. In die Betreuung von Tumorpatienten am CCCF gehen die Fachkompetenzen aller Disziplinen ein, die an der Diagnostik und Therapie onkologischer Erkrankungen beteiligt sind. Ziel ist es, Grundlagen-, transla- tionale und klinische Forschung, die zu neuen Krebstherapien führt, zu fördern und zu integrieren. Forschungspro- gramme, die Gruppen aus der Medi- zinischen Fakultät, der Biologischen Fakultät und des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik einschließen, sollen den Weg neuer Erkenntnisse vom Labor zum Kranken- bett verkürzen. Tumorzentrum positiv begutachtet forschen Neue Oberflächen gegen gefährliche Erreger Die Chemikerin Karen Lienkamp will Infusionsschläuche und Implantate so beschichten, dass sich auf ihnen keine resistenten Bakterien ansiedeln können Karen Lienkamp (Mitte) will mit ihrer Forschung dazu beitragen, dass künftig in Krankenhäusern weniger Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien sterben. FOTO: HANSPETER TREFZER Grundlegend erforschen, warum das Immunsystem bei einigen Krankheiten gegen den eigenen Körper vorgeht, und Ansätze für Therapien entwickeln: Das ist das Ziel des Sonderforschungsbe- reichs/Transregio „B-Zellen: Immunität und Autoimmunität“ (SFB/TRR 130), den die Deutsche Forschungsgemein- schaft (DFG) neu bewilligt hat. Das Projekt läuft in der ersten Förderphase ab dem 1. Oktober 2013 für knapp vier Jahre. Sprecherhochschule ist die Uni- versität Erlangen-Nürnberg. Freiburger Standortsprecher ist der Immunbiologe Prof. Dr. Michael Reth, der auch Spre- cher des Exzellenzclusters BIOSS Cen- tre for Biological Signalling Studies der Albert-Ludwigs-Universität ist. In Frei- burg sind außerdem das Universitäts- klinikum sowie das Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik am SFB/TRR 130 beteiligt. Die exakte För- dersumme steht noch nicht fest. Nach Angaben der DFG erhalten Sonderfor- schungsbereiche durchschnittlich etwa 2,4 Millionen Euro jährlich. Neuer Sonderforschungsbereich zu Immunität und Autoimmunität Georg Mehl, Ehrensenator der Uni- versität Freiburg, stiftet den mit 2.500 Euro dotierten Peter Schlechtriem- Preis für die nächsten zehn Jahre. Mit der Auszeichnung werden von nun an jedes Jahr herausragende Disserta- tionen und Habilitationsschriften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg prämiert. Dozie- rende der Fakultät können alljährlich Kandidatinnen und Kandidaten vor- schlagen. Berücksichtigt werden wis- senschaftliche Arbeiten auf den Ge- bieten Schuldrecht, Haftungsrecht und Privatversicherungsrecht. Namensge- ber des Nachwuchsförderpreises ist der ehemalige Kodirektor des Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht der Albert-Ludwigs-Univer- sität, Prof. Dr. Peter Schlechtriem. Georg Mehl stiftet Förderung für Nachwuchsjuristen Neue, wirksame Antibiotika ent- wickeln: Die Infektiologie am Uni- versitätsklinikum Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Winfried Kern ist Projektpartner eines neuen Kon- sortiums, das von der Europäischen Union und der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations mit 29,3 Millionen Euro für fünf Jahre gefördert wird. Im Rah- men der Initiative TRANSLOCATION erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Pharmazie, In- fektiologie, Mikrobiologie und Biophysik, wie Antibiotika in Bakterien hinein- und wieder aus ihnen herausgelangen. Die Forscherinnen und Forscher untersu- chen an multiresistenten Erregern wie Escherichia coli und Klebsiella pneu- moniae die molekularen Mechanismen, die die Aufnahme von Antibiotika ver- hindern oder diese aus den Zellen ent- fernen, bevor die Stoffe ihre Wirkung entfalten können. 29,3 Millionen Euro für ein Forschungskonsortium www.tumorzentrum-freiburg.de B-Zellen zählen zu den weißen Blutkörperchen und können als einzige Zellen Antikörper bilden. FOTO: INA STUMPF