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uni'leben 03-2013

03 2013 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 5forschen von Katrin Albaum Kathy wurde geboren, um jung zu sterben. Das Mädchen wächst in einem behüteten Umfeld auf, besucht ein englisches Internat und wandert gerne durch die abgeschiedene Natur. Doch ihr Leben ist alles andere als si- cher: Als sie Anfang 30 ist, entnehmen ihre Mitmenschen ihr ein Organ nach dem anderen. Denn Kathy ist ein Klon, der nur zu diesem Zweck erschaffen wurde. Für andere Menschen ist sie ein wandelndes Ersatzteillager. Diese antiutopische Gesellschaft entspringt der Vorstellungskraft des britischen Au- tors Kazuo Ishiguro und ist Teil seines Buches „Never Let Me Go“. Die Frei- burger Anglistin Sita Maria Kattanek analysiert in ihrer Dissertation diesen Roman und zahlreiche weitere Darstel- lungen von Organtransplantationen in fiktionaler Literatur. In Ishiguros Text ist die Transplantation ein Symbol für das gesellschaftliche Zusammenleben, sagt Kattanek: „Organtransplantationen teilen Menschen in Gruppen ein, zum Beispiel in Originale und Klone oder in Menschen, die leben dürfen, und sol- che, die sterben müssen. Eine Meta- pher für Trennungslinien der globalisier- ten Welt, die Ishiguro kritisiert.“ Die Anglistin erforscht die Transplan- tation als ein globales Phänomen, denn die Grenze zwischen lebendig und tot ist nicht in jeder Kultur die gleiche. In Deutschland zum Beispiel gilt der Hirn- tod als ausschlaggebendes Kriterium. Für viele Japaner dagegen besteht der Tod aus einem Kontinuum mit verschie- denen Phasen: Sie glauben, dass ein Mensch nur vollständig sterben kann, wenn der Körper unversehrt ist. Aus diesem Grund sind nur wenige Japaner bereit, Organe zu spenden. „Das Ver- fahren der Transplantation setzt voraus, dass alle dieselbe Definition von Tod akzeptieren“, erklärt Kattanek. In ei- nem Theaterstück des Japaners Tomio Tada geht es beispielsweise um einen Fischer, dessen Herz entnommen wird. Daraufhin hängt er zwischen den Wel- ten fest – während des ganzen Stücks schwebt er über der Bühne. Ein Körper ist kein Plastikbecher Neben der Gesellschaftskritik gibt es zwei weitere Motive, die oft in der Literatur über Transplantationen vor- kommen: den Organraub, der meist in Spannungsliteratur zu finden ist, und das Organ als Verbindung zwischen zwei Menschen. Das letztere Motiv grei- fen viele Liebesromane auf. „Manche Autorinnen und Autoren kombinieren diese drei Spielarten aber auch oder führen sie ad absurdum“, erläutert Kat- tanek. In der Sprache hat sie Metaphern entdeckt, die immer wieder auftauchen. In jüngeren Werken wird Organtrans- plantation oft verächtlich als „Recycling des Körpers“ verstanden: „Der Körper sei doch kein Plastikbecher, finden sol- che Autoren.“ Andere sehen das Recy- celn des Körpers als einen bewussten Umgang mit knappen Ressourcen und bewerten es positiv. Pflanzenmetaphern verwenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller ebenfalls häufig. Sie be- zeichnen die Organentnahme als „Ernte“ oder spielen mit dem Begriff „einpflan- zen“. „Das suggeriert etwas Natürliches und kehrt negative Bedeutungen unter den Teppich“, sagt die Anglistin. Laut Kattanek gibt es jedoch kaum Texte, die Organtransplantation als ein vollkommen unproblematisches Verfah- ren darstellen. Die literarischen Werke erforschen mögliche Gefahren und wer- fen soziopolitische Fragen auf. „Der me- dizinische Diskurs ignoriert diese Sor- gen oft und nimmt fälschlicherweise an, dass technologische Verbesserungen gleichbedeutend mit moralischem Fort- schritt sind.“ Die Verbindung von zwei unterschiedlichen Disziplinen fasziniert Kattanek: „Ich finde es spannend, dass Literatur ein naturwissenschaftliches Thema aufgreift und wie zukunftswei- send die Szenarien der Autoren sind.“ Nieren, Leber, Lunge, Herz: Organtransplantationen sind nicht nur Thema in zahlreichen Anatomie-Lehr- büchern. Auch Autoren von Romanen und Theaterstücken beschäftigen sich mit der Organspende – und ihren möglichen Problemen. FOTOS: THOMAS KUNZ dass alle dieselbe Definition von Tod akzeptieren“, erklärt Kattanek. In ei- nem Theaterstück des Japaners Tomio Tada geht es beispielsweise um einen Fischer, dessen Herz entnommen wird. Daraufhin hängt er zwischen den Wel- ten fest – während des ganzen Stücks schwebt er über der Bühne. Ein Körper ist kein Plastikbecher es zwei weitere Motive, die oft in der Literatur über Transplantationen vor- kommen: den Organraub, der meist in Spannungsliteratur zu finden ist, und das Organ als Verbindung zwischen zwei Menschen. Das letztere Motiv grei- fen viele Liebesromane auf. „Manche Autorinnen und Autoren kombinieren diese drei Spielarten aber auch oder Organtransplantationen sind nicht nur Thema in zahlreichen Anatomie-Lehr- büchern. Auch Autoren von Romanen sich mit der Organspende – und ihren Tod ist nicht gleich Tod Wie Autoren das Thema Organtransplantation in Romanen, Gedichten und Theaterstücken darstellen Wie lassen sich Computernetzwer- ke in Zukunft effizient und zuverlässig gestalten, um der steigenden Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern, Daten und neuen Anwendungsmöglichkei- ten gerecht zu werden? Dies ist eine der zentralen Fragen des Projekts „Algorithms and Complexity of Highly Decentralized Computations“, für das Prof. Dr. Fabian Kuhn, Inhaber des Lehrstuhls Algorithmen und Komple- xität am Institut für Informatik der Uni- versität Freiburg, vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen Starting Grant für zukunftsweisende Projekte erhält. Mit der auf fünf Jahre angeleg- ten Förderung in Höhe von 1,148 Mil- lionen Euro wird sich Kuhn aus einer abstrakten, theoretischen Perspektive insbesondere auf dezentral organisier- te Netzwerke und Computersysteme konzentrieren. Eine der Herausforde- rungen liegt darin, zu verstehen, wie Kommunikation und Aufgabenvertei- lung gestaltet werden müssen, sodass Netzwerke ohne zentrale Steuerungen auskommen und jede Komponente nur einen Teil des großen Ganzen abde- cken muss. Informatiker erhält Starting Grant des Europäischen Forschungsrats von Martin Jost PISA – damit assoziieren die meis- ten Deutschen, womöglich noch vor der italienischen Stadt mit dem schie- fen Turm, eine Studie zu Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern. Das Pendant für Erwachsene, die sich in der Regel auf dem Arbeitsmarkt ihres jeweiligen Landes bewähren müssen, heißt PIACC. „Wir wissen, was in den Schulen passiert, und wir haben Infor- mationen über den Arbeitsmarkt. Aber bei der Verknüpfung gibt es ein großes Defizit“, sagt Bernd Fitzenberger, Pro- fessor für empirische Wirtschaftsfor- schung und Ökonometrie an der Uni- versität Freiburg. Bildungsforschung auf regionaler Ebene Wie sich Schüler später im Berufs- leben weiterentwickeln und welche in der Schule erworbenen Kompetenzen sich im Leben am meisten auszahlen, ist im großen Stil noch nicht erforscht. Man müsse ganze Bildungskarrieren betrachten, um bewerten zu können, wie sich bestimmte Maßnahmen in der Schule auf die späteren Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer auswirken. Aus Datenschutzgründen ist es bisher nicht möglich, administrativ erhobene Daten aus dem Bildungssystem mit Arbeitsmarktdaten zu verknüpfen. Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen sie also selbst erheben. 2007 fanden nur zehn Prozent der Absolventinnen und Absolventen von Freiburger Hauptschulen nach der 9. Klasse einen Ausbildungsplatz. Das städtische Projekt „Erfolgreich in Aus- bildung“ sollte mit zusätzlichen Ange- boten zur Berufsorientierung in den letzten beiden Hauptschulklassen der schlechten Quote entgegensteuern. Bernd Fitzenberger war mit der „Er- folgsmessung“ betraut. Als Kooperati- onspartner der Arbeitsagentur Freiburg befragte sein Team die Jahrgänge, die 2007 und 2008 in die 8. Klasse gingen – zweimal während ihrer Schulzeit und zweimal nach Abschluss der Haupt- schule. Darunter waren sowohl Frei- burger Schüler, denen die verstärkte Berufsorientierung zuteilwurde, als auch eine Kontrollgruppe aus Haupt- schulen im Umland. Ein wesentlicher Befund lautete, dass bei Weitem nicht alle Hauptschul- absolventen im Anschluss eine Berufs- ausbildung anstrebten. „Etwa 50 Pro- zent wollten von vornherein zuerst mal eine weiterführende Schulausbildung“, sagt Fitzenberger. „Das relativiert na- türlich die Zahl derer, die den Über- gang nicht schaffen.“ Das heißt aber auch: Der Anteil der Schüler, die einen direkten Übergang in die Berufsausbil- dung vollzogen, war eine wenig aus- sagekräftige Steuerungsgröße. „Die Politik hat schon an den Stellschrau- ben gedreht, bevor unsere Ergebnisse überhaupt vorlagen“, berichtet Fitzen- berger. „Unsere Forschung braucht Zeit, und so viel Zeit haben Politike- rinnen und Politiker meist nicht, da sie Entscheidungen zu bestimmten Zeit- punkten treffen müssen.“ Bildungsforschung ist Arbeitsmarkt- forschung. „Aus Sicht des Ökonomen ist das Bildungssystem die Vorberei- tung junger Menschen auf den Arbeits- markt.“ Und der Arbeitsmarkt befin- det sich im Spannungsfeld zwischen Grundlagenforschung und Anwen- dungsbezug. Entscheidungsträgerin- nen und -träger bitten den Wirtschafts- wissenschaftler oft um seine Expertise. Fitzenberger beriet das Bundesminis- terium für Arbeit und Soziales zu Min- destlöhnen und lieferte Analysen der kurz- und längerfristigen Wirkungen von Weiterbildungsmaßnahmen für die Bundesagentur für Arbeit. Außer- dem untersuchte er die Entwicklung der Lohnungleichheit für den Sach- verständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Keine Illusionen, aber klare Ergebnisse „Ich mache mir natürlich keine Illusi- onen über den Einfluss, den man als Wissenschaftler nehmen kann“, sagt er. „Aber meine Forschungsergebnisse legen nahe, dass Weiterbildungsmaß- nahmen auf lange Sicht besser wirken, als dies die meiste Zeit über in der po- litischen Debatte unterstellt wurde.“ Grundlagenforschung und zugleich Suche nach Erfolgsrezepten: Diesen Ansatz soll auch das Schwerpunktpro- gramm „Der deutsche Arbeitsmarkt in einer globalisierten Welt“ beschreiten. Die Deutsche Forschungsgemein- schaft hat das Projekt im März 2013 bewilligt. Fitzenberger ist der Koordi- nator des Programms. Die Forscherin- nen und Forscher wollen untersuchen, warum der deutsche Arbeitsmarkt in der Wirtschaftskrise auffällig stabil geblieben ist. „Die Ränder der Ar- beitsmarktforschung sind sehr breit“, sagt der Wissenschaftler. Er hofft auf Projekte, die sich auch mit Bildungs- forschung beschäftigen werden. „Ar- beitsmarktforschung im Sinne unseres Antrags geht sogar bis zur frühkindli- chen Bildung.“ Bildungskarrieren betrachten Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Fitzenberger untersucht die Schnittstellen zwischen Schule und Arbeitsmarkt Gefragter Experte, relevante Forschung: Bernd Fitzenberger beriet unter anderem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Bundesagentur für Arbeit. FOTO: MARTIN JOST

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