03 2016 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 6 Die Dynamik zwischen Schülern erkennen, Konflikte auf dem Pausenhof schlichten, auf Elterngespräche vorbereiten: Viele angehende Lehrer unterschätzen die Anforderungen des Berufsalltags. FOTO: SyDA PRODUCTIONS/FOTOLIA lernen von Yvonne Troll Freiburg sieht für mich sehr histo- risch aus“, sagt Kasey Gallagher- Schmitz. Umso mehr habe es ihn über- rascht, dass große Teile der Stadt bei einem Bombenangriff im Zweiten Welt- krieg zerstört wurden. Für europäische Geschichte hat sich der 21-Jährige schon immer interessiert. In diesem Sommer hat er die Gelegenheit, noch mehr darüber zu lernen. Gallagher- Schmitz ist einer von 20 Studierenden der US-amerikanischen Harvard Uni- versity, die für knapp acht Wochen an die Albert-Ludwigs-Universität gekom- men sind, um nicht nur die Gegenwart Europas, sondern auch ihre Vergan- genheit zu erleben. „Die Lage Frei- burgs im Dreiländereck ist dafür ideal“, sagt Prof. Dr. Sven Beckert, der in Har- vard Geschichte lehrt und die Summer School organisiert hat. Die Zusammen- arbeit mit der Universität Freiburg habe sich außerdem in den vergangenen Jahren gut entwickelt, sodass es ein- fach gewesen sei, ein Sommerpro- gramm auf die Beine zu stellen. Drei Länder in drei Tagen: Das stand für die Teilnehmenden bereits in der ersten Woche auf dem Plan. Aus- flüge führten die Gruppe zur Maginot- Linie, der aus Bunkern bestehenden ehemaligen Verteidigungsstruktur in Frankreich, zur ehemaligen Synagoge und zum jüdischen Friedhof in Sulz- burg im Markgräflerland und zu einer kunstgeschichtlichen Tour durch das schweizerische Basel. Historische Themen wie der Zweite Weltkrieg und die Erinnerungskultur in Bezug auf den Holocaust sind Teile des Lehrplans, ebenso wie ein Besuch des ehemali- gen Konzentrationslagers Auschwitz in Polen. „Die Kernidee ist jedoch, den amerikanischen Studierenden zu zei- gen, wie Europäerinnen und Europäer die großen Probleme der Gegenwart diskutieren und bewältigen“, erklärt Beckert. Dazu gehören die Schwer- punkte Nachhaltigkeit, Privatsphäre und soziale Ungleichheit, zu denen Dozierende aus Harvard und Freiburg Seminare am University College Frei- burg der Universität anbieten. Vorbild Vauban Sammota Mwakalobo möchte wis- sen, wie Europa die ökologischen Pro- bleme des 21. Jahrhunderts angeht und was Freiburg macht, um Ressour- cen nachhaltig zu nutzen. „Hier fahren so viele mit dem Fahrrad. Das zeigt, wie umweltbewusst die Menschen sind“, stellt die 20-jährige Studentin fest. Für sie sei es neu, zu sehen, wie selbstverständlich die Gesellschaft umweltschützende Maßnahmen wie die Mülltrennung in den Alltag integrie- re. Besonders freut sich Mwakalobo darauf, den Freiburger Stadtteil Vau- ban kennenzulernen, der als Modell für nachhaltigen Städtebau gilt. Den Studierenden europäische He- rangehensweisen näherbringen möch- te auch Dr. Elisa Orrù. Die Philosophin vom Centre for Security and Society der Albert-Ludwigs-Universität leitet ein Seminar zum Thema Privatsphäre. „Mir ist vor allem wichtig herauszuar- beiten, welche unterschiedlichen Sicht- weisen es in der Europäischen Union und den USA beispielsweise zum Da- tenschutz gibt und wie sie sich auf die rechtliche Situation auswirken.“ Auch sei es spannend, in den Diskussionen die verschiedenen Perspektiven der Teilnehmenden kennenzulernen. Gallagher-Schmitz hat sich für das Seminar zu sozialer Ungleichheit ent- schieden. „Meine Familie ist nicht sehr wohlhabend. Ungleichheit ist deshalb seit Langem etwas, das mich persönlich interessiert.“ Seine politisch liberalen Eltern betrachten Europa als positives Beispiel dafür, dass Gesellschaften ein wenig egalitärer sein könnten, erzählt er. „Ich möchte mehr über den deutschen Wohlfahrtsstaat erfahren und sehen, wie die Politik hier mit Armut und Ungleichheit umgeht und ob wir in den USA etwas davon lernen können.“ Für Gallagher- Schmitz, der selbst deutsche Vorfahren hat, steht bereits jetzt fest: Bei der Sum- mer School soll es nicht bleiben. Er möchte Deutsch lernen, eines Tages zurückkommen und das Land ohne Sprachbarriere noch intensiver erleben. 20 Harvard-Studierende bekommen in der Summer School an der Universität Freiburg einen Einblick in Herausforderungen der Gegenwart Kompaktkurs Europa Wie geht Europa mit Problemen um? Die US-amerikanischen Studierenden besuchen Seminare zu den Themen Nachhaltigkeit, Privatsphäre und soziale Ungleichheit. FOTOS: HIGHWAySTARZ, ZINKEVyCH, ARTJAZZ (ALLE FOTOLIA) von Sarah Schwarzkopf Wer Lehrerin oder Lehrer werden möchte, kennt das: Im Studium steht viel Theorie an, doch die Pra- xis im Schulalltag kommt oft zu kurz. „Neulinge unterschätzen vieles, zum Beispiel, wie viel Lehrer dokumentie- ren müssen. Auch dass Didaktik nicht unbedingt den Löwenanteil des Berufs ausmacht, ist ihnen oft nicht klar“, sagt Heike Elisabeth Kapp, Koordinatorin des Kompetenznetzwerks Studieren- denmentoring der Universität Freiburg. Für einen erweiterten Einblick in den Beruf gibt es ab Herbst 2016 ein neues Mentoringprogramm: Lehrkräfte treffen sich mit Studierenden, um als Mento- rinnen und Mentoren ihre Erfahrungen zu teilen. „Kommt die ganze Theorie überhaupt im Klassenzimmer an? Was für ein Lehrer möchte ich werden? Das sind Fragen, auf die die Studierenden Antworten finden können“, erläutert Kapp. Sie hat das Projekt entwickelt und sucht aktuell nach Studierenden, die als Mentees teilnehmen möchten. Das Angebot ist für beide Seiten frei- willig. Interessierte Studierende sollen ihr Praxissemester möglichst bereits absolviert haben und eigene Vorstellun- gen vom Berufsalltag mitbringen. Mit ihrem Mentor lernen sie, was neben dem Unterricht in der Schule wichtig ist, beispielsweise die Pausenaufsicht zu leiten, Streit zu schlichten, Fragen zu beantworten und Elterngespräche zu führen. „Ich bin eine begeisterte, enga- gierte Lehrerin und würde mit dieser positiven Einstellung gerne zukünftige Kolleginnen und Kollegen anstecken“, sagt Dr. Ruta Haselbach, die an der Max-Weber-Schule in Freiburg unter- richtet und das Programm unterstützt. Individuelles Tempo „Mentor und Mentee gestalten ihre Treffen gemeinsam. Die Studierenden sollen das Gespräch lenken, um mög- lichst viel daraus mitzunehmen“, sagt Kapp. Vorgaben gibt es keine – mit Ausnahme der Qualitätsstandards des Kompetenznetzwerks. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Treffen face-to- face stattfinden müssen und nicht im virtuellen Raum. Einzelgespräche mit dem Mentor sind genauso denkbar wie Zusammenkünfte in Kleingruppen und Unterrichtsbesuche. „Als groben Richt- wert geben wir an, dass die Treffen über eine Dauer von ein bis zwei Se- mestern etwa alle sechs Wochen statt- finden sollen“, erklärt Kerstin Steiger- Merx, die im Kompetenznetzwerk für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Auch was besprochen wird, sei indivi- duell verschieden. Die einen wollten ihr Bild vom Schulalltag mit der Realität abgleichen, andere interessierten sich für die Themen Stress, Autorität oder die Kommunikation mit den Eltern. „Die bisherigen Mentoringprogram- me des Kompetenznetzwerks sind alle fachbezogen und laufen seit vier Jahren erfolgreich. Insgesamt 500 Mentoren haben seither mehr als 2.000 Mentees in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung vorangebracht“, berichtet Steiger-Merx. Das lehramtsspezifische Studierendenmentoring ist das erste fächerübergreifende Programm und findet unter dem Dach des Freiburg Advanced Center of Education (FACE) statt. In diesem Netzwerk kooperieren die Universität und die Pädagogische Hochschule Freiburg zu Themen der Lehrerbildung. Auf den Begleitveranstaltungen des Mentoringprogramms können sich die Lehramtsstudierenden auch unterein- ander vernetzen. „Unser Projekt soll eine Identifikation mit dem Lehrerberuf erleichtern, so wie andere Studierende über ihre Fächer zusammenfinden“, sagt Kapp. Eine Weiterentwicklung des Angebots ist bereits in Planung: Engagierte Studierende höherer Se- mester sollen künftig selbst als Mento- ren Erstsemester unterstützen. Lehramtsstudierende erhalten in einem neuen Mentoring- programm Einblicke in ihren künftigen Berufsalltag Praxistest Klassenzimmer Kontakt Heike Elisabeth Kapp Tel.: 0761/203-67383 E-Mail: kapp@service.uni-freiburg.de www.mentoring.uni-freiburg.de www.face-freiburg.de Ankommen leicht gemacht Die Abteilungen Lehrentwicklung, Hochschuldidaktik und das Service Center Studium der Albert-Ludwigs- Universität haben einen Ansatz erar- beitet, der Studienanfängerinnen und Studienanfängern den Start an der Uni- versität erleichtern soll. Das Ministeri- um für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg fördert das „Freiburger Modell zur Optimierung der Studieneingangsphase“ mit 556.000 Euro für die nächsten drei Jahre. Es fußt auf den vier Säulen „Orientieren“, „Ankommen“, „Innovieren“ sowie „Indi- vidualisieren“. Zu dem Programm ge- hören zum Beispiel die Online-Studien- wahl-Assistenten, die bereits vor der Einschreibung bei der Suche nach den richtigen Studienfächern helfen sollen. Zudem soll am Service Center Studium eine Beratungsstelle eingerichtet wer- den, die sich ausschließlich an Studi- enanfänger richtet, sie bei der Orientie- rung an der Universität unterstützt und an passende Angebote verweist. Restplatzvergabe startet Die Restplatzvergabe läuft: Ab dem 19. Juli 2016 haben Studierende aller Studiengänge der Universität Freiburg die Möglichkeit, noch offene Plätze in den Ferienveranstaltungen des Zen- trums für Schlüsselqualifikationen zu belegen. Ausgewählte Veranstaltungen im Modul Berufsfeldorientierte Kompe- tenzen (BOK) vermitteln fachübergrei- fende, praxisorientierte Kenntnisse auf den Gebieten Kommunikation, Manage- ment, EDV und Medien. Das Modul Personale Kompetenz (MPK) richtet sich an Lehramtsstudierende, die über das Fachwissenschaftliche hinaus ihr Berufsprofil vertiefen können. www.zfs.uni-freiburg.de 032016