05 2012 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 4 von Annette Kollefrath-Persch Es ist das wohl am weitesten ver- breitete Accessoire in Deutsch- land – aber seine überwiegend ju- gendlichen Trägerinnen und Träger entscheiden sich nicht freiwillig dafür: die Zahnspange. Ein Viertel der 14- bis 19-Jährigen in Deutschland tragen laut einer Umfrage diese medizinische Ap- paratur, mit der Kiefer- und Zahnfehl- stellungen korrigiert werden. Jugend- liche und Krankenkassen bevorzugen eine zeitlich kurze Behandlung – Ärztinnen und Ärzte hingegen eine ef- fektive. Damit diese Ziele in Zukunft nicht in Widerspruch geraten, arbeitet Oliver Paul, Freiburger Professor für Materialien der Mikrosystemtechnik, mit Projektpartnern an der „intelli- genten Zahnspange“. Sie soll Ärzten bei der optimalen Behandlung von Pa- tientinnen und Patienten helfen. Feste Zahnspangen bestehen aus einem Drahtbogen, der über den Zahnreihen verläuft und auf dem so genannte Brackets angebracht sind. Sie üben auf jeden einzelnen Zahn Druck aus, wodurch sich Fehlstel- lungen kontrolliert verändern lassen. Regelmäßig stellen Kieferorthopä- dinnen und -orthopäden die Brackets manuell nach. Dabei müssen sie den Druck für jeden Zahn genau dosie- ren: „Ist die Kraft, die auf einen Zahn ausgeübt wird, zu groß, drückt er zu stark gegen das umliegende Gewebe. Das kann dazu führen, dass dieses den Zahn beschädigt, anstatt ihm Raum für die angestrebte Bewegung zu bieten“, erklärt Paul. Idealerweise ist eine Therapie so kurz wie möglich und sollte immer unter dieser schädi- genden Druckgrenze bleiben. Dünne Schicht, große Wirkung Zahnärzte können jedoch nicht im- mer genau erkennen, ob Brackets optimal eingestellt sind. Dabei soll ihnen Pauls intelligente Zahnspange helfen. Der Forscher hat winzige Sili- ziumsensoren entwickelt, die in jedes Bracket zwischen dem Drahtbogen und dem Zahn eingebaut werden. Patienten sollen diese dünne zusätz- liche Schicht nicht bemerken, erklärt der Wissenschaftler. Die Sensoren hingegen spüren, wie lange und wie stark der ausgeübte Druck auf einen Zahn wirkt. Aus den empfangenen Si- gnalen berechnen sie die wirkenden Kräfte. Ärzte erhalten dann die Infor- mationen direkt von der Zahnspange. Die Sensoren brauchen Energie, um die Daten zu ermitteln. Dafür wird eine Kombination aus zwei Mi- niaturspulen benötigt: In jedem Sen- sor befindet sich eine Spule, die ein Wechselfeld in elektrische Leistung umwandelt. Eine zweite Spule wird in ein Lesegerät eingesetzt. Die Ärzte bewegen das Gerät an den Zähnen entlang, wodurch die Spulen aufein- ander reagieren und die Sensorchips in den Brackets aktiviert werden. Auf dem Bildschirm des Lesegeräts erscheinen dann die Informationen, die die Sensoren der Brackets über- mitteln. Auf Basis dieser Messdaten können Ärzte die optimale Therapie bestimmen. Die Entwicklung dieser neuartigen Zahnspange ist Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts. Paul arbeitet dafür mit zwei Kollegen zusammen: Prof. Dr. Yiannos Manoli, ebenfalls vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg, ist für die Schaltungstechnik der Sensoren und die Modularisierung der Daten zu- ständig. Prof. Dr. Bernd Lapatki von der Kieferorthopädie der Universi- tätsklinik Ulm testet die intelligente Zahnspange an Typodonten, künstli- chen Gebissen, die Ärzte in der Aus- bildung zum Üben benutzen. „Der therapeutische Sinn und Erfolg ist bereits in medizinischen Grundlagenstudien nachgewiesen worden“, erzählt Paul. „Und auch die telemetrische Einheit, also die Über- tragung von Energie und Messwer- ten, funktioniert im Labor.“ Nun steht für die beiden Forscher der nächste Schritt an: Sie müssen die telemetri- sche Einheit in die Brackets einbau- en und diese dann an Typodonten überprüfen. Paul ist zuversichtlich, dass dieser Teil der Forschung bis zum kommenden Jahr erfolgreich abgeschlossen sein wird. „Am Ende steht noch die Frage nach der Ver- träglichkeit: Die Materialien an der Zahnspange müssen biokompatibel sein. Aber auf diesem Gebiet sind wir in Freiburg gut aufgestellt, sodass wir auch diese Aufgabe bald lösen werden.“ forschen Der Mikrobiologe und Immunologe Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Insti- tut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum Frei- burg, erhält die bedeutende Förderung „Starting Grant“ des Europäischen For- schungsrats (ERC) in Höhe von 1,5 Millionen Euro für sein Projekt „NutrIm- mune“. Der Wissenschaftler will den Einfluss von Nahrungsstoffen auf das Immunsystem des Darms untersuchen. Viele Gemüsesorten wie zum Beispiel Brokkoli enthalten Senfölglykoside, die zur Gruppe der Phytochemikalien gehören. Diefenbach konnte mit sei- ner Forschungsgruppe zeigen, dass solche Phytochemikalien die Differen- zierung von speziellen Immunzellen, den so genannten Lymphoid-Tissue- Inducer-Zellen (LTi-Zellen), beein- flussen. Das Projekt untersucht die molekularen Mechanismen, durch die bestimmte Nahrungsstoffe die Diffe- renzierung und Funktion der LTi-Zellen beeinflussen. LTi-Zellen sind für den Schutz des Deck- und Drüsengewebes wichtig. In Zukunft könnten geeignete Phytochemikalien oder aus ihnen ent- wickelte Substanzen bei der klinischen Therapie von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie zum Beispiel Morbus Crohn eingesetzt werden. Mit Brokkoli gegen Infektionen Die intelligente Zahnspange Mikrosystemtechniker entwickeln Sensoren, die Kieferorthopäden bei der Behandlung von Patienten unterstützen sollen › Mittagstisch mit Salatbuffet › Gartenwirtschaft Kantinenstraße 12 | 79106 Freiburg | 0761.76 66 68 81 | info@die-kantina.de › Sonntag Frühstücksbuffet › Kaminzimmer (bis 40 Personen) www.die-kantina.de Frisch aufgemacht für Anhänger guter Volks-Wirtschaft „Die Midlife-Crises gibt es in der Literatur schon lange“: Ein Germanist untersucht Erzählungen über das Altern. „Wir können viel tun, um die Lebensqualität zu fördern“: Eine Theologin und Medizinerin erklärt die Grundlagen der „Palliative Care“. „Die Erfindung des Buchdrucks war der Anfang, Youtube verändert und erweitert die Sprache“: Ein Anglist zeigt, wie abhängig das Standardenglisch von den Medien ist. 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