04 2013 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 10 menschen von Nicolas Scherger Wenn es blutet, hat es keinen Sinn zu jammern, es muss halt gestillt werden“, sagt Prof. Dr. Jörg Rüdiger Siewert. Probleme erkennen, schnell und rational entscheiden, Absprachen einhalten: Was der Chirurg im Opera- tionssaal gelernt hat, nützt ihm auch an der Klinikumsspitze. Im März 2010 kam Siewert als Leitender Ärztlicher Direk- tor ans Universitätsklinikum Freiburg, um dort „die Wunde zu heilen“ – die Führungskrise, die in der Trennung von dem vorherigen Leitenden Ärztlichen Direktor und dem Kaufmännischen Direktor gipfelte. Seitdem hat Siewert die Zuständigkeiten in der Chefetage neu geordnet, den 400-Millionen-Euro- Masterplan zur baulichen Entwicklung angeschoben und die Fusion des Herz-Kreislaufzentrums mit dem Herz- Zentrum Bad Krozingen zum Abschluss gebracht. Beim Neujahrsempfang 2013 stellte er dem Klinikum die Diagnose: „Selbstbewusstsein, Teamgeist und Visionen sind zurück.“ Seinen Vertrag hat er vorzeitig um zwei Jahre bis Ende 2016 verlängert. Dabei wäre er als Student beinahe Springreiter geworden. Jörg Rüdiger Siewert wurde 1940 in Berlin geboren. Weil sein Vater lange in Kriegsgefan- genschaft war, wuchs der Junge bei seinem Onkel auf – einem Anatom an der Charité. „Ich bin im Milieu der Weißkittel groß geworden, da war im- mer klar, das will ich auch machen.“ Seine zweite Leidenschaft galt den Pferden. Neben seinem Medizinstudi- um in Berlin trainierte er professionell und nahm an großen Turnieren teil – bis ein Chefarzt sagte: „Chirurgie und Reiten, das geht gar nicht. Sie müssen sich entscheiden.“ Und der Onkel riet: „Außerhalb der Kirche gibt es keine Seligkeit. Wenn du was werden willst, musst du an die Universität.“ 1969 ging Siewert ans Universitätsklinikum Göt- tingen. Dort folgten Facharztausbil- dung, Habilitation, Spezialisierung auf die Chirurgie des oberen Gastrointes- tinaltraktes, „weil das Thema dort frei war und man damit Karriere machen konnte“. Auf dem Weg nach oben half ihm seine Durchsetzungskraft, wenn es galt, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten. 1982 wechselte er ans Kli- nikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Älter, weiser, umgänglicher Bald wurde Siewert zum Wegberei- ter der chirurgischen Onkologie und zu einem weltweit gefragten Spezialisten für Speiseröhren- und Magenchirurgie. Prominente aus dem In- und Ausland ließen sich von ihm behandeln. Von 1987 bis 2007 war er nebenamtlich Lei- tender Ärztlicher Direktor, operierte aber weiterhin täglich. Das Klinikum stieg in die europäische Spitzenklas- se auf. Siewerts Ruf als „harter Hund“ stammt aus dieser Zeit: „Diesen Rie- senladen konnten Sie nicht als Früh- stücksdirektor leiten.“ Privates stellte er zurück. Eine Ehe ging in die Brüche, und seine Lebenseinstellung – „tough, konsequent, geradeaus, fleißig“ – sei für seine Kinder eher erschreckend als vorbildhaft gewesen. „Ich habe viele Dinge im privaten Leben versäumt“, sagt Siewert rückblickend. Eine Erfah- rung, die auch sein Verhalten gegen- über Kolleginnen und Kollegen geprägt hat. „Ich weiß, wie viel Verzicht ihre Lebensleistung erfordert. Deshalb lege ich Wert darauf, dass alle respektvoll und vernünftig miteinander umgehen.“ Älter und weiser sei er geworden, das Karrieredenken habe er abgelegt: „Das brauche ich nicht mehr.“ Seine flotte Lippe kommt indes gelegentlich noch durch. „Das findet in Berlin je- der lustig, in München akzeptiert man es, im Alemannischen ist es etwas schwieriger.“ Seit 1996 ist Siewert in zweiter Ehe verheiratet. Wenn es möglich ist, ver- bringt er die Wochenenden bei der Familie in München, wo er sich gerne mit Freunden trifft, ins Theater oder in die Oper geht. Trotz der Entfernung hat seine Familie der Entscheidung zugestimmt, den Vertrag in Freiburg zu verlängern: „Lieber ein ausgefüllter, zu- friedener Ehemann und Vater am Wo- chenende als ein nörgelnder die ganze Woche lang.“ Das Universitätsklinikum Freiburg ist derzeit laut Rangliste des Magazins „Focus“ in Baden-Württem- berg die Nummer eins – vor Heidel- berg, wo Siewert von 2007 an Leiten- der Ärztlicher Direktor war – und zählt zu den besten drei in Deutschland. Doch der Chirurg mahnt: „Wir müssen immer auf höchstem Niveau arbeiten, dürfen nicht eine Sekunde nachlassen.“ Was Jörg Rüdiger Siewert gerne über sich in der Zeitung lesen würde, sollte er 2016 tatsächlich aufhören? „Der hat seinen Job gut gemacht, das Univer- sitätsklinikum Freiburg ist da, wo es hingehört. Das reicht.“ Interview im Magazin uni’alumni 2013: Tough, konsequent, geradeaus, fleißig: So beschreibt Jörg Rüdiger Siewert seine Lebenseinstellung, die ihm eine große Karriere ermöglichte – erst als Chi- rurg, später auch als Klinikumsmanager. FOTO: UNIVERSITÄTSKLINIKUM FREIBURG Chirurgischer Führungsstil Jörg Rüdiger Siewert hat seinen Vertrag als Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Freiburg um zwei Jahre verlängert www.pr.uni-freiburg.de/go/ interview-siewert von Eva Opitz Wenn im März auf der Homepage des Instituts für Sport und Sport- wissenschaft die Online-Anmeldung für die Fußball-Uni-Liga anläuft, werden manche Beine unruhig. „Werbung brau- chen wir gar nicht mehr zu machen“, sagt Daniela Heuberger vom Allgemei- nen Hochschulsport der Universität Freiburg. Unter fantasievollen Namen wie „Gollis Wadenkrämpfer“ in Anspie- lung auf den Leiter des Instituts, Prof. Dr. Albert Gollhofer, oder „Volksfront von Judäa“ aus dem Spielfilm „Das Leben des Brian“ kämpfen die Teams um den silberglänzenden Wanderpo- kal. Dass es dabei auch, aber nicht nur, um Spaß geht, ist der studierten Sportlerin wichtig. Es fallen Worte wie „soziale Kompetenzen“, „Konfliktlösung“ oder „Rücksicht auf andere“. „Jeweils ein Mitglied einer Mannschaft muss bei einer anderen als Schiedsrichterin oder Schiedsrichter pfeifen“, erklärt die Organisatorin der Uni-Liga. „Die Leute müssen sich einigen und einen Streit auf dem Platz friedlich lösen.“ Da könne keiner wegrennen. Aus Liebe zum Ballspiel Zusammen mit Armin Backhaus, Leiter des Allgemeinen Hochschul- sports und Dozent für Leichtathletik, ist Heuberger für die Organisation aller Sportangebote mit Ausnahme der Natursportarten zuständig. Einen Ausgleich zu ihrer Arbeit im Büro fin- det sie beim Joggen, Klettern, Moun- tainbiken oder beim Volleyball. Letz- teres aus Liebe zum Ballspiel. „Mir kommen die meisten Ideen beim Lau- fen im Wald, aber ich brauche den Ball.“ Fußball spielt sie schon seit ih- rer Schulzeit, als es noch keine Ver- eine für Mädchen gab, aber Kicken trotzdem Spaß machte. Bei ihrem Sport- und Geografiestudium in Frei- burg stand Fußball für Frauen noch nicht im Lehrplan. Aber immer wieder sonntags ging es mit Gleichgesinnten um 15 Uhr zum Kicken auf den Hart- platz in Au, ein paar Kilometer süd- lich von Freiburg. „Wir brauchten nur genug Platz und zwei Tore“, erinnert sich die 52-Jährige. Frauen von Anfang an dabei Der Sport ist für sie Ideengeber für weitere Projekte, zum Beispiel für die Hochschulmeisterschaften im Tisch- tennis oder den „Countdown-Lauf“, einen Volkslauf zur Vorbereitung auf den Marathon. „Ideen habe ich mas- senhaft“, sagt Heuberger, und wenn man sie ansieht, ahnt man, wie zupa- ckend sie ihre Projektarbeit angeht. Die Freiburger Uni-Liga hat sie vor vier Jahren nach dem Vorbild der Uni-Liga Göttingen gegründet. „Deren Liga war die Keimzelle für alle anderen Univer- sitätsligen.“ Der Erfolg gibt ihr recht: Jahr für Jahr wird heftig gekickt, um am Ende den begehrten Pokal im Beisein eines Mitglieds des Rektorats stolz zu präsentieren. Von Anfang an war es keine Frage, dass auch Frauen mitspielen. „Zuerst hatten wir mit ‚Ladies First‘ eine rei- ne Frauenmannschaft“, erinnert sich Heuberger. Als sie merkte, dass einige der Männerteams sehr ehrgeizig wur- den, machte sie zur Bedingung, dass in jedem Team mindestens zwei Frauen mitspielen. „Die gemischten Gruppen haben sich bewährt“, sagt Heuberger. Die Spiele würden insgesamt rück- sichtsvoller verlaufen. Die Ergebnisse der Freiburger Uni-Liga bestärken sie in ihrer Überzeugung, dass Frauen inzwi- schen richtig gut spielen. „Sie stehen schon lang nicht mehr da und warten ängstlich, ob sie jemand angreift.“ Wenn der Wettergott es am Finaltag einmal nicht gut mit den Nachwuchs- kickerinnen und -kickern meint, kann sich Heuberger sicher sein, dass sie vom Schwerpunktfach Fußball Hilfe bekommt. In Windeseile werden die Spiele in die Halle verlegt. „Die Studie- renden lernen Turnierorganisation und gestalten den Finaltag eigenständig.“ Den Lerneffekt könne man gar nicht hoch genug einschätzen. Weitere Un- terstützung wird die Organisatorin brau- chen, wenn sie zusammen mit Back- haus die nächste Idee zu verwirklichen versucht: einen Zehnkampf für alle, die Leichtathletik lieben, sich aber nicht unbedingt als Spitzensportler bewei- sen müssen. Jedes Jahr spielen Hobbyfußballer um den silberglänzenden Rektor-Pokal. Dabei gehe es nicht nur um Spaß, betont Daniela Heuberger. Die Studierenden erwerben auf dem Platz auch soziale Kompetenzen. FOTO: PATRICK SEEGER Kicken um den Rektor-Pokal Fußball spielt Daniela Heuberger schon seit ihrer Kindheit, als es noch keine Vereine für Mädchen gab. Vor vier Jahren gründete sie die Uni-Liga, bei der Frauen und Männer in gemischten Teams antreten