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uni'leben 03-2014

03 2014 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 10 Linguistik ist Selbstverteidigung Friedemann Vogel will verstehen, wie sich Kommunikation demokratisch gestalten lässt menschen von Martin Jost Studierende, die Friedemann Vogel kontaktieren wollen, können dem Juniorprofessor für Medienlinguistik selbstverständlich eine E-Mail schrei- ben. Aber sie müssen die Nachricht verschlüsseln. Ungewöhnlich? Um- ständlich? Eine Zumutung? Vogel findet eher erstaunlich, dass dies nicht längst gängige Praxis ist. „Als Lehrende sind wir Multiplikatoren“, sagt er – und möchte seine Kollegin- nen und Kollegen ermuntern, ihren E-Mail-Verkehr ebenfalls abhörsicher zu machen. Ein Jahr nach Beginn der Enthüllungen des früheren US-ameri- kanischen Agenten Edward Snowden sei davon auszugehen, dass Geheim- dienste die digitale Kommunikation vollständig auswerten. „Wir haben nicht gelernt, unsere Freiheits- und Grundrechte in der Digitalität zu ver- teidigen.“ Persönliche Nachrichten zu verschlüsseln wäre ein erster Schritt zum Schutz der Privatsphäre im Netz. „Pierre Bourdieu hat die Soziologie als Kampfsport bezeichnet – im Sinne von Selbstverteidigung. Ich möchte Lin- guistik genauso sehen.“ In der ersten Sitzung seiner Seminare erklärt Vogel jeweils, welche Folgen die Überwa- chung von Kommunikation hat und wie man sich gegen sie wehren kann. In seiner Crypto-Sprechstunde und auf seiner Webseite gibt es zusätzliche Unterstützung. Vogel ist seit Juni 2012 Juniorpro- fessor am Institut für Medienkultur- wissenschaft der Universität Freiburg. Sein Arbeitsfeld Linguistik versteht er weit gefasst: Ihn interessieren vor allem die sprachlich-kommunikativen Regeln menschlicher Interaktion. Es geht um das Verhältnis von Sprache, Wissen und Macht im analogen wie im virtuellen Leben, zum Beispiel im Austausch zwischen Experten und Laien: Vogel wurde über die Sprach- arbeit von Juristinnen und Juristen so- wie in der Gesetzgebung promoviert. Konflikte der Wikipedia-Plattform erforschen In einem anderen Forschungsprojekt untersucht er Konflikte bei Wikipedia. Die meisten Einträge der freien On- line-Enzyklopädie entstehen im Zuge langer Debatten, die ehrenamtliche Autorinnen und Autoren sowie Admins mal höflich und mal weniger höflich führen – für alle Leserinnen und Le- ser auf den Diskussionsseiten zu den Artikeln nachvollziehbar. Vogel unter- sucht, wie sich die Kommunikation auf der Internetplattform verbessern lässt und wie sich Konflikte lösen lassen. „Gibt es so etwas wie demokratisches Sprechen? Wenn ja, was sind die ge- sellschaftlichen, medialen oder techni- schen Voraussetzungen?“ Sein Interesse am „demokratischen Sprechen“ speist sich auch aus per- sönlichen Erfahrungen in der Politik. Als Student in Heidelberg war Vogel in der Fachschaft engagiert und arbeitete als gewähltes Mitglied der Gesamtstu- dierendenvertretung in Senat, Fakul- tätsrat und zahlreichen Ausschüssen mit. „Im Bildungsstreik habe ich erlebt, dass manche Arbeitsgruppen aus 50 und mehr Mitgliedern mit unterschied- lichen politischen Positionen und Grundüberzeugungen es geschafft ha- ben, konsensorientiert zu diskutieren – ohne Kampfabstimmung, ohne Macht- gerangel. Ich habe mich gefragt: Was haben diese Gruppen im Vergleich zu den meisten anderen richtig gemacht?“ Durch die hochschulpolitische Arbeit habe er viel über die Universität ge- lernt, über ihre ökonomischen Zwänge, Rituale, Kompetenzstreitereien. Ver- stehen, wie das Gegenüber denkt, sei eine wesentliche Voraussetzung für gelingende Kommunikation. Demokratischer Austausch ist für Vogel aber nicht nur ein Forschungs- thema, sondern auch ein Anliegen. Ehrenamtlich engagiert er sich in der Rhein-Neckar-Region als Flüchtlings- helfer. „Die Flüchtlinge erleben Angst, Fremdheit und Traumatisierung. Bei uns haben sie fast keine Rechte, kei- ne Sprache.“ Vogel gibt den Fremden notfalls eine Stimme, indem er pres- sewirksam ihre schlechte Unterbrin- gung kritisiert. Er unterrichtet in seiner Freizeit aber auch kostenlos Deutsch, damit die Flüchtlinge selbst für sich eintreten können. „Auch das ist Lin- guistik als Selbstverteidigung.“ Friedemann Vogel engagiert sich ehrenamtlich für Flüchtlinge – indem er ihnen beispielsweise kostenlosen Deutschunterricht gibt. FOTO: MARTIN JOST von Verena Adt Als Edith Wiesen-Emmerich vor gut 20 Jahren nach ihrem zweiten ju- ristischen Staatsexamen in Freiburg zu einem Bewerbungsgespräch unter- wegs war, begegnete sie zufällig dem damaligen Kanzler der Albert-Ludwigs- Universität im Aufzug. Er habe ihr nahe- gelegt, sich um den neu zu besetzen- den Justiziarposten an der Universität zu bewerben. „Er sagte, dass dies viel interessanter sei als die Funktion, um die ich mich damals bewarb“, erinnert sich Wiesen-Emmerich und lacht. Probleme erkennen, Konflikten vorbeugen Sie folgte seinem Rat – und hatte Erfolg: Seit 1991 ist sie Justiziarin der Universität Freiburg. Gut gelaunt sitzt sie in ihrem kleinen Büro im Rektorats- gebäude am Fahnenbergplatz, hinter sich ein abstraktes Gemälde in hellen, freundlichen Farben, an der anderen Wand ein Regal, in dem die dickleibi- gen, rot eingebundenen juristischen Hand-bücher aufgereiht sind. Ihre Ent- scheidung für diesen Beruf, der nicht in ihrem ursprünglichen Karriereplan stand, habe sie nie bereut. Die Justi- ziarin muss passen, wenn sie Routi- neaufgaben nennen soll, die mit ihrem Amt verbunden sind. „Die haben wir hier nicht. Jeder Fall ist anders, und auf jeden Verhandlungspartner muss man sich ganz neu einlassen.“ Als Leiterin des Justiziariats, einer Stabsstelle der Universitätsverwaltung, ist Wiesen-Emmerich als Rechtsexper- tin und -beraterin für alle allgemeinen rechtlichen Belange der Universität zuständig, die mit ihren knapp 6.700 Beschäftigten, 100 Instituten und Se- minaren und einem Jahreshaushalt von etwa 300 Millionen Euro das For- mat eines größeren Unternehmens hat. Der Bereich Studium und Lehre hat seine eigene Rechtsabteilung und fällt er nicht in ihre Zuständigkeit. Die Aufgaben der Justiziarin sind vielfältig: Vertragsverhandlungen mit außeruniversitären Partnern und Wis- senschaftsinstitutionen, Einrichtung von Stiftungen, Namens- und Stif- tungsprofessuren, Mitwirkung bei der Gründung universitärer Zentren und Unternehmen, Konzeption von Satzun- gen, Behandlung von Datenschutzfra- gen, Ausarbeitung von Richtlinien, zum Beispiel zur Nutzung sozialer Medien, und Beratung über den richtigen Um- gang mit urheberrechtlich geschützten Werken. Das Hauptziel sei stets, „ju- ristische Probleme im Vorfeld zu er- kennen und Konflikte vorbeugend zu vermeiden“. Daneben obliegt der Lei- terin des Justiziariats die Verwaltung des Körperschaftsvermögens der Uni- versität, zu dem unter anderem eine stattliche Zahl von Immobilien, große Wälder und Rebenbestände gehören, aus denen der Universitätswein ge- keltert wird. Sport und Sprache „Die Universität ist ein faszinierendes Gemeinwesen“, sagt die Justiziarin. In kaum einem anderen juristischen Beruf schaue man so weit über den Teller- rand. Für ihre breit gefächerte Verant- wortung brachte Wiesen-Emmerich eine in ihrem Amt nicht selbstver- ständliche Voraussetzung mit, nämlich eine solide kaufmännische Ausbildung und mehrere Jahre Managementer- fahrung. Nach dem Abitur ging sie zu einer großen Kaufhauskette, lernte das Geschäftliche, Wirtschaftliche und das Personalwesen von der Pike auf, auch im Ausland. Mit 21 Jahren wurde sie Abteilungsleiterin. Nach insgesamt sie- ben Jahren in dem Unternehmen stell- te sich die Frage, wie es weitergehen sollte. „Da blieb nur eine höhere Qua- lifikation, in die ich meine bisherigen beruflichen Erfahrungen einbringen und nutzen konnte.“ Als 25-Jährige be- gann sie in Freiburg ein Studium – erst schrieb sie sich in den Wirtschaftswis- senschaften ein, dann wechselte sie zu den Rechtswissenschaften. Im Breisgau hat die gebürtige Saar- länderin mit ihrem Mann Wurzeln ge- schlagen. Neben ihrer Berufstätigkeit hat sie zwei Töchter großgezogen, die inzwischen am anderen Ende Deutschlands studieren. Seit mehr als 20 Jahren wohnt sie in Staufen, und den Weg zum Fahnenbergplatz legt sie bei passendem Wetter gern auf dem Rad zurück. Die 20 Kilometer schafft sie in gut einer Stunde. Aus- giebig Sport zu treiben ist für sie ein Ausgleich, aber sie ist auch Mitglied in einem Literaturkreis. Sprache, ihr Ar- beitsinstrument, ist ihr wichtig: „Juris- tinnen und Juristen sollten zum einen rechtlich fundiert formulieren können. Zum anderen ist es wichtig, komplexe Sachverhalte und deren rechtliche Beurteilung allgemein verständlich zu vermitteln.“ Sportlicher Start: Wenn Edith Wiesen-Emmerich morgens ins Büro kommt, hat sie mit dem Fahrrad schon 20 Kilometer zurückgelegt. FOTO: SANDRA MEYNDT Herrin der Paragrafen Edith Wiesen-Emmerich ist als Justiziarin für Verträge, Verhandlungen und den Wein der Universität zuständig www.crypto.friedemann-vogel.de

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