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uni'leben 03-2014

03 20142 von Nicolas Scherger Dr. Jochen Kopitzke ist ein Pionier – und das in doppelter Hinsicht. Der geschäftsführende Gesellschafter der Philipp Kirsch GmbH will mit neu- en Materialkombinationen experimen- tieren, damit die Kühl- und Gefrier- schränke, die seine Firma für das Labor- und Gesundheitswesen her- stellt, noch energieeffizienter und weniger verschleißanfällig werden. Dafür hat das mittelständische Unter- nehmen aus Offenburg eine bislang einmalige Zusammenarbeit mit der Freiburg Academy of Science and Tech- nology (FAST) der Albert-Ludwigs-Uni- versität gestartet. Der erste Schritt war eine Machbarkeitsstudie – mit dem Ergebnis, dass es sich für die Firma lohnt, weiter in die Materialforschung zu investieren: Risiko und finanzieller Aufwand sind überschaubar, die Chancen vielversprechend. Der zweite Schritt innerhalb des Pilotprojekts soll nun sein, die Technologie bis 2016 zur Anwendung zu bringen. „Die Zusam- menarbeit mit FAST ist für uns eine wunderbare Sache, weil wir unseren Wissensstand entscheidend erweitern können“, sagt Kopitzke. Die Idee von FAST ist eine neue Form der wissenschaftlichen Weiter- bildung: Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter von Unternehmen kooperieren mit Forscherinnen und Forschern der Albert-Ludwigs-Universität, des Fraun- hofer-Instituts für Solare Energie- systeme und des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach- Institut, in Projekten, um Lösungen für Zukunftsfragen der Firmen zu finden. „Lernen durch gemeinsames Forschen“ nennt Prof. Dr. Ingo Krossing vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Freiburg, wissenschaftlicher Leiter von FAST, diesen Ansatz. Ein festes Programm gibt es nicht: Die Zusam- menarbeit wird von Projekt zu Projekt anders ablaufen – orientiert an den Bedürfnissen des jeweiligen Unter- nehmens, das seine Mitarbeiter beispielsweise über regelmäßige Treffen mit den Forschern und die Teilnahme an Lehrveranstaltungen in das Projekt einbinden, aber auch für mehrere Wochen an die Universi- tät abordnen kann. „Das offene For- mat bietet gerade kleinen und mittel- ständischen Firmen einen schnellen, flexiblen und risikoarmen Einstieg in die wissenschaftliche Weiterbildung“, sagt Krossing. Schwellenangst abbauen Mit diesem Angebot treffe die Universi- tät einen Nerv, bestätigt Stephan Wilcken, Geschäftsführer der Bezirksgruppe Frei- burg des Arbeitgeberverbands Südwest- metall. „Die Firmen im Südwesten müs- sen am Puls der Zeit sein und sich früh- zeitig mit der Frage beschäftigen, welche Fachkräfte und Technologien sie in zehn Jahren benötigen. FAST-Projekte bieten dafür eine prima Chance.“ Wil- cken wirbt für das Format mit dem Ziel, bei den Mitgliedsfirmen seines Ver- bands „die noch immer weit verbreitete Schwellenangst in Bezug auf die Uni- versität abzubauen“. Die Kooperation mit der Philipp Kirsch GmbH hat er erfolgreich angebahnt, weitere Projek- te sind in den Startlöchern. Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet die Zusam- menarbeit mit der Wirtschaft ebenfalls Vorteile. „Die Ergebnisse geben For- schung und Lehre neue Impulse. Au- ßerdem lernen die Studierenden sowie Doktorandinnen und Doktoranden, die an den Projekten beteiligt sind, Unter- nehmen als potenzielle Arbeitgeber kennen“, sagt der Chemiker Prof. Dr. Harald Hillebrecht, der wissenschaft- liche Partner im FAST-Projekt mit der Philipp Kirsch GmbH. Noch bis zum 31. März 2015 wird FAST aus dem Bund-Länder-Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ gefördert. Die Vorbereitung auf die Zeit danach läuft: Ziel ist, gemeinsam mit den beiden Fraunhofer-Instituten ein Geschäftsmodell zu entwerfen, mit dem sich die Akademie selbstständig finanzieren kann. unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de aktuell Um die Sicherheit in Städten zu ver- bessern, fördert die Europäische Union das Projekt „BESECURE – Best Practice Enhancers for Security of Urban Environments“. Katrin Al- baum hat mit Dr. Andreas Armborst, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Freiburg, über das Vorhaben und die Situation in Freiburg gesprochen. uni’leben: Herr Armborst, Freiburg ist laut Kriminalstatistik seit Jahren die kriminellste Stadt Baden-Würt- tembergs. Das Sicherheitsgefühl ist jedoch groß, wie die Bürgerumfrage der Stadt zeigt. Lässt sich das mit- einander vereinbaren? Andreas Armborst: Ja, sogar sehr gut. Das Sicherheitsempfinden hat we- nig mit der tatsächlichen Lage zu tun. Was die Menschen über Kriminalität wis- sen, haben sie meist aus den Medien, die oft ein verzerrtes Bild von Krimina- lität zeichnen. Sie berichten öfter über schockierende Sexualmorde, die eigent- lich rückläufig sind, als über Delikte wie Betrugsfälle, obwohl diese häufiger vor- kommen. Aber selbst wenn Menschen wissen oder glauben, dass bestimmte Straftaten häufig vorkommen, heißt das nicht unbedingt, dass sie sich in ihrer persönlichen Sicherheit bedroht fühlen. Lebt es sich in Freiburg gefährlich? Nein, ich würde Freiburg als eine be- schauliche Stadt bezeichnen. Die Kri- minalität mag zwar hoch sein, aber das sagt wenig darüber aus, wie gefährlich Bürgerinnen und Bürger in einer Stadt leben. Entscheidender ist das Viktimi- sierungsrisiko, also das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden. Es ist nicht nur davon abhängig, wann sich jemand wo in einer Stadt aufhält, sondern hängt in erster Linie mit sozialen Merkmalen zusammen. Statistisch gesehen ha- ben männliche Jugendliche ein hohes Viktimisierungsrisiko. Wenn Sie nicht zu dieser Personengruppe gehören, ist Ihr Risiko geringer – auch wenn Sie in einer kriminellen Stadt leben. Was ist das Ziel des Projekts BESECURE? 14 Projektpartner entwickeln gemein- sam eine Software und eine Online- Plattform, die Akteurinnen und Akteu- ren helfen soll, Sicherheitskonzepte zu erstellen. Neben der Universität Freiburg und anderen Forschungsein- richtungen sind unter anderem Städte- planer, Politikberater und Softwareent- wickler beteiligt. Endnutzerinnen und -nutzer können zum Beispiel politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie die Polizei sein. Sie sollen mit- hilfe unserer Software unter anderem sehen, wo sich die Brennpunkte in ihrer Stadt befinden. Außerdem können die Nutzer sich mögliche Maßnahmen zur Prävention anschauen. Wir wollen aber nichts vorschreiben, sondern die Ent- scheidungsträger inspirieren und ihnen Alternativen aufzeigen. Freiburg und weitere europäische Städte dienen als Anwendungsbeispiele. Welche Brennpunkte gibt es in Freiburg? Ein Brennpunkt war beispielsweise rund um den Colombipark, wo es häufig zu Überfällen und Diebstählen kam. Das ist vermutlich Beschaffungskriminalität: Abhängige klauen Geld und Wertsachen, um sich Drogen zu besorgen. Seitdem Polizei, Drogenhilfe und Gemeinderat die Drogensubstitutionsprogramme aus- gebaut haben und Suchtkranke einfacher an Ersatzstoffe kommen, sind die Delikte stark zurückgegangen. Der Erfolg der Maßnahme ist somit messbar. 2005 wur- den von der Polizei im Colombipark noch 198 Delikte registriert, 2001 waren es nur noch 11. Das hat mit dem neuen Ansatz zur Kontrolle der Freiburger Drogenszene und dem Substitutionsprogramm zu tun. An welchem Ort ist das Sicher- heitsgefühl der Freiburgerinnen und Freiburger außerdem gefährdet? Im Bermudadreieck in der Innen- stadt gibt es ein Gewalt- und Lärm- problem. Viele Akteure haben mit ver- schiedenen Ansätzen versucht, hier etwas zu ändern. Es gibt zum Beispiel eine Polizeieinheit, die dort zu be- stimmten Zeiten höhere Präsenz zeigt. Im Gespräch mit einem leitenden Poli- zeibeamten haben wir erfahren, dass die registrierten Gewaltdelikte zu den Präsenzzeiten zurückgehen. Welche Faktoren fließen in das Programm ein, das Sie entwickeln? Die Nutzer können Daten zur poli- zeilich registrierten Kriminalität in ihrer Stadt und weitere Informationen ein- geben. Aus Umfragen fließen Daten zum Sicherheitsempfinden der Bürger und der kollektiven Wirksamkeit ein. Diese ist ein Maß dafür, wie groß das Gemeinschaftsgefühl der Menschen in einer Nachbarschaft ist und ob sie bei einer Ordnungsstörung eingrei- fen würden. Wenn die kollektive Wirk- samkeit hoch ist, ist die Kriminalitäts- rate für gewöhnlich niedrig. Derzeit arbeiten wir daran, die Daten zu den unterschiedlichen Stadtteilen von Frei- burg auszuwerten und das Programm technisch umzusetzen. Im April 2015 rechnen wir mit den Ergebnissen. Kriminell, aber beschaulich Der Freiburger Soziologe Andreas Armborst analysiert, wie sicher Freiburg ist und wie sich Delikte erfolgreich verhindern lassen Die Freiburg Academy of Science and Technology hat mit der Philipp Kirsch GmbH ein Pilotprojekt gestartet Win-win für Wirtschaft und Wissenschaft Auch in einer Stadt, in der es viel Kriminalität gibt, kann ein Bürger sicher leben, sagt Andreas Armborst. FOTO: THOMAS KUNZ www.besecure-project.eu In einem Weiterbildungsprojekt wollen Mitarbeiter der Firma Philipp Kirsch GmbH gemeinsam mit Forschern der Universität Freiburg neue Materialkombinationen für Kühl- und Gefrierschränke entwickeln. FOTO: PHILIPP KIRSCH GMBH www.fast.uni-freiburg.de

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