01 201501 2015 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 12 versum Wo haben Sie in Freiburg am liebsten gelernt, getanzt und gegessen? Gelernt am liebsten auf der Luisen- höhe in Horben – und wenn das Über-Ich dann einigermaßen Ruhe gab, war auf der Terrasse des prächtigen alten Hotels der akade- mische Feierabend umso schöner. Getanzt meistens auf Partys in Studentenwohnheimen – viele Leute, kein Eintritt! – und gegessen an WG-Küchentischen, am Samstag- mittag gerne in einem kleinen Café in Günterstal, wo es die beste Nudelsuppe mit Rindfleisch gab. Und zu später Stunde natürlich in Webers Weinstube! Welche Erkenntnis aus Ihrer Studienzeit hat Sie nachhaltig geprägt? Arbeiten sollte man nicht auf den letzten Drücker erledigen: Die Nächte vor dem Abgabetermin für Referate sind aus unerfindlichen Gründen kürzer als alle anderen. Welchen Rat würden Sie Studierenden geben? Über den Tellerrand zu gucken, auch wenn der wahrscheinlich heute höher ist als zu meiner Studienzeit. Kontakte zu knüpfen und mitzuneh- men, was an Berufserkundung möglich ist. Aber auch das Feiern nicht zu vergessen! Was ist schade daran, keine Studentin mehr zu sein? Der Verlust der allseits offenen Perspektiven, die man nur besitzt, solange man sich nicht speziali- siert hat. Und die Beschränkung der Freiheit, die im Vergleich zum Berufsalltag doch recht üppig war. „Typisch Student“ war zu meiner Zeit … ... in der Vorlesung zu stricken. Wissenschaftliche Arbeiten in eine – im günstigsten Fall elektrische – Schreibmaschine zu hacken und hinterher mit Tipp-Ex zu korrigieren. Zettelkästen, Karteikärtchen und Universitätsbibliothek statt Internet. Die Lust an hitzigen politischen Debatten – und die Selbstverständ- lichkeit, am Wochenende per An- halter zu verreisen. Gabriele Schoder hat in Freiburg und Wien/Österreich Germanistik, Katholische Theologie, Philosophie, Publizistik und Theaterwissen- schaften studiert. Nach dem Examen und freier Mitarbeit bei Printmedien und Rundfunk wurde sie Redakteurin im Feuilleton der Badischen Zeitung und ist dort für die Sparte Kino ver- antwortlich. Abgefragt Abgelichtet FOTO: PATRICK SEEGER Überquellende Mülleimer, der Fuß- boden ein Schlachtfeld aus Kippen und dreckerstarrten Socken, und je- den Morgen sitzt ein neuer Hallodri am Küchentisch, der Nele die Bio-Hafer- Mandelmilch wegschlürft: Darf man den bürgerlichen Bedenken eines Verlags aus Süddeutschland glauben, hausen Studierende in Sodom und Gomorra. Das Unternehmen scheint sich die Wohngemeinschaft (WG) als Chaos- hölle vorzustellen – mit Bewohnerinnen und Bewohnern, die beim Intelligenztest fragwürdig abschneiden. Darum hat der Verlag einen „WG-Planer“ auf den Markt gebracht. Wer den Müll rausträgt, wer mit dem Einkauf dran ist, wer einen Übernachtungsgast erwartet: All die tückischen Variablen des Zusammen- lebens können Mitbewohner nun auf dem in kindergartentauglichen Farben designten Kalender notieren. So wird leicht Planbares kompliziert planbar. Doch Moment, seit wann müssen Studierende lernen, wie sie ihre Ge- schicke in Sachen Kloschrubben len- ken? Eine preußische Verwaltungspro- vinz wirkt wie ein Berliner Kinderladen aus den 1968er Jahren gegen die Or- ganisationswut einer modernen WG: Die Umweltwissenschaftler überprü- fen die Mülltrennung, die Chemiker mischen höchsteffiziente Schmutz- reiniger, die Kunsthistoriker beschaffen aparte Deko, die Sportwissenschaftler motivieren zu Kniebeugen und Ham- pelmännern, die Juristen schlichten Streits in Badbelegungsfragen, die Philosophen setzen moralische Stan- dards („Wer zehn Euro weniger in die WG-Kasse eingezahlt hat, darf nur zwei Pizzastücke nehmen“) und die Rechtsmediziner ermitteln mit DNA- Proben die Verantwortlichen für ein- gegangene Kakteen. Ein WG-Planer wäre dieser harmonischen Sinfonie der studentischen Systematik höchs- tens dienlich, um einen Workshop für Spontaneität vorzumerken. Abgelästert von Rimma Gerenstein Sinfonie der Verplanten Duft aus tiefsten Rohren FOTO:PRIVAT Abgehört von Nicolas Scherger FOTO:PATRICKSEEGER Ein Missverständnis. Viele meinen, das habe damit zu tun, dass Drogensüchtige sich nicht spritzen können. Das ist na- türlich Unsinn. Wir sind Vorzeigetoilet- ten, und Blau entspricht dem Corporate Design der Universität. Außerdem ist es die neue Farbe der Nachhaltigkeit. Sie rufen aber hoffentlich nicht zum Wassersparen auf. Nein, wir mögen es gar nicht, wenn jemand nicht spült. Oder fragen Sie mal die Waschbecken, wie es um die Handhygiene bestellt ist. Über manche Krankheitswellen wundern wir uns nicht. Wie stehen Sie zu den Sprüchen an Ihren Wänden? Blaues Licht, unverwechselbarer Geruch: Die Toiletten im Kollegien- gebäude (KG) II haben einen legen- dären Ruf. Nicolas Scherger hat sich mit einer von ihnen unterhalten. uni’leben: Heidewitzka, was für ein Gestank. Toilette: Ja, da geht was! Für ein In- terview geben wir uns extra viel Mühe. Genau wie vor wichtigen Veranstaltun- gen im Audimax. Das grenzt ja an Sabotage. Es ist unser täglicher Kampf um Auf- merksamkeit. Und siehe da: Plötzlich setzt sich eine gigantische Reinigungs- maschinerie in Gang, nur damit sich die Ehrengäste der Universität nicht geruchsbelästigt fühlen. An normalen Tagen passiert das selten. Sind die Putzaktionen erfolgreich? Bedingt. Wir speichern die Düfte tief unten in unseren Rohren und lassen sie bei passender Gelegenheit aus- strömen. Mit einem Lappen und etwas Raumspray kommt man da nicht weit. Dann gibt es hier auch noch dieses blaue Licht … Es ist wenig originell, auf einem Klo Witze unterhalb der Gürtellinie zu rei- ßen. Aber immer noch besser als die linksdiktatorischen Propagandaparolen des 20. Jahrhunderts im KG IV. Alles in allem: Ihr Ruf ist legendär, aber nicht gut. Das sehe ich anders. Besonders beliebt sind wir bei Alumnae und Alumni. Die kommen gerne zu uns, wenn sie mal wieder in Freiburg sind. Sie wissen un- seren kostenlosen Service zu schätzen. Und wir freuen uns über jedes Wieder- sehen mit bekannten Hinterteilen. Das KG II wurde 1961 eröffnet. Mer- ken Sie, wie sich das Ernährungsver- halten seitdem verändert hat? Na ja, Filterkaffee oder Latte macchiato macht für uns keinen Unterschied. Ob aber jemand Fleisch isst, vegetarisch oder vegan lebt, merken wir schon. Die Details erspare ich Ihnen. Das Gebäude soll bald saniert wer- den. Was wünschen Sie sich? Eine automatische Sitzreinigung! Well- ness nach jedem Arbeitseinsatz. Viel- leicht würden wir dann vor den Groß- veranstaltungen im Audimax weniger stinken… Alumni antworten: Gabriele Schoder Impressum uni'leben, die Zeitung der Universität Freiburg, erscheint fünfmal jährlich. Herausgeber Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer Verantwortlich für den Inhalt: Rudolf-Werner Dreier, Leiter Öffentlichkeits- arbeit und Beziehungsmanagement Redaktion Rimma Gerenstein (Redaktionsleitung), Nicolas Scherger, Yvonne Troll Anschrift der Redaktion Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Albert-Ludwigs-Universität Fahnenbergplatz 79085 Freiburg Telefon: 0761/203-8812 Fax: 0761/203-4278 E-Mail: unileben@pr.uni-freiburg.de Auflage 14.000 Exemplare Gestaltung, Layout Kathrin Jachmann Anzeigen Gregor Kroschel Telefon: 0761/203-4986 E-Mail: gregor.kroschel@zv.uni-freiburg.de Druck und Verarbeitung Freiburger Druck GmbH & Co. KG Vertrieb Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit und Beziehungsmanagement Jahresabonnement Euro 9,– ISSN 0947-1251 © Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. 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