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uni'leben 01-2016

01 2016 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 11 von Anita Rüffer Sie haben Ihr tägliches Schrittziel erreicht. Großartig!“, lobt die Health- App auf dem Smartphone. Mehr als 12.000 Schritte hat sie bei einer kleinen Winterwanderung im Schwarzwald ge- zählt. Wenn das kein Ansporn ist, besser auf sein tägliches Quantum Bewegung zu achten! Mit zunehmender Verbreitung des Alleskönners Smart- phone – 55 Prozent aller Bundesbürge- rinnen und Bundesbürger über 14 Jahre besitzen eines – nehmen immer mehr Menschen den „digitalen Doktor“ in Anspruch. Puls oder Blutzucker messen, Ernährungs- und Fitnesstipps geben, über Krankheiten informieren: Weltweit existieren mindestens 380.000 Apps mit Gesundheitsbezug, sagt Dr. Martin Boeker. Im Auftrag einer Krankenkasse hat der Mediziner und Informatiker vom Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik gemeinsam mit dem Studienzentrum des Univer- sitätsklinikums Freiburg und einer privaten Firma Gesundheits- und Ver- sorgungs-Apps genauer überprüft. In- halte und Funktionen unterscheiden sich erheblich – von eindimensionaler Infor- mation bis zu interaktiven Angeboten. Quellensuche im Impressum „Kein unabhängiger Experte kann all diese Angebote bewerten“, sagt Boeker. Wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie zuverlässig oder nützlich solche Apps für die Gesundheit sind, seien Mangelware. „Das ist nicht wie in der Apotheke, wo man sich darauf ver- lassen kann, dass verschreibungs- pflichtige Medikamente geprüft sind.“ Die Nutzerinnen und Nutzer kommen laut der Freiburger Studie nicht darum herum, die Qualität einer App selbst zu beurteilen. Dafür gibt es eine Checkliste: Ist die App einfach zu handhaben? Kann ich ihr vertrauen? Sind meine Daten geschützt? „Unbedingt im Im- pressum nach der Quelle suchen“, empfiehlt Boeker. Oder eine Bewer- tungsplattform konsultieren. Auf sich allein gestellt, könnten Patien- tinnen und Patienten leicht in Panik geraten, wenn sie zum Beispiel per App einen Leberfleck scannen und die Diagnose „Melanom“ erhalten. „Der digitale Gesundheitsmarkt kann die persönliche Betreuung eines Patienten durch Fachleute aus den Gesundheits- berufen nicht ersetzen, sondern allen- falls ergänzen“, urteilt der Pflegewis- senschaftler Dr. Martin Lucht vom Studienzentrum. Verschiedene Unter- suchungen prophezeien dem digitalen Markt, den sich inzwischen auch die Medizin zunutze macht, ein gewaltiges Wachstum: von drei Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 17 Milliarden weltweit im Jahr 2020. Krankheiten verhindern und verzögern Die Freiburger Wissenschaftler haben sich besonders für jene Apps interes- siert, die von der Medizin als offizielle Bausteine in Behandlungsabläufe inte- griert werden. Etwa 40.000 dieser rei- nen Medizin-Apps haben sie gezählt. Auch verschiedene Abteilungen des Universitätsklinikums wenden solche Apps mittlerweile an. Das Tumorzen- trum etwa plane, auf diesem Weg Pa- tienten individuell über die einzelnen Behandlungsschritte zu informieren. Schmerzpatienten könnten über digitale Tagebücher ihr Leiden dokumentieren und ihrer Hausärztin oder ihrem Haus- arzt die weiteren Behandlungsschritte erleichtern. Dem Team zufolge könn- ten die Anwendungen dabei helfen, das Auftreten medizinisch definierter Krankheiten zu verhindern, zu verzö- gern oder diese zu behandeln, wenn sie schon aufgetreten sind. Die Patien- ten müssten jedoch im richtigen Um- gang mit den Apps geschult werden. Bei all den Möglichkeiten, die sich damit für die Gesundheit eröffnen, bleibt die Frage: Öffnen solche Apps womöglich auch Werbemaßnahmen der Pharmaindustrie Tür und Tor? Auf eine „unspezifische Kritik an der Phar- maindustrie“ mag sich Boeker nicht einlassen. „Man muss im Einzelfall ent- scheiden. Apps der Pharmaindustrie können auch Patientenaufklärung be- treiben.“ Im besten Fall, so das Fazit der Studie, können Online-Coaching, telemedizinische Überwachung – etwa von Blutzuckerwerten – oder der Datenaustausch mit dem Arzt per App zu einer besseren Versorgung der Patienten führen. Das gelte vor allem für strukturschwache Regionen und in Zeiten eines starken Fachkräftemangels. Darüber hinaus könnten sie dabei helfen, Kosten zu sparen. kompass Der digitale Doktor Ein Team der Universitätsklinik Freiburg hat in einer Studie Gesundheits- und Versorgungs-Apps geprüft Mit dem Smartphone Muttermale scannen: Die Patienten müssen im richtigen Umgang mit den Apps geschult werden, betont das Team. FOTO: SANDRA MEYNDT Neue Kurse, neues Zertifikat Das Interne Fort- und Weiterbildungs- programm 2016 der Universität Freiburg ist erschienen. Neu sind darin unter an- derem Kurse zum Online-Informations- system Superx oder zum Einsatz sozi- aler Medien, Sprachkurse wie etwa Verwaltungsfranzösisch sowie eine Vor- tragsreihe zum Thema „Psychische Be- lastungen am Arbeitsplatz“, die sensibi- lisieren und Präventionsmöglichkeiten aufzeigen will. Außerdem können Mitar- beitende in Verwaltung und Technik künftig ein „Zertifikat Interkulturelle Kompetenz“ erwerben. Dafür besuchen sie ein zweitägiges interkulturelles Trai- ning und nehmen an einem mindestens fünftägigen Personalaustausch mit einer ausländischen Hochschule teil. Des Weiteren müssen sie Englischkenntnis- se nachweisen, die mindestens dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäi- schen Referenzrahmens entsprechen. Die jeweiligen Nachweise sind innerhalb von drei Jahren zu erbringen. von Martin Jost Skip Landau ist ein Tel Aviver Archi- tekt und Familienvater, den eine plötzliche Vorahnung zwingt, sich ein Ticket zu kaufen und nach Paris zu fliegen. Kurz darauf passiert dort ein Zugunglück. Ein junger Mann, der Skip völlig fremd ist, kommt ums Leben. Die hilflose Seele des Toten bleibt noch eine Weile bei ihm, bevor sie sich ganz von der Welt verab- schiedet. Von da an passiert Skip alle paar Jahre dasselbe: Ohne dass er weiß, was von ihm erwartet wird, wird er zu einem bevorstehenden Unglück gerufen und leistet sterbenden See- len Gesellschaft. Das Buch ist kein Genre-Roman. Für Grusel ist der Ich-Erzähler viel zu affektlos, und zu Esoterik neigt er nicht. Ihn interessiert nur, was er an- fassen kann. Der Roman ist eine mit viel Motivik angereicherte Charakter- studie. Dass Skip alles, was er ist, nur halb ist, ist so ein Motiv: ein hal- ber Jude, kein richtiger Architekt und nicht der leibliche Vater seiner Söhne. Ein weiteres Motiv ist die Unfähigkeit, zu kontrollieren, wie die eigene Lebens- geschichte erzählt wird. Skip ist ein unverbesserlicher Grübler, passiv und deprimiert. Er zieht falsche Schlüsse und lebt dann nach ihnen. Er wartet immer nur ab und nimmt nichts in die Hand. Unter den anderen Opfern ist er in guter Gesellschaft. Geschrieben, frankiert, nicht abgeschickt Vor der Kulisse des Israel-Palästina- Konflikts in den 1990er und 2000er Jahren spielen sich in Skips Leben einige Familiendramen ab. Der Held und die Leserinnen und Leser verges- sen darüber fast seine seltenen über- natürlichen Erlebnisse. Skip wünscht sich ein Heimatland, das zur Ruhe kommt, doch die Spannungen in Israel verstärken sich zusehends. Er hat palästinensische wie jüdische Freun- dinnen und Freunde und lehnt es ab, für sein Architekturbüro Siedlungen in besetzten Gebieten zu planen. Das macht dann eben die Konkurrenz. Skip baut alte Häuser zu Traum- immobilien um und hat beruflichen Erfolg. Er vergisst nur, Pläne für sich selbst zu machen. Der Architekt erzählt in einem lan- gen Gedankenstrom, mit vielen Ein- schüben und Abschweifungen, ver- bunden durch Kommata, die eigentlich Punkte sein sollten, voller Schwer- mut oder voller Gleichgültigkeit, mit wörtlicher Rede ohne Gänse- füßchen. Das ganze Buch, stellt sich heraus, ist ein einziger lan- ger Brief an seine Lebensgefähr- tin, der er aus irgendeinem Grund nicht sagen kann, was ihn umtreibt. Frankierte, aber nie abgeschickte Briefe sind übrigens auch so ein Motiv in Katharina Hackers „Skip“. Katharina Hacker wurde 1967 in Frankfurt am Main geboren und studierte von 1986 bis 1990 Philo- sophie, Geschichte und Judaistik an der Universität Freiburg. Da- nach wechselte sie für einige Jahre an die Hebräische Universi- tät Jerusalem. Seit 1996 lebt sie in Berlin. Ihr erstes Buch hieß „Tel Aviv – Eine Stadterzählung“, es folgten Erzählungen und Romane. Für „Die Habenichtse“ erhielt Hacker 2006 den Deutschen Buchpreis. Ein Opfertyp sieht Geister Katharina Hackers Roman „Skip“ handelt vom Übernatürlichen, aber nur ganz am Rande Katharina Hacker: Skip. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2015. 384 Seiten, 21,99 Euro. Frankfurt am Main geboren und studierte von 1986 bis 1990 Philo- sophie, Geschichte und Judaistik an der Universität Freiburg. Da- nach wechselte sie für einige Jahre an die Hebräische Universi- tät Jerusalem. Seit 1996 lebt sie in Berlin. Ihr erstes Buch hieß „Tel Aviv – Eine Stadterzählung“, es folgten Erzählungen und Romane. Katharina Hacker: Skip. www.weiterbildung.uni-freiburg.de/iwb  Studie „Gesundheits- und Versorgungs-Apps – Hintergründe zu deren Entwicklung und Einsatz“: www.pr.uni-freiburg.de/go/studie_app  012016

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