01 2016 2 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de aktuell Am 13. März 2016 wird in Baden- Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt. Thomas Goebel hat den Freiburger Politikwis- senschaftler Prof. Dr. Uwe Wagschal gefragt, was Deutschland erwartet. uni’leben: Herr Wagschal, welche Rolle spielt die Flüchtlingsdebatte für die Landtagswahlen am 13. März? Uwe Wagschal: Laut einer Umfrage ist sie für 72 Prozent der Leute in Baden-Württemberg das wichtigste Thema – ein sensationell hoher Wert, obwohl die Befragung noch vor der Silvesternacht in Köln stattfand. Das wird den Wahlkampf dominieren, in Baden-Württemberg vielleicht stärker als „Stuttgart 21“ vor fünf Jahren. Mit welchen Folgen? Wir hatten 2011 in Baden-Württem- berg eine Wahlbeteiligung von knapp 65 Prozent – das ist viel für eine Land- tagswahl. Fukushima und „Stuttgart 21“ hatten für eine Mobilisierung vor allem bei den Grünen, aber auch bei der SPD gesorgt. Dieses Jahr könnte vor allem die SPD Probleme bekommen, ihre Wählerinnen und Wähler wieder so zu mobilisieren; Fragen der inneren Sicherheit werden typischerweise eher von der CDU bedient. Wer dagegen sicher profitiert, sind Parteien am rech- ten Rand, vor allem die AfD. Ein weite- rer Effekt wird die Polarisierung des Wahlkampfs sein. Wird die AfD in allen drei Bundes- ländern profitieren? Am stärksten sicher in Sachsen- Anhalt, dort gab es in der Vergangen- heit starke rechte Parteien wie die DVU, die 1989 fast 13 Prozent erreich- te. In Baden-Württemberg haben wir aber auch Erfahrungen mit rechten Parteien: Die Republikaner waren 1992 und 1996 im Landtag und 1968 die NPD. Ich halte daher für die AfD in Baden-Württemberg ein zweistelliges Ergebnis für möglich. Rheinland-Pfalz ist laut Umfragen etwas resistenter, aber auch dort wird die AfD wohl in den Landtag einziehen. Falls FDP und Linke die Fünf-Pro- zent-Hürde schaffen, könnten sechs Parteien im baden-württembergi- schen Landtag sitzen … Das entspricht dem generellen Trend zur Fragmentierung des Parteien- systems, wobei ein Einzug der Linken unwahrscheinlich ist. Welche Koalitionen könnten sich dann ergeben? Der heißeste Kandidat ist eine große Koalition. Die SPD wird weniger Stim- men bekommen als die Grünen, was sie für die CDU attraktiv macht, denn es regiert sich leichter mit einem klei- nen Koalitionspartner, auch vor dem Hintergrund der Bundesratssituation. Für Schwarz-Gelb reicht es wohl nicht, und eine Koalition mit der AfD hat die CDU ja ausgeschlossen. Und Schwarz-Grün? Wir hatten diese Diskussion schon vor 20 Jahren unter Günther Oettinger, und Grüne wie Freiburgs Oberbürger- meister Dieter Salomon oder Landwirt- schaftsminister Alexander Bonde wären sicher Protagonisten für Schwarz-Grün. Ich denke trotzdem, dass es auf bei- den Seiten zu viele Vorbehalte gibt. Die Vergangenheit war nicht gerade von einem pfleglichen Umgang mitein- ander geprägt, siehe „Stuttgart 21“. Die Grünen stehen in Baden- Württemberg in Umfragen bei knapp 30 Prozent. Warum sind sie so viel stärker als in anderen Bundesländern? Das muss man differenzieren. Bei der Bundestagswahl 2013 lagen sie in Baden-Württemberg nur bei knapp elf Prozent. Die Grünen im Land sind real- politischer orientiert als die in Nord- deutschland. Und sie sind kommunal gut verankert, es gibt eine erkleckliche Zahl grüner Oberbürgermeister, nicht zuletzt in der Landeshauptstadt und in Freiburg. Baden-Württemberg hat auch eine grüne Tradition: Hier wurden der erste Landesverband und die Bundes- partei gegründet. Und Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist populär. Das kommt als ganz wichtiger Faktor hinzu, Kretschmann hat unglaublich gute Umfragewerte. Die hatte er übri- gens vor der letzten Wahl so noch nicht, damals galt Stefan Mappus als der kompetentere Kandidat. Jetzt hat Kretschmann einen Landesvaterbonus, der vielleicht den Verlust kompensiert, den die Grünen bei Sachthemen erlei- den könnten. In diesem Wahlkampf kommt zum ersten Mal der „Debat-O-Meter“ zum Einsatz, den Sie gemeinsam mit Ihrem Team und Ihrem Freiburger Kollegen Prof. Dr. Bernd Becker vom Institut für Informatik entwickelt haben: eine Software, mit der Zu- schauerinnen und Zuschauer politi- sche Debatten per Smartphone oder Tablet in Echtzeit bewerten können. Wie sind die ersten Ergebnisse? Vielfältig. Wir können ganz genau den Verlauf einer Debatte beobachten. Bei unserem Testlauf während des TV- Duells hat zum Beispiel Kretschmann beim Thema der Gesundheitsversor- gung der Migrantinnen und Migranten besonders gut abgeschnitten. Heraus- forderer Guido Wolf konnte bei der Bil- dung besonders punkten. Zudem kann man feststellen, wer in den Augen wel- cher Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewonnen hat, wie viele von einem Diskutanten zum anderen gewechselt sind und was die Unentschlossenen von der Debatte gehalten haben. Es braucht in Zukunft nicht mehr die übli- chen „Expterinnen“ und „Experten“, die einen Kandidaten zum Sieger erklären. Wir stehen da noch ganz am Anfang, aber dank der prima Zusammenarbeit mit der Informatik hoffen wir, zur Bundes- tagswahl 2017 den Debat-O-Meter bundesweit einsetzen zu können. Welches Thema wird die Land- tagswahl in Baden-Württemberg entscheiden? Verbunden mit dem Flüchtlingsthema, wird der Umgang mit der inneren Sicher- heit wichtig. Die Grünen sind schon in einzelnen Punkten von ihrem Wahlpro- gramm abgerückt, könnten hier aber ein Glaubwürdigkeitsproblem bekom- men. Thema Nummer zwei wird meines Erachtens die Bildungspolitik, da ist viel passiert: Abschaffung der Grund- schulempfehlung, G8 und G9, Einfüh- rung der Gemeinschaftsschulen. Ich würde mir wünschen, dass auch die stark wachsenden öffentlichen Finan- zen eine Rolle spielen. Am heftigsten reformiert worden ist übrigens in der Hochschulpolitik – von der besseren Finanzierung der Universitäten über die Abschaffung der Studiengebühren bis zum Ausbau von Bachelor- und Masterstudiengängen und der Reform der Lehrerausbildung. Aber das interes- siert außerhalb der Hochschulen nicht. Wie der Politikwissenschaftler Uwe Wagschal den Ausgang des Superwahlsonntags einschätzt Als zentrale Themen der Landtagswahl sieht Uwe Wagschal die innere Sicherheit und die Bildungspolitik – doch auch die stark wachsenden öffentlichen Finanzen sollten ihm zufolge eine Rolle spielen. Foto: Patrick Seeger Drei Kreuze machen Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer sieht die Albert-Ludwigs-Universität in seinem Jahresbericht auf einem guten Weg: 2015 hat die Universität das Insti- tut für Nachhaltige Technische Systeme an der Technischen Fakultät gegründet und gemeinsam mit den Freiburger Fraunhofer-Instituten das „Leistungszen- trum Nachhaltigkeit“ eröffnet. Fortschritte gab es auch beim Aufbau des European Campus: Die Partner-Universitäten am Oberrhein gründeten den „Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit“. Mit dem Freiburg Advanced Center of Education hat die Universität in der Leh- re ebenfalls eine wegweisende Koope- ration gestartet. Gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg wird sie eng in der Lehrerbildung zusam- menarbeiten. Außerdem hat sie das Lehramtsstudium zum Wintersemester 2015/16 reformiert und einen Zwei- Hauptfächer-Bachelorstudiengang ein- gerichtet. Der „Master of Education“ wird zum Wintersemester 2018/19 folgen. Positive Jahresbilanz Einmal im Monat kürt ein Team des Botanischen Gartens der Universität Freiburg eine besonders gelungene Aufnahme zum „Besucherfoto des Monats“ und veröffentlicht sie auf sei- ner Webseite. An Motiven fehlt es nicht: Der Garten beherbergt etwa 6.000 verschiedene Pflanzenarten aus aller Welt sowie eine Vielzahl von Tieren. Nebenbei können Interessier- te viel über die Pflanzenwelt und über aktuelle Forschungsergebnisse aus der Bionik sowie aus anderen Gebie- ten der Botanik lernen. Wer beim „Be- sucherfoto des Monats“ mitmachen möchte, kann ein ausgewähltes Bild täglich von 8 bis 11.30 Uhr und von 12.30 bis 16.30 Uhr im Sekretariat im Gebäude der Gartendirektion bei den Teichen, Schänzlestraße 1, 79104 Freiburg abgeben oder per E-Mail an katja.stauffer@biologie.uni-freiburg. de schicken. Der Botanische Garten hat täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt ist kostenfrei. Besucherfoto im Botanischen Garten www.pr.uni-freiburg.de/pm/2015/rektorat- jahresbericht-broschuere-2015-16.pdf www.botanischer-garten.uni-freiburg.de Foto: peter mesenholl 012016