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uni'wissen 02-2012

Exquisit, eine exquisite Maschine“, versichert der Verkäufer einem Ehepaar, das einen Kaffeeautomaten beäugt. Im Geschäft gegen- über werfen zwei junge Frauen einem Pullover aus der Kollektion eines französischen Desi­ gners begehrliche Blicke zu. Wenn Kaschmir doch nur nicht so teuer wäre. Ein paar Meter weiter reihen sich Restaurants, Buchhandlungen, Juwe- lierläden, Nagelstudios, Kosmetiksalons und Elektrogeschäfte aneinander. Die Musik dröhnt, ein ständiges Stimmengewirr begleitet die Men- schen bei ihrer Shoppingtour. Die „Golden Resources Shopping Mall“ in ­Peking ist nicht nur eines der größten Einkaufs- zentren Chinas, sondern der Welt: mehr als 1.000 Geschäfte, 20.000 Angestellte und 230 Aufzüge. Ein Konsumtempel, so groß wie 70 Fußballfelder. Mit Einkaufstaschen bepackte Männer und Frauen? Fehlanzeige. Die meisten bummeln von Schaufenster zu Schaufenster, vertreiben sich die Zeit in Kettenrestaurants wie McDonald’s oder der Starbucks Coffee Company. „Auch wenn sie in der Mega-Mall wenig Geld ­liegen lassen, konsumieren sie“, sagt Dr. Lena Henningsen. „Sie nehmen an Praktiken des All- tags teil und genießen die Atmosphäre, den Luxus und Glamour teurer und begehrter Produkte.“ Die Freiburger Juniorprofessorin für Sinologie erforscht die gegenwärtige Konsumkultur in ­chinesischen Metropolen wie Schanghai, Peking oder Nanjing. Zu den Attraktionen zählen zum Beispiel Kaffeespezialitäten US-amerikanischer Ketten und überteuerte Nudelsuppen eines japa- nischen Anbieters. Solche Produkte seien bei Verbraucherinnen und Verbrauchern besonders beliebt: „Sowohl für Käufer als auch für Her­ steller sind sie in den Kosten und in der Qualität vorhersehbar.“ Zum Untersuchungsgegenstand der Wissenschaftlerin gehören auch populäre Romane, viel gelesene Blogs sowie einige ­beliebte koreanische oder taiwanesische Fern- sehserien und Filme. Die Konsumlandschaft in den Großstädten sei paradox, sagt Henningsen. Zwar wachse der Wohlstand, doch die sozialen Sicherungssysteme wie Renten- oder Kranken- versicherung seien immer noch nicht gut ent­ wickelt. Das Ergebnis: Die Produkte blieben meistens in den Shopping Malls liegen, weil viele Menschen gezwungen seien zu sparen. „Ein Großteil der Chinesinnen und Chinesen gibt nur für Weniges viel Geld aus: Auto, Wohneigentum, die Bildung der Kinder und – notgedrungen – den Arzt.“ Die Forscherin hat eine Methode gewählt, die literaturwissenschaftliche und ethnologische Elemente enthält. Sie kombiniert die Lektüre und Interpretation kultureller Texte mit Interviews, die sie in China mit Besucherinnen und Besuchern von Kettenrestaurants geführt hat. Warum kom- men sie hierher? Wie verbringen sie hier ihre Zeit? Was bestellen sie am liebsten? „Mich inte­ ressiert nicht, was die Leute essen oder trinken. Ich will wissen, was es über ihr kulturelles Selbstverständnis aussagt, wenn sie behaupten: ‚Bei Starbucks gibt es meinen Lieblingskaffee.‘“ Raum für Rendezvous Moderne Kaffeespezialitäten und Fast Food haben sich in den vergangenen 20 Jahren fast überall auf der Welt als Trendprodukte durchge- setzt. Im urbanen Durcheinander Chinas kommt den Ketten, die sie vertreiben, jedoch eine ­besondere Bedeutung zu. „Sie gelten als roman- tische Orte“, erklärt die Forscherin. In dem so- wohl in Taiwan als auch in China erfolgreichen Die ersten McDonald’s-Filialen in China waren nach ihrer Eröffnung jahrelang beliebte Orte für Rendez- vous. Heute sind Kinder und ältere Menschen die häufigsten Kunden. Foto: BYTE RIDER/Flickr „Ein Großteil der Chinesinnen und Chinesen gibt nur für Weniges viel Geld aus“ Frappuccino, Salted ­Caramel Mocha, Iced ­Latte: Die ­US-amerikanische Kette Starbucks ­bietet Kaffee­ spezialitäten an, die ­das ­Lebensgefühl des modernen und ­eleganten „Westens“ vermitteln sollen. Foto: suttonls/Flickr

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