Nikolaus Piper hat in der Mensa gerne Gulaschsuppe gegessen. Foto: Süddeutsche Zeitung Meine Mensa: Nikolaus Piper Gulaschsuppe, Chlorgeruch und politische Ideen GröSSen der Geschichte: Hans Spemann Warum sich der 1869 in Stuttgart gebo rene Zoologieprofessor Hans Spemann schon früh in seiner wissenschaftlichen Laufbahn mit Amphibien beschäftigte, ist nicht dokumentiert. Dass er damit sehr erfolgreich war, ist dagegen auch heute noch weit über Expertenkreise hinaus bekannt. 1935 bekam der ab 1919 in Freiburg forschende und lehrende Wissenschaftler als erster Entwick lungsbiologe den Nobelpreis für Physio logie oder Medizin. Spemann hatte herausgefunden, dass Zellen bestimmter transplantierter Keimbereiche des Molch embryos auf benachbarte Zellen Ein fluss nahmen. Solche Zellgruppen, die andere Zellen umfunktionieren können, bezeichnete er als „Organisator“. „Für sei ne Zeitgenossen und auch aus heutiger Sicht waren das epochale Erkenntnisse“, sagt der Freiburger Entwicklungsbiologie Prof. Dr. Klaus Sander. Hans Spemanns Enkel Wolf hat seinen Großvater als einen Wissenschaftler in Erinnerung, der sich selbst als „Natur forscher“ bezeichnete und ständig in seine Arbeit vertieft war. „Er war ein großer, schlanker Mann, der sehr witzig sein konnte.“ Trotz seiner intensiven Forschung habe er sich Zeit für die Fami lie genommen. „Er hat für mich mit einem ganz feinen Strich eine wunderschöne Glockenblume gezeichnet, die ich immer aufbewahrt habe.“ Das künstlerische Talent gab der Nobelpreisträger an seine vier Kinder weiter: Sie wählten Berufe, die die Fähigkeit zum Zeichnen oder zum künstlerischen Gestalten voraussetzen. Naturforscher und Nobelpreisträger Eva Opitz Mädchen mögen Milchreis – immer freitags in der Mensa. Foto: Kunz Es gibt außer Freiburg noch andere schöne Städte. Eine davon heißt New York. Dort arbeite ich seit fast sechs Jahren als Korrespondent der Süddeut schen Zeitung, was ich als Privileg be trachte. Auch meine Zeit in Freiburg machte mich zu einem privilegierten Menschen. Hier habe ich bei der Badi schen Zeitung meinen Beruf gelernt, im Sommersemester 1978 meinen Ab schluss als Diplomvolkswirt gemacht und gutes Essen kennengelernt. Letz teres allerdings nicht unbedingt in der Mensa. Um ehrlich zu sein: Meine Erinne rungen an die Mensa sind gemischt. Der stärkste Eindruck war, dass es meist nach Chlor roch. Bemerkenswert war auch das Spalier von Bücher tischen kommunistischer Gruppen, das man auf dem Weg zur Essensausgabe durchschreiten musste. Gerne mochte ich die Gulaschsuppe, die es nach mei ner Erinnerung häufig samstags gab. Dagegen weigerte ich mich, den Milch reis zu essen, der immer freitags aus gegeben wurde und für den – aus Gründen, die ich bis heute nicht heraus gefunden habe – besonders Mädchen schwärmten. Wie schon angedeutet, war die Mensa in den Siebzigern ein Forum für alle möglichen politischen Ideen. Mein vielleicht kuriosestes Erlebnis in dieser Hinsicht: Am 1. Mai 1975 ging der Vietnamkrieg mit der Niederlage der amerikanischen Truppen zu Ende. Tags drauf standen zwei Kommilitonen aus einer Gruppe, die sich „Kommu nistische Partei Deutschlands“ nannte, in der Mensaeinfahrt und schwenkten Flaggen, eine rote und eine blau-rote mit dem Stern des Vietcong, um den Sieg des kommunistischen Nordens zu zelebrieren. Ich fragte einen der beiden, ob er komplett verrückt gewor den sei. Worauf dieser antwortete: „Na, du wirst dich noch wundern, wenn die Weltrevolution kommt.“ Seither warte ich auf die Weltrevolution. Bisher vergeblich. Hans Spemann erhielt als erster Entwick- lungsbiologe den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Foto: Universitätsarchiv Freiburg 21uni'alumni 2013 Alumni-Netzwerk