Forschung auf höchstem Niveau, anspruchsvolle Lehre, herausragende Betreuung der Studierenden und nicht zuletzt ein Netzwerk aus einflussreichen Alumnae und Alumni: Die Harvard University gehört zu den besten und renommiertesten Universitäten der Welt. Eingebildet sind die Studierenden trotzdem nicht, findet Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier. „Trotz eines Lesepensums von etwa 600 Seiten in der Woche sowie Prüfungen und Hausarbeiten am Ende jedes Semesters wirken sie recht entspannt.“ Der Freiburger Professor für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte hat von Januar bis Juli 2012 an der amerikanischen Hochschule gelehrt. Der Aufenthalt war Teil einer neuen, weltweit einzigartigen Kooperation. Sie basiert auf einer Idee, die Brüggemeier mit dem Harvard-Geschichts professor Sven Beckert entwickelt hat. Die Historiker lernten sich vor vielen Jahren in Deutschland kennen. „Wäre es nicht toll, einen Austausch von Wissen und Lehre zwischen den beiden Universitäten anzuregen?“, dachten sie sich. Das Ergebnis heißt „Harvard College Europe Program“. Im Rahmen der ersten Runde verbrachten 20 amerikanische Studierende ein halbes Jahr in Freiburg. Beckert begleitete sie während ihres Aufenthalts – und Brüggemeier vertrat den Kollegen in Harvard. Kreativer Spielraum Fundamentale Unterschiede zu deutschen Hochschulen sind dem Freiburger Wissenschaftler in der Ausbildung der Studierenden aufgefallen. Am Anfang ihres Bachelorstudiums wählen sie aus dem gesamten Spektrum der Disziplinen, erst nach zwei Jahren entscheiden sie sich für einen fachlichen Schwerpunkt. „Dieser Spielraum bietet jungen Menschen die Chance, kreativ zu denken, ihre Stärken und Schwächen herauszuarbeiten“, sagt Brüggemeier. „Von diesem Modell könnten auch Studierende in Deutschland profitieren.“ Die Lehrbedingungen empfand der Historiker ebenfalls als reiz voll: In den meisten Kursen sitzen zwischen fünf und zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Solche kleinen Gruppen sind für die Qualität der Lehre die wichtigste Voraussetzung.“ Die Ausbildung der Bachelorstudierenden sei das Herzstück, die eigentliche Kernaufgabe der Spitzenuniversität, beobach tete Brüggemeier. „Harvard ist vor allem wegen der Absolven tinnen und Absolventen berühmt, die nach ihrem Studium erfolgreiche Karrieren in der Wirtschaft oder Politik machen, nicht etwa aufgrund des Graduiertenprogramms.“ Großes Alumni-Netzwerk Jedes Jahr sind zahlreiche Ehemalige bei der großen Absolventenfeier vertreten – ob zum Examen ihrer Kinder oder zum eigenen Abschlussjubiläum. Bei einer Feier, die Brügge meier besuchte, spendete allein ein Jahrgang früherer Absol venten der Universität fast 70 Millionen US-Dollar. Das Alumni-Netzwerk der Harvard University ist ein ausgeklügeltes Modell, das ihr Renommee und enorme Geldsummen einbringt. Wäre das auch für deutsche Hochschulen hilfreich? „Ein Zusam mengehörigkeitsgefühl unter Studierenden und eine Verbunden heit mit der Universität sind wünschenswert“, sagt der Historiker. „Aber die Alumni unterstützen ihre Universität auch, weil sie wissen, dass sie von ihr ein Leben lang profitieren werden – nach dem Motto: Wenn ich in Harvard studiert habe, ist meine spätere Karriere so gut wie gesichert.“ Rimma Gerenstein Porträt Frischer Blick auf Freiburg Der Historiker Franz-Josef Brüggemeier lehrte im Rahmen einer Kooperation für ein Semester an der amerikanischen Spitzenuniversität Harvard Zurück in der Bibliothek des Kollegiengebäudes IV: Franz- Josef Brüggemeier war für ein halbes Jahr Gastprofessor an der Harvard University. Foto: Seeger 24