06 2012 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7campus Im so genannten Kleinen Dekanei- hof, am Standort der heutigen Alten Universität, begann 1460 der Lehrbe- trieb an der frisch gegründeten Frei- burger Universität. In der Folgezeit erwarb die Universität benachbarte Bürgerhäuser. Auf deren Kellerwänden errichteten die Jesuiten, die 1620 den Lehrbetrieb übernahmen, bis 1726 den heutigen Gebäudekomplex mit Innen- hof und Universitätskirche. Er blieb 200 Jahre lang das Hauptkollegienge- bäude der Universität und wurde erst 1911 mit der Einweihung des Kollegien- gebäudes I in „Alte Universität“ umbe- nannt. Durch den Bombenangriff auf Freiburg am 27. November 1944 ging das historische Raumgefüge verloren. Lediglich Teile der Außenwände an der Bertoldstraße, die Giebelwand der Kirche und das 1871 gepflanzte Baum- paar im Innenhof blieben erhalten. Beim Wiederaufbau nach dem Krieg wurde eine zweckmäßige in- nere Betontragstruktur errichtet und das äußere Erscheinungsbild weitge- hend wiederhergestellt. Mit großzü- giger finanzieller Unterstützung der US-amerikanischen McCloy-Stiftung entstand 1952 im Erdgeschoss das so genannte Studentenhaus, bestehend aus einer Teeküche, einem Lesesaal mit internationalen Tageszeitungen und einem Theatersaal. Die Ober- geschosse blieben der Forstwissen- schaftlichen Fakultät vorbehalten. 2001 fiel die Entscheidung, im Erdgeschoss das Uniseum einzurichten, das 2007 zum 550-jährigen Bestehen der Uni- versität eingeweiht wurde. Vor einigen Wochen ist die Alte Universität zum University College Freiburg mutiert: In den historischen Räumen entwi- ckeln Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler nun fächerübergreifende, forschungsorientierte Lehrkonzepte – etwa den deutschlandweit einzigarti- gen Bachelorstudiengang Liberal Arts and Sciences. UniAkzente Ob formschön, funktional oder futuristisch: Die Gebäude der Albert- Ludwigs-Universität setzen Akzente im Freiburger Stadtbild. In einer Serie stellt uni’leben einige der interessantesten Bauten vor. Zum College mutiert von Wolfgang Reichle In der Alten Universität begann 1460 der Lehrbetrieb – heute befinden sich dort das Uniseum, die Universitätskirche und das University College Freiburg. Foto: Universitätsbauamt Freiburg Die Freiburger Slavistinnen und Slavisten sind in Feierlaune: Vor 50 Jahren hatten Studierende zum ersten Mal die Möglichkeit, an der Albert-Ludwigs-Universität das Fach Slavische Philologie, sprich: slavische Sprachen und Kulturen zu studieren. Heute ist die Freiburger Slavistik trotz ihrer geringen Perso- nalstärke ein erfolgreiches Institut: national und international gut ver- netzt und mit einer Reihe von her- ausragenden Forschungsprojekten und bestens bewerteten Studien- gängen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feierten das Jubiläum mit zwei Konferenzen, die unter anderem die Bedeutung der slavischen Kulturen für den aleman- nischen Raum thematisierten. Freiburger Slavistik feiert ihr 50-jähriges Bestehen www.slavistik.uni-freiburg.de Rekord an der Universität Freiburg: Im Vergleich zum Wintersemester 2011/12 hat sich die Gesamtzahl der Studierenden im Wintersemester 2012/13 von 22.992 auf 24.071 er- höht. Die Zahl der Neu- und Erstim- matrikulierten, die bereits im Vorjahr um zehn Prozent auf 5.553 gestie- gen war, erreichte in diesem Jahr mit 5.682 Einschreibungen einen neuen Spitzenwert. „Die Universitätsstra- tegie eines qualitativen Wachstums ist aufgegangen“, sagt Prof. Dr. Hei- ner Schanz, Prorektor für Lehre. Dies werde beispielsweise an den Studienwechslern deutlich, die nach abgeschlossenem Bachelorstudium an einer anderen Hochschule zu ei- nem Masterstudium nach Freiburg kommen: 663 Studierende und da- mit 25 Prozent mehr als im Vorjahr sind von anderen Studienorten nach Freiburg gewechselt. Zudem bestätigt die beachtliche Zahl von 3.474 inter- nationalen Studierenden – das sind 57 mehr als im Vorjahr – , dass die Albert-Ludwigs-Universität weltweit als attraktiver Studienort gilt. Andrang an die Universität ist ungebrochen Wahrheit und Dichtung: Der Wandfries im Sommerkarzer erzählt die Lebensgeschichte des Studenten Anton Thomas Trautner in realen und erfundenen Episoden. Fotos: Richter von Franziska Richter Ein Mann in dunkler Hose und ge- streifter Weste steht mit dem Rü- cken zum Betrachter auf einem Stuhl, um aus dem Fenster zu blicken: Dieses Bild ist eines der bekanntesten Motive des Wandfrieses, der im Sommerkarzer im Kollegiengebäude I der Universität Freiburg unterhalb der Decke über vier Wände verläuft. Bei dem Mann handelt es sich um Anton Thomas Trautner, der aus Roding in Bayern nach Freiburg gekommen war, um Medizin zu studie- ren. Im April 1912 saß er als Erster im Sommerkarzer ein. Der Disziplinarbe- amte hatte ihn für schuldig befunden, gegen die akademische Sitte verstoßen zu haben, und ihn mit zehn Tagen Kar- zerhaft bestraft. Seit ihrer Gründung im Jahr 1457 besaß die Universität Freiburg als selbstständige Körperschaft eine unabhängige akademische Gerichts- barkeit. Sie bestrafte die Vergehen ihrer Mitglieder mit Geldbußen, einem Verweis von der Universität oder mit Karzer. Anfangs besaß sie die niedere und höhere Gerichtsbarkeit und konn- te nicht nur kleinere Delikte, sondern auch schwere Verbrechen bestrafen. Einen Studenten verurteilte sie we- gen Mordes, einen zweiten wegen Raubes zum Tode. Erst im 18. und 19. Jahrhundert verlor die Universität die Gerichtshoheit an den Staat. Das Dis- ziplinarrecht jedoch blieb ihr auch im Kaiserreich erhalten und berechtigte sie, pöbelnde, lärmende und betrunke- ne Studenten in Karzerhaft zu nehmen. Dieses Schicksal widerfuhr auch Anton Thomas Trautner. Erwin Arthur Rousseau zeichnete den Wandfries, der die Lebensgeschichte seines Freundes in realen und erfundenen Episoden erzählt und diesem in ei- ner Inschrift gewidmet ist. Rousseau beginnt die Geschichte rechts vom Fenster, wo er Trautner als spielenden Jungen zeigt. Als junger Mann imma- trikuliert er sich und nimmt dann an den damals üblichen studentischen Fechtübungen, am Kartenspiel und an Gesellschaftsabenden teil. Anschlie- ßend betrinkt er sich in einer Bar und stößt auf einen Polizisten. Der „Bier- richter“, wie die Studenten den Diszi- plinarbeamten Dr. Ernst Klotz nannten, sorgt dafür, dass Trautner seine Strafe verbüßt. Rousseau malte den Beam- ten mit einem Löwen zu Füßen – eine spöttische Anspielung auf den Uni- versitätspatron Hieronymus. Danach entwarf er das zukünftige Leben sei- nes Freundes: Als Geläuterter been- det Trautner erfolgreich sein Studium, gründet eine Familie und bringt es zu gesellschaftlichen Ehren. Der Fries en- det auf der linken Seite des Fensters mit dem Tod, durch den Trautner ins Himmelreich eingeht. Weniger poetisch ist die Zeichnung einer Toilette mit Spülung, Klobürste und dem Wunsch nach einer guten Verrichtung im Winterkarzer. Dieser liegt ein Stockwerk tiefer und war im Gegensatz zum Sommerkarzer be- heizbar. Der erste Insasse war der Medizinstudent Walter Stegmüller im Jahr 1911. Die Polizei nahm ihn in der Nähe des Martinstors fest, als er einen Polizeibeamten mit dem Spazierstock auf den Rücken schlug. Wenige Wo- chen zuvor hatte die Universität ihn noch als ihren 3.000sten Studenten gefeiert. Seine Kommilitonen nann- ten ihn deshalb „König des Zufalls“. Stegmüllers Profil findet sich auf der Wand unterhalb des Wappens seiner Studentenverbindung Hercynia, das zur Zeit seiner Inhaftierung entstand. Es ist jedoch unklar, ob er es gemalt hat. Eindeutig zuzuordnen ist ihm hin- gegen ein Gedicht, in dem er seine Geschichte beschreibt. Auch andere Studenten hinterließen ihre Namen an den Wänden oder ritzten sie in ein Fensterbrett. Im Jahr 1913 saß Ferdi- nand Gasters für drei Tage im Winter- karzer ein, nachdem er betrunken in einem Wirtshaus herumgepöbelt hatte. Er schrieb unter das Wappen seiner Burschenschaft Alemannia die Wor- te „Carcerem delectat“ – auf Deutsch: „Genoss den Karzer“. Kunst im KarzerInhaftierte Studenten haben im Sommer- und im Winterkarzer der Universität Freiburg Spuren hinterlassen, die bis heute zu sehen sind Praktische Wandmalerei: Der Künstler wünscht seinen Nachfolgern im Winterkarzer eine „gute Verrichtung“.