02 2014 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 5forschen von Mathilde Bessert-Nettelbeck Wer eine Tür öffnen will, braucht ei- nen Schlüssel – zum Beispiel um Nanopartikel, winzige Wirkstoffkapseln, in Tumorzellen hineinzuschleusen. Der Schlüssel musste bislang ein Protein sein, ein so genannter Rezeptor. Er erkennt nur diejenigen Moleküle auf den Tumorzellen, die ihm als Schloss dienen könnten. Proteine und Re- zeptoren bestehen aus Aminosäuren. Forscherinnen und Forscher nutzen die Eigenschaften dieser organischen Verbindungen, indem sie über die Ket- ten von Aminosäuren gezielt bestimm- te Zelltypen anpeilen. Auf dieses Rezeptor-Liganden-Prin- zip, einen Grundpfeiler der Biologie, hat sich die Nanomedizin bisher ver- lassen. Die Forscher hoffen, mit die- sem Ansatz Krebs und andere Krank- heiten in Zukunft direkt an der Zelle behandeln zu können. Doch bisher fehlt es an der gewünschten Genau- igkeit. „die moleküle auf der oberflä- che von Krebszellen sind nicht nur von Mensch zu Mensch sehr verschieden. Sie verändern sich auch mit der Zeit“, erklärt Prof. Dr. Prasad Shastri, Institut für Makromolekulare chemie und Ex- zellenzcluster BIOSS centre for Biolo- gical Signalling Studies der Universität Freiburg. Lieferadresse von Zuckern Doch die chemie kann einen an- deren Schlüssel zur Zelle vorweisen: Shastri und seine Doktorandin Julia Voigt haben eine grundlegend neue Methode entwickelt, Tumoren mit Na- nopartikeln anzupeilen, ohne auf die altbekannten Rezeptoren zurückzu- greifen. „Die Struktur unserer Teilchen ist wie eine bisher unentdeckte Post- adresse des Tumors“, sagt Shastri. Sein Anpeilsystem nutzt die chemischen Ei- genschaften von Fetten, Zuckern und anderen Makromolekülen als Liefer- adresse. Er zielt jedoch nicht direkt auf die Tumorzellen ab, sondern will mit der rein auf der chemie der Nanopartikel beruhenden Targeting- oder Anpeilme- thode den Tumor aushungern. Tumoren bestehen aus Zellen, die sich unkontrolliert teilen, wachsen und sich dann im Körper verbreiten. Dazu brauchen sie viel Energie. Die bekom- men sie von Blutgefäßen, die von den Tumorzellen rekrutiert und zum Wachs- tum angeregt werden. Mit Wirkstoffen, die mit Nanopartikeln direkt in die Blut- gefäßzellen, so genannte Endothel- zellen, geliefert werden, können die Forscher die Blutgefäße am Wachsen hindern oder zum Absterben bringen. Der Tumor verhungert, kann sich nicht mehr verbreiten und schrumpft. „Dank der Ladung und Fettlöslich- keit der Molekülketten, aus denen die Partikel gebaut sind, werden diese be- sonders von Endothelzellen aufgenom- men“, sagt Voigt. Nanokapseln können in Zellen eintreten, wenn sie von der Zelloberfläche, an der sie angedockt haben, über eine blasenartige Einstül- pung hineingetragen werden. Dieser Vorgang heißt Endozytose. Die Zell- membran besitzt Fettinseln, an denen die Endozytose öfter vorkommt. In ei- ner solchen Fettinsel sind die Fettsäu- ren der Zellhülle verändert, sodass sie, wie Butter in einer Ölschicht, fester sind als der Rest. Sie kommen beson- ders oft auf der oberfläche der endo- thelzellen vor. Die Forscher fanden heraus, dass die Molekülketten oder Polymere, aus denen die Nanopartikel bestehen, chemisch zu den Fettinseln passen und sich deswegen vor allem dort anlagern. So werden sie öfter in die Zelle eingeschleust. „Es gibt noch viele andere Tore in die Zelle hinein, wir müssen nur Nanopar- tikel entwickeln, die zu den jeweiligen chemischen Eigenschaften der Tore passen, um sie an Zielzellen zu schi- cken“, betont Voigt. „Die Polymere, mit denen wir die Nanopartikel bauen, gab es schon. Der Targeting-Mechanismus ist das Neue.“ Wirkstoffe einschleusen Shastri und Voigt freuen sich be- sonders darüber, dass ihre Studie zu der Anpeilmethode als Titelthema der renommierten Fachzeitschrift „Pro- ceedings of the National Academy of Sciences“ erschienen ist. „Wir denken, dass es viele Kolleginnen und Kol- legen inspirieren wird, mit dem Tar- geting-Prinzip weiterzuarbeiten“, sagt Shastri. Sein Ziel ist es nun, die neue Methode für die Nanomedizin nutzbar zu machen. Gemeinsam mit seinem Team will der chemiker diese Technik weiterentwickeln – nicht nur, um Tu- moren über ihre Blutgefäße auszuhun- gern, sondern auch, um neue Wege zu finden, Wirkstoffe in tumorzellen einzuschleusen. Es sieht aus wie eine Supernova, doch die bunte Wolke besteht aus Nanopartikeln, die an eine Blutgefäßzelle andocken. Foto: PraSad ShaStri/JuLia VoiGt Peilung auf der Fettinsel Prof. Dr. Michael Reth erhält für sei- ne Erkenntnisse zur Funktionsweise des Immunsystems den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis der Paul Ehrlich-Stiftung. Zum ersten Mal seit 1996 geht der Preis wieder an ei- nen Wissenschaftler, der in Deutsch- land forscht. Reth ist Professor für Molekulare Immunologie am Institut für Biologie III der Universität Freiburg und Sprecher des Exzellenzclusters BIOSS centre for Biological Signalling Studies. Außerdem leitet er die Abtei- lung für Molekulare Immunologie, die am Max-Planck-Institut für Immun- biologie und Epigenetik angesiedelt ist. Die Auszeichnung ist mit 100.000 Euro dotiert und gilt als eine der wich- tigsten Forschungsehrungen Deutsch- lands. Mit Reth würdigt die Stiftung einen Entdecker, der wie schon Medi- zin-Nobelpreisträger Paul Ehrlich ent- ziffert, wie Immunität auf der Ebene der Moleküle entsteht – um auf diese Weise neue Wege zu finden, Krebs und Infektionskrankheiten zu heilen. Reth untersucht, wie der menschliche Körper Fremdstoffe erkennt und sich verteidigt. Dafür erkundet er die 50 bis 150 Nanometer großen Organisa- tionsbereiche von Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Der Immunologe Michael Reth er- forscht, wie der menschliche Körper Fremdstoffe erkennt und sich verteidigt. Foto: uWe dettmar/PauL ehrLiCh-StiFtuNG Hohe Auszeichnung für Michael Reth Welche biologischen und samm- lungsgeschichtlichen Merkmale von Skeletten sollten Forscherinnen und Forscher erheben? Welche Methoden eignen sich dafür? Und wie gelingt es, die gewonnenen Daten digital zu archi- vieren und verfügbar zu machen? Ein Team um Prof. Dr. Ursula Wittwer-Back- ofen, Leiterin des Instituts für Anthropo- logie, und Prof. Dr. Dieter Speck, Leiter des Freiburger Universitätsarchivs, will Standards zur Erschließung historischer anthropologischer und anatomischer Forschungssammlungen entwickeln. Die Deutsche Forschungsgemein- schaft unterstützt das Vorhaben in den kommenden drei Jahren mit 320.000 Euro. Bestehende anthropologische Forschungssammlungen unterschei- den sich stark hinsichtlich ihrer Entste- hung, Inhalte und Dokumentation. Es gibt bislang keine einheitlichen Krite- rien, die den Datenaustausch sowie Vergleiche zwischen anthropologischen Sammlungen vereinfachen würden. Die Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen einen Vorschlag für eine standardisierte Datenaufnahme in Skelettsammlungen erarbeiten, eine Open-Source-Datenbank dafür entwi- ckeln und das Konzept an der histori- schen Alexander-Ecker-Sammlung des Uniseums Freiburg testen. Standards für anthropologische Sammlungen Zeitschrift über das Scheitern von Staatskunst „Behemoth – A Journal on civili- sation“ ist eine Online-Zeitschrift mit aktuellen Forschungsbeiträgen, die sich mit dem Scheitern von Staats- kunst und den daraus resultierenden Konsequenzen auseinandersetzen. Die aktuelle Ausgabe mit dem Titel „Das Andere der Ordnung“ ist die ers- te, die über das Open Journal System der Universitätsbibliothek Freiburg ver- öffentlicht wird. Herausgegeben wird sie von Forscherinnen und Forschern der Universitäten Freiburg und Leip- zig. Die Zeitschrift versteht sich als Plattform zur Diskussion über Risiko und Ordnung in Gesellschaften, in de- nen staatliche Institutionen ihre Kraft verlieren oder schon verloren haben. Sie will geeignete Ansätze diskutieren, um diese neuen, bisweilen instabilen Regime der Ordnung und Unordnung zu analysieren. http://ojs.ub.uni-freiburg.de/ behemoth Der Chemiker Prasad Shastri und sein Team entwickeln Nanopartikel, die von Blutgefäßzellen aufgenommen werden und Krebsgewebe aushungern können lebendi te das lebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendi tete das Denn kein anderes Konto macht so beweglich wie Warum ist contomaxx ein Konto wie kein anderes? Weil es als Freizeit- und Erlebnis- konto Banking und Service, Reisen und Sicherheit perfekt zusammenbringt. 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