02 2014 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7 von Martin Jost Freiburg ist keine Stadt, in der An- bieterinnen und Anbieter von biologisch, nachhaltig und regional angebauten Lebensmitteln sich ihre Kundschaft erst heranziehen müssten. Doch es gibt auch Menschen, die nicht zur Stammkundschaft von Bioläden ge- hören und trotzdem sicher sein möch- ten, dass ihr Essen nicht auf Kosten der Umwelt produziert wurde – und solche, die sich noch keine Gedanken über die Herkunft ihrer Nahrung gemacht ha- ben, aber für sachdienliche Hinweise offen sind. „Wir wollen Menschen au- ßerhalb der grünen Blase erreichen“, sagt Philipp Gassner. Er hat mit seinem Kommilitonen Mark Owe Heuer eine Smartphone-App programmiert, die ihren Nutzerinnen und Nutzern verrät, wie sie an gute Lebensmittel kommen. Die beiden Entwickler studieren Envi- ronmental Governance an der Univer- sität Freiburg. Ihr Jahrgang mit 28 Stu- dierenden aus 22 Ländern hatte sich „The cost of Food“ zum Thema gewählt und über mehrere Semester bearbeitet. Heuer und Gassner fragten sich, wie ein möglichst niederschwelliges In- formationsangebot aussehen könnte. Eine App für Smartphones und Tablets war für sie die Antwort, denn die Ge- räte sind allgegenwärtig, und die inte- grierte Kartenfunktion, die Ergebnisse auf den Standort der Userinnen und User zuschneidet, ist Voraussetzung für einen hohen Nutzwert. Obstbäume für alle „mAppetizing“ ist ein Wortspiel aus „App“, „appetizing“ (wie „appetitlich“) und „map“ (wie „Karte“). Die gut 100 eingepflegten orte sind mit GPS-Ko- ordinaten gespeichert. Ein Nutzer kann wahlweise im Umkreis seines Stand- orts oder einer bestimmten Adresse nach Angeboten suchen. Das sind zum Beispiel Wochenmärkte, Bioläden, cafés und Restaurants. Oder Obstbäu- me, die nicht auf Privatgrundstücken stehen und von denen jeder Früchte pflücken darf. „die angebote, die wir in ‚mappetizing Freiburg‘ eingepflegt haben, müssen wenigstens eines von drei Kriterien erfüllen: Sie sollten biolo- gisch, nachhaltig hergestellt und mög- lichst regional sein“, sagt Heuer. Kaf- fee zum Beispiel kann das Kriterium der Regionalität nicht einhalten, aber wenn er „bio“ und „fairtrade“ ist, hat er zwei von drei Kriterien erfüllt. „Wir wollen den Nutzern auf einfache Art und Weise Informationen an die Hand geben, wie man anders konsumieren kann“, sagt Gassner – und zwar mit jeder Ernährungsform. „Wir wurden schon gefragt, ob wir Hardcore-Vega- ner seien. Aber wir wollen überhaupt nicht missionieren.“ Gerade das Ein- kaufen sei bei den meisten Menschen ein so automatisierter Prozess, dass es schwer sei, mit Gewohnheiten zu brechen. Auf der anderen Seite könne man gerade deshalb viel für die Um- welt bewirken, wenn man die Konsu- mentinnen und Konsumenten erreiche. Jetzt überlegen Heuer und Gassner, wie sie noch mehr Nutzer für ihre kos- tenlose App begeistern können. Gern würden sie mit einem Link in den Erst- semesterpaketen neu zugezogene Stu- dierende darauf hinweisen. „In Freiburg gibt es viele Möglichkeiten zum nach- haltigen Einkaufen“, sagen die Ent- wickler. „Wenn man neu in der Stadt ist, muss man sie aber erst gezeigt bekommen.“ Heuer und Gassner sind beide für ihren Master nach Freiburg gekommen. Heuer hat in Lüneburg Sozialwissenschaften studiert, Gassner Geo-Ökologie in Tübingen. Für ihre App haben sie ihren gesamten Freun- deskreis um Tipps gebeten, freuen sich aber auch, wenn User eigene Entde- ckungen und Geheimtipps melden, die dann aufgenommen werden können. Vorerst pflegen die Programmierer die Daten zentral. „Das soll in Zukunft mehr und mehr von den Usern getra- gen werden“, sagt Gassner. Aber zu einem reinen community-Projekt soll „mAppetizing Freiburg“ nicht werden, um die Qualität der Daten sicherzustel- len. Heuer und Gassner haben auch schon Ideen, wie sie das Angebot der App ausweiten können: „Als Nächstes würden wir gern Direktvermarkterhöfe in die Datenbank aufnehmen – und eines Tages vielleicht die zahlreichen Strau- ßen rund um Freiburg.“ campus Hinführung In der Vergangenheit erfüllten Schwarze Bretter viele Funktionen, die heute soziale Netzwerke, Kleinanzei- genseiten sowie Onlinewerbung wahr- nehmen. Ziel dieser Untersuchung ist es, herauszufinden, ob analoge Schwarze Bretter auch heute noch ein vollwertiges Medium der Kommuni- kation zwischen Anbieterinnen und Anbietern sowie Nutzerinnen und Nut- zern sind. Methode Zur Beurteilung des Nutzwerts der untersuchten Schwarzen Bretter wur- de ein Modellstudent erdacht, der mit einer für neu Zugezogene typischen Erwartungshaltung auf ein Schwar- zes Brett stößt. Dieser Modellstudent möchte offline die Fragen beantwor- ten: Wie verdiene ich Geld? Wo kann ich wohnen? Wie komme ich an ein Fahrrad? Wie kann ich politisch aktiv werden? Nach quantitativer Analyse eines einzelnen Schwarzen Bretts ver- sucht der Student, Angebotslücken hinsichtlich der oben aufgezählten An- sprüche durch sukzessive Einbezie- hung umliegender Schwarzer Bretter zu schließen. Erhebung Als repräsentativ ausgewählt wur- de das Schwarze Brett an der Außen- wand des café Senkrecht auf dem Innenstadtcampus. Das Medium ist eine als Pinnwand angelegte Konst- ruktion, an der in zahlreichen Schich- ten Plakate, Flugblätter und Gesuche angebracht sind. Für die Erhebung be- rücksichtigt wurden Zettel und Plakate, deren wesentliche Informationen ohne größere Umstände lesbar waren – das heißt, ohne das Klebeband abzulösen, jedoch unter Zuhilfenahme einer Lupf- technik. Das Schwarze Brett präsentierte am Stichtag (17. März 2014) 67 ein- zelne Aushänge. Die Mehrzahl (n = 18) pries kulturelle Veranstaltungen an – vom Programmkino bis zum Hinweis auf den 3. Spieltag der Roll- stuhl-Rugby-Regionalliga Süd („mit Bewirtung“). Sechs Aushänge hatten den Wohnungsmarkt zum Thema. Elf aushänge fielen in die Kategorie Ge- brauchtwarenmarkt. Hier waren unter anderem ein Elektroherd, ein Esstisch, ein camping-Heizstrahler, Stühle, ein New-York-Poster, Fahrräder, diverse Schränke, ein Bett („gebraucht“) sowie ein Snowboard zu haben. Eine vierte Kategorie von Aushängen (n = 11) um- fasste Angebote von bildungsnahen Dienstleistungen und Lehrgängen – un- ter anderem einen „KorrekturService“ oder einen „offenen Tanzkurs, inspiriert durch modernen afrikanischen Tanz“. An diesem Punkt hätte der Modellstu- dent unter Umständen ein WG-Zimmer zumindest zur einmonatigen Zwischen- miete finden, eine erstausstattung an Möbeln erwerben und ein Fahrrad kaufen können. Mit der Lektüre eines Schwarzen Bretts an nur einem Tag würde er aber noch nicht vollständig auf seine Kosten kommen – einen Job hätte er nicht gefunden. Auch die Aus- weitung des Blicks auf andere Pinn- wände im Erdgeschossbereich der Kollegiengebäude (KG) I und III för- derte angesichts der Wirtschaftslage kaum Stellenangebote zutage. Einzig ein Aushilfsjob in einem Motorradla- den war vor dem Eingang zum KG III ausgeschrieben. Eine lange Flucht aus Schwarzen Brettern im Erdgeschoss des KG I ist Verlautbarungen einzel- ner Interessengruppen vorbehalten. auf diesen Wandzeitungen findet der Modellstudent Kontaktadressen der Studierendenvertretung und politischer Gruppen an der Universität. Schlussfolgerung und Kritik Ein materiell gut ausgestattetes sowie kulturell abwechslungsreiches Leben ist bei regelmäßiger Recher- che auf Schwarzen Brettern möglich, aber schwierig. Viele Fresszettel sind in Wahrheit verkappte Hypertexte in dem Sinne, dass ein Kontakt zum An- bieter doch wieder nur über das In- ternet hergestellt werden kann. Die Mitfahrgelegenheit nach Hause, wenn Ende des Monats Wäsche gewaschen werden muss, ist sogar ausschließlich online organisierbar. Die letzte analo- ge Alternative in Form eines Mitfahrer- Annoncenkästchens im Foyer des KG III wurde vor wenigen Jahren abgeris- sen. Eine nachhaltige Entscheidung? Nachhaltig essen in Freiburg Studierende aus dem Studiengang Environmental Governance haben die App „mAppetizing Freiburg“ programmiert Brett vorm Kopf Können Studierende auch im Internetzeitalter alles Lebensnotwendige auf Schwarzen Brettern finden? Martin Jost wagt eine Studie im Selbstversuch. mAppetizing Freiburg Die App gibt es für iOS- und Android- Geräte jeweils im App Store bezie- hungsweise auf Google Play. Die kos- tenlose App informiert Nutzerinnen und Nutzer auf Basis ihres Standorts über nahe gelegene Einkaufsmög- lichkeiten, Restaurants, zum Ernten freie Obstbäume und „Geheimtipps“. Vorläufig enthält die datenbank nur Hinweise aus dem Raum Freiburg. www.mappetizing.de www.costoffood.org Die App zeigt unter anderem die Stand- orte von Wochenmärkten, Bioläden, cafés, Restaurants und Obstbäumen. FOTO: MAPPETIZING FREIBURG Mark Owe Heuer (links) und Philipp Gassner freuen sich über Tipps von Nutzern, mit denen sie den Daten- bestand ihrer App erweitern können. FOTO: MARTIN JOST Der Modellstudent hat heraus- gefunden: Ein Schwarzes Brett allein macht nicht glücklich. FOTO: MARTIN JOST