02 2014 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 8 kompass „Alles hängt zusammen wie bei einem Auto“ Betriebsarzt Dr. Jürgen Pietsch er- klärt, wie Büromenschen gesund- heitliche Schäden vermeiden können. uni’leben: Herr Pietsch, ist es un- gesund, oft und lange zu sitzen? Jürgen Pietsch: Wenn Sie über ei- nen größeren Zeitraum hinweg eine Fehlhaltung einnehmen und sich nicht bewegen, ist langes Sitzen ungesund. menschen, die häufig oder sogar täg- lich an einem Büroarbeitsplatz sitzen, sollten auf eine entspannte, ergonomi- sche Haltung achten. Stellen Sie Ihren Bürostuhl ein, indem Sie zum Beispiel die höhe der Sitzfläche verändern. die Beweglichkeit der Lehne sollte an Ihr Gewicht angepasst sein. Außerdem sollte man die Körperhaltung häufig wechseln und nicht in einer Position verharren. In der Mittagspause oder in der Freizeit ist es gut, sich zu be- wegen: Das lockert die Muskeln und fördert die Durchblutung. Welche gesundheitlichen Folgen kann es haben, wenn der Arbeits- platz nicht gut gestaltet ist? Ein erstes Warnzeichen ist, dass man erschöpft und weniger leis- tungsfähig ist. Büromenschen leiden zudem häufig unter so genannten Zivi- lisationskrankheiten wie Diabetes und Übergewicht. Fehlhaltungen können zu Arthrose, Bandscheibenschäden und anderen Problemen führen. Die übliche computermaus sorgt dafür, dass Sie Ihren Unterarm um 45 bis 90 Grad ro- tieren und unnatürlich halten. Dadurch verspannt sich die Schultermuskulatur, und es kann zu Schmerzen im Nacken kommen. Das nennen wir „Mausarm“. Alles hängt zusammen wie bei einem Auto: Wenn jemand rechts hinten aus dem Reifen die Luft rauslässt, geht vor- ne der Kotflügel nach oben. es ist daher wichtig, dass wir den Arbeitsplatz ganz- heitlich prüfen und alle Elemente aufei- nander abstimmen. Das Arbeitsklima und das kollegiale Umfeld sind weitere entscheidende Faktoren: Wer sich nicht wohlfühlt, ist unglücklich. Psychische Belastung manifestiert sich oft in Rü- ckenschmerzen. Welchen Service bietet der Arbeits- medizinische Dienst an? Wir machen Sehtests, bei denen wir Brillenträgerinnen und -träger zur richtigen Stärke beraten und häufig eine Fehlsichtigkeit aufdecken. Bei Lesebrillen misst man üblicherweise den Wert, der für die Entfernung zwi- schen Auge und Buch optimal ist. Ein computerbildschirm ist aber meistens weiter weg. Dann kann es sein, dass jemand dem Bildschirm mit vorgebeug- tem Oberkörper „entgegenkriecht“. Bei einer solchen Untersuchung spreche ich mit der Mitarbeiterin oder dem Mit- arbeiter auch über ergonomisches Sit- zen und die individuellen Bedingungen am Arbeitsplatz. Außerdem biete ich Beratungen vor Ort an, bei denen ich mir ein Büro anschaue und beispiels- weise auch eine Lichtmessung ma- chen kann. Dr. Jürgen Pietsch ist Betriebsarzt und betreut die Beschäftigten der Albert-Ludwigs-Universität sowie des Universitätsklinikums Freiburg. Foto: SAnDrA MeynA MeynA Dt Bewegtes Büro Abroller Sitzen Sie aufrecht auf dem vorde- ren Drittel des Stuhls, Füße und Knie sind hüftbreit geöffnet. Der Rücken ist gerade, die Arme hängen locker ne- ben dem Körper, die handinnenflächen zeigen nach vorn. Beim Ausatmen die Schultern nach vorne ziehen, wodurch sich die handinnenflächen nach hinten drehen. Den Oberkörper nach unten sinken lassen, indem Sie ihn Wirbel für Wirbel abrollen und wieder langsam aufrichten, den Kopf zuletzt. Drei- bis viermal wiederholen, am besten mehr- mals am Tag. „Die Übung mobilisiert die Wirbelsäule, das heißt, sie macht sie beweglich“, erläutert Dr. Gabriela Reuss. Rückendreher Setzen Sie sich aufrecht und ent- spannt hin, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Dann den Oberkörper so weit nach links drehen, dass Sie eine leichte, angenehme Dehnung spüren. Währenddessen einatmen und den Brustkorb weiten. Die Position etwa fünf Sekunden halten. In die Aus- gangsposition zurückdrehen, dabei tief ausatmen. Die Übung in die an- dere Richtung wiederholen. „Machen Sie insgesamt maximal fünf Wieder- holungen je Seite in ruhigem Tempo“, rät Reuss. Dieser Bewegungsablauf mobilisiert die gesamte Wirbelsäule. Apfelpflücker Stehen Sie aufrecht, die Füße sind etwa hüftbreit positioniert. Strecken Sie die Arme über den Kopf Rich- tung Decke, und greifen Sie abwech- selnd mit den Händen nach oben in die Luft, als wollten Sie Äpfel von einem Baum pflücken. Spreizen Sie dabei die Finger der greifenden Hand und schließen Sie diese danach zur Faust. Die andere Hand senkt sich neben den Körper ab. „Nicht ver- gessen: Immer gleichmäßig ein- und ausatmen. Genießen Sie das Gefühl, sich in die Länge zu ziehen“, sagt Reuss. Machen Sie die Übung zwei- bis dreimal jeweils etwa 30 Sekun- den lang. Sie streckt die Wirbelsäule. E-Mails checken und dann kurz „Äpfel pflücken“? Das ist gut für den Rücken. Gabriela Reuss vom Institut für Sport und Sportwissenschaft erklärt drei Übungen, die Bewegung in den Büroalltag bringen. Rebekka Hils, Studentin der Sportwissenschaft und Sporttherapie und Trainerin beim PausenExpress der Albert-Ludwigs- Universität, macht vor, wie es geht. Weitere Bewegungsangebote Training am Arbeitsplatz mit dem PausenExpress: www.gesunde.uni-freiburg.de/ projekte/pausenexpress Gesundheitsförderung für Beschäftigte beim Allgemeinen Hochschulsport: www.pr.uni-freiburg.de/go/sportangebot Fitness- und Gesundheitszentrum: www.fgz.uni-freiburg.de Weiterbildungskurse der Freiburger Akademie für Universitäre Weiterbildung: www.pr.uni-freiburg.de/go/ gesundheit-kurse Ein persönlich gestalteter Arbeitsplatz sorgt für gute Laune und Motivation – auch das Arbeitsklima ist wichtig. Wenn der Bildschirm vor dem Fenster steht, kann das Sonnenlicht blenden. Das Fenster sollte sich aber auch nicht im Monitor spiegeln. Der Bürostuhl sollte so eingestellt sein, dass sich alle großen Gelenke – Ell- bogen, Hüfte und Knie – in einem rechten Winkel be- finden. der rücken sollte die Lehne berühren. In dieser Position ist die Wir- belsäule entlastet. Sitzpo- sition öfter wechseln. Die Luftfeuchtigkeit im Büro ist oft zu niedrig, sie sollte nicht weniger als 40 Prozent betragen. Eine Pflanze kann das raum- klima verbessern. Eine ergonomische Maus un- terstützt die natürliche Hand- haltung und beugt dem so genannten Mausarm vor. Bei diesem Syndrom entstehen durch die häufigen und immer gleichen Bewegungen mit der computermaus Schmerzen in Schulter, Nacken, Arm oder Hand. Vor der Tastatur sollte ge- nügend Platz sein, um die Hand auflegen zu kön- nen. Sonst sind Schulter- und Armbeschwerden unausweichlich. Der computer-Arbeits- platz sollte gleichmäßig beleuchtet sein. Hohe Kontrastunterschiede sind für das menschliche Auge anstrengend. Beide Füße sollten im Idealfall nebeneinander stehen. Wer beispiels- weise die Beine überein- anderschlägt, strapaziert auf Dauer die Lenden- wirbelsäule – kurzfristig ist diese Haltung aber in Ordnung. Die Beine soll- ten unter dem Tisch min- destens 60 Zentimeter Freiraum haben. Der Monitor sollte nicht höher als das Auge sein. Wer ständig nach oben schauen muss, bekommt Nackenver- spannungen. Optimal ist, wenn der Bildschirm eine Neigung von etwa 10 bis 25 Grad nach hinten hat. Ideal ist ein Abstand von 45 bis 70 Zentimeter zwischen Bildschirm und Gesicht. Wer viel am Schreibtisch arbeitet und dabei nicht richtig sitzt, riskiert Erkrankungen und dauerhafte Schäden. Katrin Albaum zeigt, was das perfekte Büro ausmacht und wie sich Vielsitzer fit halten können. ILLUSTRATION: SVENJA KIRScH Der optimale Arbeitsplatz FOTOS: THOMAS KUNZ Gesund im Büro