Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de Alles auf einen Blick: Der Semesterkalender für das akademische Jahr 2014/15 liegt bei. 04 2014 Treffende Töne: Was das Sprach- lehrinstitut anbietet > 2 Kluge Köpfe: Was die Intelligenz von Hunden ausmacht > 4 Bessere Bilder: Wie eine neue Methode Gehirnaktivität zeigt > 5 FOTO:BASCHIBENDER FOTO:CLAIRELIZ / FOTOLIA FOTO:PATRICKSEEGER Für jedes Ei, das die Beinhaus-Wespe in der Baumröhre deponiert, erlegt sie eine Spinne – Nahrung für die bald schlüpfende Larve. Außerdem jagt die Art Ameisen, mit denen sie das Nest verschließt. Ökologen der Universität Freiburg haben eine neue Insektenart entdeckt, die Nachkommen mit toten Ameisen schützt von Mathilde Bessert-Nettelbeck Klein, schwarz und unschein- bar sind die drei Insekten im Glaskasten von Dr. Michael Staab. Nicht einmal ein gelb-schwarzes Streifenmuster enttarnt sie als Wespen. Doch diese wenig exo- tisch anmutenden Tiere aus China weckten im Juli 2014 das Interes- se der Medien: Staab und Prof. Dr. Alexandra-Maria Klein vom Institut für Geo- und Umweltnaturwissen- schaften der Universität Freiburg hatten eine unbekannte Wespenart mit einem Lebenswandel wie aus einer Gruselgeschichte entdeckt. Sie gaben dem Tier den Namen Deuteragenia ossarium –„Beinhaus- Wespe“. Dr. Michael Ohl vom Ber- liner Museum für Naturkunde hatte diese Idee. Der Name verweist auf das morbide Verhalten der Art, die zur Familie der Wegwespen gehört. Das nur etwa sieben bis 15 Millime- ter große Insekt schließt sein Nest, das es in röhrenartigen Baumlö- chern errichtet, mit einem Korken aus toten Ameisen ab. Wie die anderen Mitglieder der Familie der Wegwespen erlegt auch das Weib- chen der Beinhaus-Wespe für jedes Ei, das es in die Röhre legt, eine Spinne, die der bald schlüpfenden Larve als Nahrung dient. Zusätzlich jagt diese Art Ameisen, mit denen sie den Nesteingang verschließt. Gruselige Deko im Kinderzimmer Kreativ im Nestbau sind die meis- ten Wegwespen. Allerdings erschei- nen Ameisen auf den ersten Blick als Baumaterial weniger geeignet als Lehm oder Blätter. Doch Michael Staab zeigte in einer Studie, die in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“ er- schien, dass die Mauer andere Wes- penarten vom Nest fernhält. „Ob es sich bei der Ameisenwand um Ver- teidigung oder um Tarnung handelt, können wir noch nicht ausmachen“, sagt der Ökologe. Die Nester ande- rer Wegwespen werden häufig von parasitischen Wespen heimgesucht, die wie eine Art Insektenkuckuck Eier in die Röhren oder sogar in die Lar- ven legen. Die Wegwespenlarven sterben, weil die Eindringlinge ihnen den Vorrat wegfressen oder weil sie ihnen selbst als Nahrung dienen. Vor der Ameisenmauer der Bein- haus-Wespen fürchten sich die Pa- rasiten jedoch: Die Ameisenarten, die darin eingebaut werden, sind groß, und die Tiere haben eine schmerzhaften Stachel, den sie zur Verteidigung ihrer Kolonie ein- setzen. Unklar ist, ob die Ameisen- wand wie eine „chinesische Mauer“ vor Angreifern schützen oder die- sen vorgaukeln soll, das Nest sei eine Ameisenkolonie: Einzudrin- gen wäre für die Parasiten nicht nur gefährlich, das Nest wäre auch kein guter Ort, um Eier abzulegen. Staab fuhr nicht mit dem Ziel nach China, neue Arten zu be- schreiben, „auch wenn wir mit sol- chen Entdeckungen rechneten“, erklärt er. Die Freiburger sind am Projekt „Biodiversity – Ecosystem Functioning“ (BEF) der Deutschen Forschungsgemeinschaft betei- ligt: 400 Kilometer westlich von Schanghai erfassen Forscherinnen und Forscher von mehr als 15 Uni- versitäten aus China, Deutschland und der Schweiz in abgesteckten Arealen, welche Baumarten in den subtropischen Waldgebieten wachsen. Sie untersuchen, wie Ökosysteme reagieren, wenn Ar- tengemeinschaften verändert wer- den. Staab maß die Artenvielfalt von Insekten, die in Löchern nisten, indem er Nestfallen aus Schilfstän- geln aufstellte und dann die Tie- re bestimmte, die sie besiedelten. Beim Aufschneiden der besetzten Stängel entdeckte er immer wie- der den Deckel aus toten Amei- sen – und schließlich die Wespe. „Manche Raubwanzen schmücken sich zur Abwehr mit Ameisen, aber deren Verwendung zum Nestbau ist neu und einzigartig.“ Das Tier beim Namen nennen Vor etwa zwei Jahren machten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich mithilfe von Michael Ohl an die beschwerliche Aufgabe, die neue Art zu charakte- risieren. Minutiös mussten sie den Körperbau der Wespe beschrei- ben und mit den Holotypen ähn- licher Wespenarten vergleichen. Ein Holotyp ist das Museumsex- emplar, das eine Art definiert. Um eine neue Art zu bestimmen, müs- sen Forscher nachweisen, dass sich die jeweiligen Tiere aus- reichend von ihren Verwandten unterscheiden. Die Benennung der Art folgt einem wissenschaftlichen Kodex, dem „International Code of Zoo- logical Nomenclature“. Der Holotyp der Beinhaus-Wespe liegt nun in einem Glaskasten in Bejing/China. Das Verhalten der Tiere kennzeich- net die Art. „Uns ist wichtig, dass dieses besondere Verhalten nicht nur als Gruselgeschichte erzählt wird“, gibt Klein zu bedenken. „Wir hoffen, es weckt stattdessen die Begeisterung für die vielen wun- dersamen Dinge, die es in der Natur noch zu entdecken gibt.“ Gut gelandet: Die aus China stammende Beinhaus-Wespe ist nur etwa sieben bis 15 Millimeter groß. FOTOS: MICHAEL STAAB Wespe mit Waffen