04 201404 2014 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 10 Auf Umwegen zum Traumberuf Ahmad Haidar ist Erzieher und an den Uni-Kitas beinahe allein unter Frauen menschen von Anita Rüffer Er kannte den Namen seines künfti- gen Berufs noch nicht. Aber dass dieser etwas mit Kindern zu tun haben sollte, war Ahmad Haidar nach Jahren des Suchens klar. „Erst im Berufsinfor- mationszentrum bekam ich mit, dass man heute von Erziehern spricht statt von Kindergärtnern.“ Männer sind in diesem Metier ohnehin dünn gesät. An den vier Uni-Kitas war der Dreißig- jährige lange der einzige Mann beim pädagogischen Personal. Seit Anfang September 2014 gibt es einen zweiten. Die Kinder können von Glück sagen, dass der gebürtige Bremer nicht als Verkäufer in einem Discounter hän- gen geblieben ist, was leicht hätte passieren können. Nach der mittleren Reife hatte Haidar eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann angefan- gen. „Aber ich habe schon im ersten Jahr gemerkt, dass das nix für mich ist.“ Zwar habe ihm der Kontakt mit den Kundinnen und Kunden gefallen, aber nicht der Zeitdruck und die mo- notone Arbeit. Er hat die Ausbildung dennoch abgeschlossen – auch weil ihm zunächst nichts Besseres einfiel. Ein wenig Bedenkzeit verschaffte ihm die Bundeswehr: Er gehört noch zu den Jahrgängen, die ihre Wehrpflicht ableisten mussten. Sich freiwillig länger zu verpflichten, was finanziell verlockend gewesen wäre, kam für ihn nicht infrage. Haidar wollte eine Arbeit, die Spaß macht und bei der er seine Stärken ausleben kann. Die kannte er inzwischen: seine Fähigkeit zur Empathie und sein Blick dafür, wie Menschen sich entwickeln und wo sie Unterstützung brauchen, um sich ent- falten zu können. Dass er sich schließ- lich bei der staatlichen Erzieherschule in Bremen bewarb, hängt auch mit sei- ner Biografie zusammen: „Ich wollte Kindern etwas geben, was mir selbst gefehlt hat.“ Von schwieriger Kindheit kann aber keine Rede sein: „Ich habe eine liebe und tolle Mutter.“ Von ihr und der Großmutter aufgezogen, war er schon als Kind viel „allein unter Frauen“ – abgesehen von seinem jüngeren Bruder, in dessen Schatten er sich manchmal nicht ganz wahr- genommen fühlte. Die Eltern hatten sich früh getrennt. Die Kultur des Va- ters, eines Arabers aus dem Libanon, hat außer im Namen kaum Spuren hinterlassen. Ahmad Haidar ist ein waschechter Bremer, der ausgezeich- net hochdeutsch spricht und am hei- matlichen Fußballverein hängt. In den Süden zog es ihn, weil ein Kumpel in Freiburg studierte und ihm die Stadt schmackhaft machte. Auf Anhieb be- kam er eine vom Familienservice der Universität ausgeschriebene Stelle. Von einem Männerbonus will Haidar nichts wissen, auch wenn er spürt, dass er in einem Mangelberuf arbeitet und männliche Erzieher besonders begehrt sind. Seine Rolle als Mann will er bewusst in den Kita-Alltag ein- bringen, beim Fußballspielen zum Bei- spiel. „Aber das ist ja nicht alles, was mich ausmacht.“ Kindern die Nähe geben, die sie brauchen Zum neuen Kindergartenjahr hat er die Arbeitsstelle gewechselt: von der stellvertretenden Leitung der Uni-Kita Wichtelgarten, in der unter Dreijährige betreut werden, in den Zaubergarten, den überwiegend Kindergartenkinder besuchen. „Mit denen kann man mehr machen. Vorher war mir der pflegeri- sche Anteil zu groß.“ Mit den Knirpsen sitzt er in der Bauecke und baut lange Legoautobahnen oder liest lustige Bü- cher vor. Der Austausch auf Augen- höhe mit den Kindern ist ihm wichtig. Dass Männer aufgrund einzelner Missbrauchsfälle in Kitas eine Zeit lang unter Generalverdacht gestellt wurden, ließ Haidar vorübergehend vorsichtig werden – und wütend auf jene Geschlechtsgenossen, die sei- nen Berufsstand in Verruf brachten. Inzwischen hat er sich entschieden, den Kindern die Nähe zu geben, die sie brauchen. „Es wäre nicht förder- lich, sie ihnen zu verweigern.“ Nur so ist es ihm schließlich gelungen, die Kleinen im Wichtelgarten mühelos in den Mittagsschlaf zu begleiten. Kleine Berührungen hätten ihnen Sicherheit gegeben und die Gewissheit: Es ist jemand da, der mich hält. So, wie sie es von zu Hause gewöhnt sind. Des Vertrauens der Eltern ist er sich dabei sicher. Haidar ist zufrieden mit seiner Wahl, und das spüren auch seine Freunde. Manche von ihnen verdienen mehr, seien aber nicht glücklich. „Man muss diesen Beruf lieben“, sagt er und misst ihn nicht am Einkommen. Den- noch findet er es „schade, dass Erzie- her nicht die finanzielle Anerkennung bekommen, die der Bedeutung dieses Berufs entspricht“. von Isabell Wiedle Einen Tag vor dem Abschluss ihrer Masterarbeit nimmt sich Kathrin Hammes Zeit für ein Gespräch mit „uni'leben“. Während andere in einer vergleichbaren Situation womöglich kurz vor einem Nervenzusammen- bruch stehen würden, beißt sie in ein Schokocroissant, trinkt einen Milch- kaffee und erzählt von sich und ihrem Sport. „Mit 17 Jahren schnupperte ich in meiner Heimatstadt Köln das erste Mal in einen Radverein hinein – und fand’s super!“ Zwischenzeitlich hat Hammes Abitur gemacht, ist nach Freiburg gezogen, hat ihren Bachelor in Soziologie samt dem Nebenfach Bildungsplanung abgeschlossen und ist nun auch mit ihrem Masterstudium in Soziologie so gut wie fertig. Das Radfahren hat sie nie aus den Augen verloren. Ganz im Gegenteil: Sie ver- brachte immer mehr Zeit im Sattel und investiert inzwischen 30 Stunden in der Woche in Training und Wettkämp- fe. Das ist für sie der ideale Ausgleich zum Studium: „Ich sitze viel in der Uni oder der Bibliothek. Da ist Radfahren genau das Richtige, weil man so viel an der frischen Luft ist. Und hier in Freiburg und im Schwarzwald ist Rad- fahren einfach schön.“ Wer denkt, dass sich ein Assistent darum kümmert, dass Hammes Sport und Studium unter einen Hut be- kommt, irrt sich. Sie regelt das alleine. „Das ist einfacher, als man es sich vor- stellt“, sagt die Soziologin. „Man fängt ja nicht von heute auf morgen damit an, mehrere Stunden am Tag zu trai- nieren. Da wächst man rein. Dann hängt man eine halbe Stunde dran und steigert allmählich die Trainings- zeit. Und wenn man ehrlich ist, hat man als Studentin auch mal drei Stun- den Zeit am Tag.“ Diese Freizeit möchte Hammes vor allem mit dem Radsport verbringen. Und das zahlt sich aus. Ihren bislang größten Erfolg fuhr sie im Juli 2014 bei der fünften Studierenden-Weltmeisterschaft im Radsport in Jelenia Góra/Polen ein. Finanziert vom Allgemeinen Deut- schen Hochschulsportverband, beleg- te sie beim Zeitfahren über 24,8 Kilo- meter den zweiten Platz und stand am nächsten Tag sogar ganz oben auf dem Siegertreppchen, nachdem sie beim Straßenrennen über 80,2 Kilo- meter ihren Konkurrentinnen davon- gefahren war. „Für mich lief es bei der Weltmeisterschaft eigentlich ganz gut.“ Studium als Dopingprävention Dass sie Sport und Studium so gut kombinieren kann, verdankt Kathrin Hammes auch ihrem Team „Racing Students“. Das Amateurteam setzt da- rauf, dass sich seine Mitglieder neben dem Radsport noch ein zweites Stand- bein aufbauen, sei es in Form einer schulischen oder beruflichen Ausbil- dung, eines Studiums oder Berufs. Der Hintergedanke ist, dass Sportlerinnen und Sportler gar nicht erst auf die Idee kommen, sie müssten möglicherwei- se dopen, um im Profisport bestehen zu können. Das zweite Standbein soll für ein sicheres Einkommen nach der Sportlerkarriere sorgen. „Ein Studium oder eine Ausbildung sind natürlich kei- ne Allheilmittel, aber sie sind auf jeden Fall die Basis dafür, dass man nicht in so eine große Abhängigkeit vom Sport rutscht“, betont Hammes. Im Frauen- radsport verdienen nur wenige Akteu- rinnen Geld; in Deutschland sind es gerade mal eine Handvoll Frauen. „Es wäre total vermessen zu denken, ich könnte vom Radsport leben. Deshalb war es für mich nie eine Frage, dass ich noch irgendwas anderes mache.“ In einer idealen Welt sähe ihre Zu- kunft daher so aus: „Ein paar Jahre im Schwarzwald bei Sonnenschein Rad fahren und davon leben können. Soll- te mich dann irgendwann die Lust am Profisportlerdasein verlassen, würde ich von jetzt auf gleich einen super Job bekommen, den ich mindestens genau- so toll finde wie das Radfahren.“ Gut gesattelt: Sport ist ihre Leidenschaft, aber auf ein zweites Standbein will Kathrin Hammes nicht verzichten. FOTO: MANI WOLLNER Zweigleisig fahren Wie sich ein Studium mit einer Sportlerkarriere verbinden lässt, lebt Kathrin Hammes von den „Racing Students“ vor Lesestunde im Zaubergarten: Ahmad Haidar ist der Austausch auf Augenhöhe mit den Kindern wichtig. FOTO: PATRICK SEEGER www.racing-students.de