04 201404 20142 von Verena Adt Was verbindet einen Elektronikstu- denten aus der chinesischen Me- tropole Nanjing und eine Doktorandin der Forstwissenschaften aus Deutsch- land? Beide haben am Sprachlehrins- titut (SLI) der Universität Freiburg die Schulbank gedrückt – mit unterschied- lichen Zielen. Das SLI feiert 2014 sein zehnjähriges Bestehen. „Wir haben mit nichts ange- fangen“, erinnert sich der Freiburger Anglist Prof. Dr. Bernd Kortmann, der Initiator, Gründungsdirektor und Vor- standsvorsitzende des Instituts. Mit drei- einhalb Teilzeitkräften ging es 2004 los. Heute hat das SLI 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie circa 180 Lehr- beauftragte. Allein im akademischen Jahr 2013/14 haben mehr als 4.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fast 290 Sprachkurse absolviert. Zusätzlich nehmen die Mitarbeiter jährlich etwa 700 Prüfungen im Bereich Deutsch als Fremdsprache ab und stellen bis zu 400 Sprachzertifikate aus, davon mehr als 200 im Bereich Englisch. Der Trend geht zu Fachsprachen Inzwischen geht es nicht mehr in erster Linie darum, ausländischen Studierenden Deutschkenntnisse zu vermitteln, auch wenn dies im Kon- text der Internationalisierung der Uni- versität ein wichtiges Anliegen bleibt. Immer mehr an Bedeutung gewinnt ein auf spezifische Bedürfnisse zu- geschnittener Sprachunterricht, stellt die SLI-Direktorin Dr. Janina Cünnen fest. „Französisch für Philosophen, Englisch für Pharmazeuten oder spe- zifisches Wirtschaftsenglisch – der Trend geht zunehmend zu Fachspra- chen“, sagt die Anglistin, Germanistin und Keltologin. Gegenwärtig hat das SLI 23 Sprachkursangebote in seinem Ka- talog, darunter „Orchideensprachen“ wie Quechua, Farsi und Thai. Das SLI funktioniert fast wie ein Dienst- leistungsunternehmen: Neue Kurse werden auf Nachfrage konzipiert, und bei den Unterrichtsmodulen können die Kundinnen und Kunden aus ei- nem breiten Sortiment das Passende wählen. Es gibt Semesterunterricht, blockweise organisierte Kompakt- und Intensivkurse, Abendkurse, Sommer- und Winteruniversitäten und maßge- schneiderte Kurse „auf Bestellung“. Das SLI bietet jedoch nicht nur Sprachkurse an, sondern ist auch an Forschungsvorhaben und von der Eu- ropäischen Union geförderte Projekte zur Mehrsprachigkeit, Sprachenpolitik oder -lehre beteiligt. Die Einrichtung will einen Beitrag zur Internationali- sierungsstrategie der Universität leis- ten. Vorstand und Geschäftsführung des SLI haben dem Rektorat ein sprachpolitisches Konzept vorgelegt, das in wichtigen Teilen auch in den vom Senat verabschiedeten „Struk- tur- und Entwicklungsplan 2014–2018“ der Universität eingegangen ist. Ein Schwerpunkt des SLI-Papiers ist die Förderung der Französischkenntnisse – wegen der Nähe zu Frankreich und um die Beziehungen zur Partneruniversität Strasbourg zu erleichtern und zu ver- tiefen. „Wir möchten das in die Breite tragen“, sagt Cünnen. Sie wünscht sich, dass künftig alle Mitarbeiter der Universität, ob aus Wissenschaft, Ver- waltung oder Gebäudemanagement, bei Interesse die Möglichkeit erhalten, die Sprache des Nachbarlandes zu ler- nen, um sich mit Kolleginnen und Kol- legen oder Gästen von französischen Universitäten besser verständigen zu können. unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de aktuell Soll Kranken ohne Aussicht auf Hei- lung die Selbsttötung erlaubt wer- den? Prof. Dr. Giovanni Maio spricht sich in der aktuellen Debatte dage- gen aus, Sterbehilfe gesetzlich zu verankern. In einem Gespräch mit Verena Adt erklärt der Medizinethi- ker, dass die Gesellschaft gebrech- liches Leben nicht entwerten darf, sondern eine neue „Kultur der An- gewiesenheit“ etablieren muss. uni’leben: Herr Maio, die aktuelle Debatte über die Zulässigkeit von Sterbehilfe beschäftigt die deutsche Öffentlichkeit. In welche Richtung soll die angestrebte gesetzliche Neuregelung für Sie als Medizinethi- ker gehen? Giovanni Maio: Ich halte den Vor- schlag einer qualitätsgesicherten Bei- hilfe zum Suizid für falsch. Die norma- le Reaktion auf den Suizid eines uns bekannten Menschen ist Betroffenheit. Wir spüren, dass es etwas mit uns zu tun hat, wenn jemand von sich aus geht, ohne dass er es müsste. Diese Intuition wollen wir heute wegschieben und in technische Kontrolle ummünzen. Wir müssen doch tiefer fragen, warum so viele Menschen überhaupt den Ge- danken haben, sich möglicherweise lieber selbst zu töten als weiterzuleben. Wenn wir den assistierten Suizid als Dienstleistung rechtlich verankern, ist das ein Signal, dass es in der Tat als vernünftig angesehen wird, wenn je- mand den Suizid dem Weiterleben vor- zieht. Ich denke aber, dass der Suizid nicht verdeckt zum akzeptierten Nor- malfall werden darf, weil er einer Not entspringt, die unsere Solidarität ein- fordert. Weil der Suizid unweigerlich auch mit der Gesellschaft zu tun hat, in der er verübt wird, dürfen wir ihn nicht normalisieren, sondern wir müssen das Aufkommen vielfacher Suizidwün- sche alter Menschen als eine offene Wunde unserer Gesellschaft ansehen. Wie sollen wir mit dem Phänomen des „Sterbetourismus“ ins Ausland umgehen? Wir müssen ihn verhindern, in- dem wir in Deutschland Verhältnisse schaffen, die den Wunsch, sich zu töten, erst gar nicht aufkommen las- sen. Viele Menschen sagen, sie wol- len anderen nicht zur Last fallen, und wählen daher den Suizid. Sie fühlen sich in ihrer Pflegebedürftigkeit als Menschen entwertet und empfinden sich als Zumutung für andere. Damit haben sie Deutungsmuster der Gesell- schaft verinnerlicht, und so glauben sie auch nicht mehr an die Solidarität der anderen. Wir müssen verdeutli- chen, dass uns als Gesellschaft etwas daran liegt, dass kein Mensch sich als Last für andere empfindet, weil die Hil- fe für diese Menschen das Selbstver- ständlichste der Welt ist. Je mehr der Suizid zur wählbaren Option werden würde, desto mehr wäre auch diese Hilfe nicht mehr unabdingbar, sondern ebenfalls nur noch eine Option, die der pflegebedürftige Mensch den anderen auferlegen würde. Schließt das Selbstbestimmungs- recht des Einzelnen das Recht ein, über den Zeitpunkt des eigenen To- des zu entscheiden? Jeder Mensch ist grundsätzlich un- verfügbar, daher darf nichts mit ihm gemacht werden, was nicht in seinem Sinne ist. Deshalb bedeutet das Abse- hen von der Beihilfe zum Suizid gerade nicht ein Leben um jeden Preis. Wenn wir uns aber beim Suizidwunsch allein darauf beschränken, zu fragen, ob der Suizid aus freien Stücken gewollt war oder nicht, ist das ein Weg in eine Ver- gleichgültigung der Gesellschaft. Es ist wichtig, zu realisieren, dass die Gesell- schaft nicht davon entpflichtet werden darf, sich gegen die Verzweiflung und radikale Vereinsamung der Menschen zu engagieren. Wir dürfen nicht resig- nieren, sondern müssen eine radikale Kreativität in dem Bemühen üben, Pa- tientinnen und Patienten Grund zu der Hoffnung zu geben, dass ein Stadium gefühlter Ausweglosigkeit bewältigt werden kann. Darin liegt der Kern des Sozialen. Welche Rolle spielt in der Debatte die Furcht, der „Apparatemedizin“ ausgesetzt zu sein? Die Angst vor der Apparatemedi- zin ist sicher auch ein Grund, in der Weise, dass es um die Angst vor Kon- trollverlust, die Angst vor dem Ausge- liefertsein geht. Vor allem haben die Menschen Angst davor, auf die Hilfe Dritter angewiesen zu sein. Daher ist es wichtig, dass wir eine neue Kultur der Angewiesenheit schaffen, weil wir unweigerlich in Angewiesenheitsver- hältnissen leben und daher Autonomie letzten Endes bedeutet, einen kreati- ven Umgang mit der Angewiesenheit zu lernen. Unser heutiges gebroche- nes Verhältnis zum Angewiesensein ist die Grundursache für die Debatten, die wir führen. Welche Unterstützung soll Tod- kranken angeboten werden? Wir brauchen eine Aufwertung des gebrechlichen Lebens. Auch der Mensch in seiner größten Gebrech- lichkeit kann uns sehr viel geben, allein weil er Mensch ist. Daher müssen wir viel mehr in eine Zwischenmenschlich- keit der Pflege gerade alter, schwer kranker Menschen investieren, die eben nicht nur versorgt werden wol- len, sondern denen wir das Gefühl neu vermitteln müssen, dass sie uns viel bedeuten, weil jeder von ihnen uner- setzbar ist. „Offene Wunde unserer Gesellschaft“ Der Medizinethiker Giovanni Maio warnt davor, Sterbehilfe gesetzlich zu verankern und den Suizid alter Menschen zum akzeptierten Normalfall werden zu lassen Das Sprachlehrinstitut der Universität Freiburg bietet seit zehn Jahren Kurse an Maßgeschneiderter Unterricht Mehr als 4.300 Teilnehmer haben im vergangenen akademischen Jahr fast 290 Sprachkurse absolviert. FOTO: SPRACHLEHRINSTITUT UNIVERSITÄT FREIBURG www.sli.uni-freiburg.de Kein Mensch sollte sich als Last für andere empfinden müssen, betont Giovanni Maio. FOTO: OLIVER LIEBER