02 2015 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 6 forschen von Yvonne Troll Noch in den 1980er Jahren galten Schwule in der Bundeswehr als Sicherheitsrisiko, als autoritätszer- setzend und erpressbar. Frauen hielt man lediglich für Aufgaben im Sani- täts- und Militärmusikdienst geeignet. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts bekannte sich die Bundeswehr – unter dem Druck gerichtlicher Urteile – zur Gleichstellung, unabhängig von Ge- schlecht und sexueller Orientierung. Heute behauptet die Bundeswehr, sie sei ein Spiegelbild der Gesellschaft. Würden sich deren Werte und Nor- men ändern, schlage sich das in der Truppe nieder. Aber ist sie tatsächlich so bunt und frei von Diskriminierung? Das wollte Kerstin Botsch herausfin- den. Für ihre Dissertation begab sich die Soziologin hinter deutsche Kaser- nenmauern und auf die Suche nach dem Selbstbild moderner Soldatinnen und Soldaten. Sie führte Interviews und beobachtete Gruppendiskussio- nen. Um niemanden bei der Wortwahl zu beeinflussen, benutzte sie in ihren Interviews teilweise Bilder, zum Bei- spiel Fotos von kuschelnden Solda- ten – das Wort „schwul“ verwendeten jedoch die wenigsten Befragten, um das Bild zu beschreiben. Stark, kampfbereit, heterosexuell Was sie in der ehemaligen Män- nerbastion Bundeswehr fand, war vor allem eins: Männlichkeit. Auch mehr als zehn Jahre nach der Öffnung ge- genüber Frauen und Homosexuellen dient sie den Soldaten als wichtigster Orientierungspunkt. „Der Kampfsol- dat ist die militärische Norm“, erklärt Botsch. Er zeichne sich durch Attribu- te wie körperliche Leistungsfähigkeit, Technikbegeisterung und Härte aus. Schwulsein dagegen werde an das Weibliche und damit an Schwäche und Weichheit herangerückt. Das Erstaun- liche sei jedoch, „dass selbst homose- xuelle Soldaten mit dem militarisierten Bild von Männlichkeit konform gehen und sich von zivilen Schwulen abgren- zen“. Diese bezeichneten sie als „Tun- ten“ oder „Handtaschenschwule“, sich selbst als „normal“ und „wie Heteros“. Mit anderen Worten: Homosexuelle diskriminieren Homosexuelle. Und das, obwohl viele von ihnen ein Doppelle- ben führen und gerade aufgrund der Männlichkeitsnorm Angst haben, zu ihrem Schwulsein zu stehen. Geschlecht wird zum Makel Auch Frauen orientieren sich trotz oder gerade wegen ihres Geschlechts am Kampfsoldaten. Sie müssten mehr leisten und besonders männlich sein, um sich innerhalb der Truppe zu be- haupten. „In der Bundeswehr sind ge- schlechtliche Stereotype viel stärker als in der Gesellschaft“, sagt Botsch. Ein Beispiel aus der Praxis: Wenn ei- nem Soldat die Kraft ausgehe, nehme ihm im Sinne der Kameradschaft ein anderer den Rucksack ab. Benötige eine Soldatin Hilfe, werde das auf ihre Weiblichkeit geschoben, die sie schwach und schutzbedürftig mache. Das Geschlecht allein werde zum Ma- kel. „Ein schwuler Soldat hat zumin- dest die Wahl, ob er sich outet oder nicht. Eine Frau bleibt immer als Frau sichtbar.“ Einer Studie aus dem Jahr 2014 zufolge meinen 56 Prozent der Soldaten, Frauen veränderten die Bun- deswehr zum Schlechteren. Dieselbe Studie ergab auch, dass 55 Prozent der Soldatinnen schon einmal sexu- ell belästigt wurden. Die betroffenen Frauen melden die Übergriffe meistens nicht, um ihre ohnehin schwierige Po- sition innerhalb der Truppe nicht weiter zu schwächen. „Sexuelle Belästigung hat immer auch mit Macht zu tun“, sagt Botsch. „Die Soldatinnen wollen ihr Geschlecht nicht in den Vordergrund stellen. Deshalb vertuschen oder ver- harmlosen sie die Vorfälle.“ Botschs Fazit ist eindeutig: „Die Bundeswehr ist kein Spiegel der Ge- sellschaft. Sie hinkt dem Fortschritt in Sachen Emanzipation und Toleranz extrem hinterher.“ Doch was müss- te sie tun, um einen Kulturwandel in Gang zu bringen? Botsch schlägt vor, Aufklärungskampagnen gegen Se- xismus und Homophobie zu starten. Zudem wünscht sie sich mehr Offen- heit gegenüber der Wissenschaft. Als Forschungsfeld sei die Bundeswehr nicht leicht zugänglich. „Nachfragen wird häufig als Infragestellen miss- verstanden.“ Unabhängige Studien könnten jedoch Klarheit über den konkreten Handlungsbedarf verschaf- fen. „Die Bundeswehr hat noch viel Arbeit vor sich.“ Kein Spiegel der Gesellschaft Seit fast 15 Jahren dürfen Frauen und Homosexuelle als Soldaten in die Bundeswehr. Die Soziologin Kerstin Botsch hat untersucht, wie es um ihre Integration steht lebendi te das lebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendilebendi tete das Denn kein anderes Konto macht so beweglich wie Warum ist contomaxx ein Konto wie kein anderes? Weil es als Freizeit- und Erlebnis- konto Banking und Service, Reisen und Sicherheit perfekt zusammenbringt. Mit dabei: viele regionahe Partner, weltweite Leistungen und bereits mehr als 50.000 Kunden. Mehr Infos zu den einzigartigen Vorteilen von contomaxx in Ihrer Sparkasse, auf www.contomaxx.de oder mit der contomaxx-App. in Ihrer Sparkasse, Anz_lebenslustixxte_111,6x158.indd 1 08.04.14 10:23 Der Wissenschaftsrat hat empfohlen, den als herausragend bewerteten An- trag der Albert-Ludwigs Universität für das „Freiburg Institute for Machine- Brain Interfacing Technology“ (IMBIT) mit einem Neubau zu fördern. Das Land Baden-Württemberg und die Universität Freiburg stellen dafür gemeinsam mit dem Bund 36,77 Millionen Euro aus dem Programm „Forschungsbauten an Hochschulen“ bereit. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz wird am 19. Juni 2015 abschließend über den Förderantrag entscheiden. Prof. Dr. Wolf- ram Burgard, Sprecher des Exzellenz- clusters BrainLinks-BrainTools, hat den Antrag der Universität Freiburg gemein- sam mit einem fächerübergreifenden Forschungsteam koordiniert. Die Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen im IMBIT künftig Innovationen in der Neurotechnologie vorantreiben, die Patientinnen und Patienten mit bisher nur unzureichend behandelbaren Ge- hirnerkrankungen oder Lähmungen im Alltag helfen können. Forschungsbau für Gehirn-Maschine-Schnittstellen In dem geplanten Gebäude wollen Wissenschaftler künftig Innovationen in der Neurotechnologie vorantreiben. Visualisierung: Heinle, Wischer und Partner Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler der Universität Freiburg können sich ab sofort online in die überarbeitete Expertendatenbank der Universität Freiburg eintragen. Mit ei- nem neuen Layout und zahlreichen Erweiterungen konnte die bestehende Datenbank deutlich verbessert wer- den: So können Expertinnen und Ex- perten ihren Eintrag künftig um ein Portraitfoto ergänzen. Journalistinnen und Journalisten können diese Fotos zugleich für ihre Publikationen nutzen. Experten haben außerdem die Mög- lichkeit, ihre Daten nicht mehr nur selbst, sondern von einer von ihnen benannten Person pflegen zu lassen. Neu ist auch die zusätzliche Suchop- tion über Kategorien wie etwa Anthro- pologie, Chemie oder Sprachen und Literatur. Diese erweiterte Einteilung vereinfacht die Suche nach Experten für bestimmte Themen. Gebündeltes Wissen in der neuen Expertendatenbank http://www.pr.uni-freiburg.de/ service/expertdb Zwei Fronten: Um sich in der Truppe zu behaupten und nicht als schutzbedürftig zu erscheinen, wollen Frauen in der Bundeswehr besonders männlich sein. Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert 022015 Anz_lebenslustixxte_111,6x158.indd 108.04.1410:23