02 2015 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7campus Die „Lunch Lectures“ des Freiburg Institute for Advanced Studies bieten Bildung in der Mittagspause von Yvonne Troll Wie beeinflusst die chinesische Gemeinde in Singapur das ge- sellschaftliche Gefüge des Landes? Welche Rolle spielen Staatsbegräbnis- se in Thailand? Und wofür setzen isla- mische Gruppen in Indonesien soziale Netzwerke ein? Das Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) gibt Ant- worten: Wer sein Mittagessen ab und an mit Wissen würzen möchte, kann im Sommersemester 2015 die Lunch Lectures besuchen. Forscherinnen und Forscher, unter anderem aus Dänemark, Österreich, Indonesien und Australien, beleuchten das Thema „Südostasien“ – ob aus wirtschaftswissenschaftlicher, historischer oder anthropologischer Sicht: In 45 Minuten stellen Fellows des FRIAS ihre Forschungsthemen vor. Dozierenden Denkanstöße geben „Kurz und knackig, das ist der Grundgedanke“, sagt Prof. Dr. Bernd Kortmann, wissenschaftlicher Direktor des Instituts. „Unser Ziel ist es, den Studierenden das FRIAS näherzu- bringen.“ Die Lectures seien jedoch für alle Interessierten offen. Während der Vorlesungszeit gibt es alle zwei Wochen einen Vortrag in einem Hör- saal des Kollegiengebäudes I. „Da- mit gehen wir in das geistes- und sozialwissenschaftliche Zentrum hinein und sind für jeden zugäng- lich.“ Die Vorträge werden über- wiegend auf Englisch gehalten und bieten auch sonst internationale Atmosphäre. „Das Publikum lernt neue Gesichter aus der ganzen Welt kennen und damit auch unter- schiedliche Vortragsstile.“ Die anschließende Diskussion ist bei dem Format genauso wichtig wie die Vorlesung selbst – ein Ansatz, der nicht nur den Studierenden zugu- tekommt, wie Dr. Brook Bolander be- stätigt. Die Sprachwissenschaftlerin von der Universität Zürich/Schweiz untersucht am FRIAS derzeit die Bedeutung des Englischen für die transnationale muslimische Ismaili- Gemeinschaft. Im vergangenen Se- mester war sie eine der Vortragenden. „Studierende sind nicht nur an der Uni- versität, um zu lernen. Sie geben den Dozierenden mit ihren Fragen auch neue Denkanstöße.“ Als besonders bereichernd habe sie den Kontakt zu Hörerinnen und Hörern aus verschie- denen Fachrichtungen empfunden. „Im Idealfall zeigen die Fragen auf, aus welch vielseitigen Perspektiven man auf ein Thema zugehen kann“, unterstreicht Kortmann. Die Veranstaltungsreihe gibt einen Einblick in aktuelle Themenschwer- punkte des FRIAS. Zudem will sie Studierenden vermitteln, wie For- schung funktioniert und wie sie me- thodisch an ein Thema herangehen können – Wissen, das für die Bache- lor- oder Masterarbeit unentbehrlich ist. Wie entwickeln Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler eine Forschungsfrage? Wie kommen sie an Informantinnen und Informanten? Welche Art von Daten brauchen sie, und was müssen sie beachten, wenn sie Daten erheben und bearbeiten? Fragen wie diese sind nicht fachbezo- gen, sagt Bolander, sondern grundle- gend für jeden, der wissenschaftlich arbeiten möchte. Außerdem können Studierende über die Lunch Lectures ECTS-Punkte erwerben. Beim aktuellen Konzept soll es je- doch nicht bleiben: Das FRIAS plant, sich noch stärker mit der Universität zu vernetzen und die Vorlesungsreihe in Zusammenarbeit mit dem University College Freiburg (UCF) in den Bachelor- studiengang Liberal Arts and Sciences zu integrieren. „Profitieren können insbesondere Studierende im vierten Jahr, die kurz vor ihrer Bachelorar- beit stehen. Dann müssen sie sich mit wissenschaftstheoretischen und methodologischen Fragen auseinan- dersetzen“, erläutert Kortmann. Die Planung für das akademische Jahr 2015/16 läuft bereits: Dann stehen die Themen „Paradigmenwechsel in der Wissenschaft“ im Wintersemester und „Alternde Gesellschaft“ im Sommer- semester 2016 auf der Agenda. Futter fürs Gehirn In den Sammlungen des Deutschen Volksliedarchivs haben sich unter- schiedliche Bestände aus dem Ersten Weltkrieg erhalten. Der Gründer des Archivs, der Germanist und Volks- kundler John Meier, ließ sich von Sol- daten Lieder zuschicken, bezog von einer Presseagentur Kriegsgedichte aus Zeitungen und kaufte Lyrikantho- logien und Kriegsliederbücher. Heu- te sind diese historisch wertvollen Sammlungen Teil des Zentrums für Populäre Kultur und Musik. Bei den einzelnen Liedern und Gedichten fällt das nationale Pathos auf. Die Zeitgenossinnen und Zeitge- nossen – zumindest diejenigen, die Verse schrieben und als Autorinnen und Autoren in Erscheinung traten – glaubten, in einer „großen Zeit“ zu leben und dass der Krieg eine ge- sellschaftliche und moralische „Reini- gung“ hervorbringe. Auch John Meier teilte solche Vorstellungen. Allerdings reichte sein Blick, was die Sammlun- gen des Deutschen Volksliedarchivs betraf, weiter: Unter den Texten finden sich nicht nur patriotische und kriege- rische, sondern auch humoristische oder erotische, zuweilen auch solche, die das Kriegselend oder das mas- senhafte Sterben unpathetisch zur Sprache bringen. Ein nur am Rande behandeltes Thema ist der Frieden. Nur wenige formulierten ihre Frie- denssehnsucht so deutlich wie der Komponist Fr. Wiederhold mit seinem Lied „Kriegergrab“. Das in Leipzig ge- druckte, aber in Basel erschienene Blatt ist mit „Friede auf Erden“ über- schrieben. Wie eine beigegebene Erklärung erläutert, bezieht sich der Verfasser explizit auf die Weihnachts- geschichte, wie sie im Lukasevange- lium geschildert wird. Dort verheißen die Engel allen Menschen guten Wil- lens Frieden. Die Zweisprachigkeit des Textes – er ist auf Deutsch und Französisch verfasst – ist ebenfalls auffällig. Of- fenbar beabsichtigte Wiederhold eine Völkerverständigung mithilfe der universalen christlichen Botschaft und der allgemeinmenschlichen Er- fahrung der Trauer. Die Kirchen in Deutschland und Frankreich folgten allerdings eher dem nationalen Ge- danken und hießen den Krieg gut. Nur einzelne Theologen und Pfarrer starteten ähnliche Friedensaufrufe wie Wiederhold, der die „göttliche Friedens- und Liebenssonne“ über den Menschen leuchten sah. Die Sprache und Religiosität mag heute vielleicht fremd erscheinen. Dennoch beweist dieses seltene Dokument der Friedenssehnsucht, dass nicht alle Zeitgenossen des Ersten Weltkriegs nationale Phrasen und Durchhaltepa- rolen verfassten. Ein Lied der Trauer und des Friedens uni’kat Das Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Universität Freiburg beherbergt unzählige Schätze – von Schellackplatten und Pop-Singles über Liederbücher und Schlagerhefte bis hin zu Musicalpostern. In einer Serie stellt Dr. Dr. Michael Fischer, Leiter des ZPKM, besondere Exemplare aus den Sammlungen vor. www.zpkm.uni-freiburg.de Klage am Kriegergrab: Der Komponist Fr. Wiederhold gehört zu den wenigen, die im Ersten Weltkrieg ihre Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck brachten. FOTO: ZPKM/UNIVERSITÄT FREIBURG unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7 Wochen einen Vortrag in einem Hör- saal des Kollegiengebäudes I. „Da- mit gehen wir in das geistes- und hinein und sind für jeden zugäng- lich.“ Die Vorträge werden über- wiegend auf Englisch gehalten und bieten auch sonst internationale Atmosphäre. „Das Publikum lernt neue Gesichter aus der ganzen Welt kennen und damit auch unter- Die anschließende Diskussion ist bei dem Format genauso wichtig wie die Vorlesung selbst – ein Ansatz, der nicht nur den Studierenden zugu- tekommt, wie Dr. Brook Bolander be- stätigt. Die Sprachwissenschaftlerin von der Universität Zürich/Schweiz untersucht am FRIAS derzeit die Bedeutung des Englischen für die transnationale muslimische Ismaili- Die Veranstaltungsreihe gibt einen Einblick in aktuelle Themenschwer- punkte des FRIAS. Zudem will sie Studierenden vermitteln, wie For- schung funktioniert und wie sie me- thodisch an ein Thema herangehen Studierende über die Lunch Lectures ECTS-Punkte erwerben. Beim aktuellen Konzept soll es je- doch nicht bleiben: Das FRIAS plant, 2015/16 läuft bereits: Dann stehen die Themen „Paradigmenwechsel in der Wissenschaft“ im Wintersemester und „Alternde Gesellschaft“ im Sommer- semester 2016 auf der Agenda. Futter fürs Gehirn Barrierefreie Universität Freiburg: Ein neuer Treppenlift ermöglicht Roll- stuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern einen problemlosen Zugang zum Phi- losophengang im Zwischengeschoss des Kollegiengebäudes (KG) I. Damit sind alle Etagen des KG I mit dem Rollstuhl erreichbar. Der Treppenlift eignet sich für alle gängigen Rollstühle und kann dank seiner Größe und ho- hen Tragkraft auch schwere Elektro- rollstühle befördern. Der Arbeitskreis Barrierefreiheit unter Vorsitz des Kanz- lers der Universität, Dr. Matthias Sche- nek, arbeitet seit einigen Jahren daran, die Erreichbarkeit der Räume in der Universität zu verbessern. In einem groß angelegten Projekt haben Mitar- beiterinnen der Stabsstelle Gender and Diversity zudem alle relevanten Daten zu den 156 Universitätsgebäu- den erhoben, darunter die Maße von Türen, Aufzügen und Toiletten. Die Informationen sind in den Online- Lageplänen der Universität abrufbar. Neuer Treppenlift im Kollegiengebäude I www.uni-freiburg.de/universitaet/ kontakt-und-wegweiser/lageplaene Dank dem neuen Treppenlift im Kol- legiengebäude I sind nun alle Etagen des Gebäudes mit dem Rollstuhl er- reichbar. FOTO: SANDRA MEYNDT Mittagspause im Hörsaal Das Format Lunch Lectures ging an der Universität Freiburg 2014 an den Start. Die Vorträge im Sommersemester 2015 finden jeden zweiten Donnerstag im Hörsaal 1015, Kollegiengebäude I, von 12.15 bis 13 Uhr statt. www.frias.uni-freiburg.de/downloads/ documents/frias-lunch-lectures ILLUSTRATION: SVENJA KIRSCH 022015