05 20152 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de aktuell Ein Arbeitskreis der Freiburger Fach- schaft Politikwissenschaft hat das Pro- jekt im Mai 2015 gegründet. Die Stu- dierenden hatten von einem Programm in Lüneburg gehört, das ihnen als Vor- bild diente. „Wir haben mit einem Gast- hörerstudium angefangen, aber wir möchten in Zukunft weitere Wege für die Teilnehmenden ebnen“, betont Cla- ßen. „Beispielsweise sollten die Gast- hörerinnen und Gasthörer auch die Möglichkeit bekommen, an Kursen des Hochschulsports teilzunehmen“, erklärt Ballout. Die Organisation bedeutet immensen Aufwand, doch das Team geht die Zukunftspläne mit Freude an. Alfarkh kam im Juni 2015 nach Deutschland. Mit seiner beschwerlichen Flucht aus Syrien musste er vieles hin- ter sich lassen. Den Lebensmut jedoch hat er nicht verloren. „Ich lerne Deutsch in verschiedenen Kursen“, sagt er, bei- nahe ohne Akzent, „und lasse mein Abiturzeugnis ins Deutsche übersetzen und anerkennen, sodass ich eines Tages studieren kann.“ In seiner Heimat hatte er bereits ein Studium der Wirtschafts- wissenschaft begonnen, bevor er flie- hen musste. Wenn er heute in Freiburg die Universitätsbibliothek betritt, freut er sich über die vielen Möglichkeiten, die der Bibliotheksausweis ihm beschert. „Es macht Spaß, mit Ahmad befreundet zu sein“, sagt Ballout. „Er leiht gern Bü- cher aus, geht ins Sprachlehrinstitut und mag es, junge Menschen zu treffen, die genauso lernen und leben möchten wie er auch.“ von Tanja Kapp Ahmad Alfarkh aus Damaskus/ Syrien und Dunya Ballout aus Mann- heim belegen gemeinsam Kurse an der Universität Freiburg und unter- nehmen auch jenseits des Campus viel miteinander. Sie bringen sich gegenseitig ihre jeweilige Mutter- sprache – Arabisch und Deutsch – bei, gehen samstags zusammen auf den Markt und treffen sich mit Freundinnen und Freunden. Kennen- gelernt haben sich die beiden bei „Uni für Alle“. Das studentische Pro- jekt will Flüchtlingen den Zugang zur Universität Freiburg erleichtern und führt sie in Zweierteams mit Studie- renden, den so genannten Buddys, zusammen. Derzeit betreuen acht Studierende ehrenamtlich eine Gruppe von 20 Buddys und 22 Flüchtlingen, die ein Gasthörerstudi- um aufgenommen haben, nachdem die Albert-Ludwigs-Universität ihnen die Gebühren dafür erlassen hat. Ballout studiert Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre und steht Alfarkh mit Rat und Tat zur Seite. „Wir dachten uns, dass die Studie- renden am Anfang beispielsweise zeigen, wie man die Hörsäle findet oder das Online-Benutzerkonto ein- richtet“, erklärt Lea Claßen, die das Projekt mitorganisiert. Im nächsten Schritt integrieren die Buddys ihre Partnerinnen und Partner in das Stu- dierendenleben, sodass die Flücht- linge sich selbst zurechtfinden und Freundschaften schließen können. Den Weg zum Studium ebnen Menschen helfen, die vor Krieg und politischer Verfolgung in ihrer Heimat geflohen sind: Die Universität Freiburg übernimmt Verantwortung, indem sie Angebote für studieninte- ressierte Flüchtlinge entwickelt. Ab Mitte Januar 2016 bekommt sie Verstärkung: Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat der Univer- sität und der Pädagogischen Hoch- schule Freiburg eine gemeinsame Koordinationsstelle bewilligt. Sie wird am Studierendenwerk Freiburg- Schwarzwald angesiedelt und soll Maßnahmen aller Hochschulen im Regierungsbezirk Freiburg zur Unter- stützung von studieninteressierten Flüchtlingen koordinieren. „Die Uni- versität will geflohene Menschen bei der Entfaltung ihrer Potenziale unter- stützen und ihnen den Weg zum Stu- dium ebnen“, sagt Prof. Dr. Juliane Besters-Dilger, Prorektorin für Studi- um und Lehre. Dazu gehöre zum Bei- spiel, dass sich nach entsprechenden Testverfahren auch Menschen um einen Studienplatz bewerben können, denen fluchtbedingt die Nachweise der Hochschulzugangsberechtigung fehlen. Zudem hat die Universität Flüchtlingen die Gebühren für ein Gasthörerstudium und für den Uni- versitätsbibliotheksausweis erlas- sen, der Sprachselbstlernbereich im Sprachlehrinstitut steht ihnen kosten- los zur Verfügung und das Service Center Studium berät sie bei der Studienwahl und beim Beantragen finanzieller Unterstützung. reflektierte, vernunftbasierte Weise mit Religion auseinandersetzen. Wie kann das aussehen? Indem man die einzelnen Religionen denkerisch ergründet und darüber disku- tiert. Was genau gehört zu einer be- stimmten Religion? Was ist in Ordnung, was nicht? Dafür braucht es vor allem Lehrerinnen und Lehrer, die kultur- und religionssensibel unterrichten; die erklä- ren können, dass zum Beispiel das Kopf- tuch eigentlich keine Religionsvorschrift ist, sondern eine bestimmte kulturelle Ausformung. Damit so etwas funktioniert, müssen Lehrer mehr wissen. Es ist nun mal ein Unterschied, ob ein christlicher Theologe den Islam darstellt oder je- mand, der ihn aus der eigenen Perspek- tive von innen her kennt. Religion ist eine Lebensüberzeugung. Wir brauchen daher mehr Professuren für die islamische Re- ligionspädagogik, die aber nicht auf Kos- ten der christlichen Theologie gehen dür- fen. Wir brauchen reflektierte Lehrer, die gelernt haben, die eigene Religion den- kerisch zu erfassen und Schülerinnen und Schüler entsprechend zu unterrichten. Diese müssen auf die existenzielle Di- mension einer Religion hingewiesen wer- den und sich fragen dürfen, was sie für sich gelten lassen können und was nicht. Was kann ein solcher Unterricht erreichen? Viel Offenheit. Indem wir Wissen transportieren und die Eigenheiten der einzelnen Religionen darstellen, fördern wir das gegenseitige Kennen- lernen und Verstehen. Es ist wichtig, Toleranz zu schaffen, die zu Anerken- nung wird. Wir dürfen nicht bei Toleranz Das Parlament der Europäischen Union hat die Freiburger Theologin Prof. Dr. Mirjam Schambeck als Ex- pertin für interreligiöse Bildung in das Committee on Culture and Education berufen. Claudia Füßler hat die Forscherin gefragt, wie sich Religion pädagogisch aufbereiten und vermitteln lässt. uni’leben: Frau Schambeck, mit der steigenden Zahl von Geflüch- teten in Deutschland wird auch das Thema Religion in der Schule wichtiger. Mirjam Schambeck: Wir wissen ja seit Jahren, dass viele Menschen aus arabischen und afrikanischen Ländern zu uns kommen werden. Doch bei der Integrationsarbeit wird der Faktor Religion meist vergessen oder vernachlässigt. Ein Grundpro- blem ist, dass bei uns Religion etwas Privates geworden ist. Uns fehlt da- für die Sprache im Alltag. Damit ge- hen auch inhaltliche Aspekte verlo- ren. Das kann ein Einfallstor für Fundamentalismus sein. Wenn wir nicht wollen, dass das passiert, müs- sen wir uns in den Schulen auf eine Lernen und leben: Ahmad Alfarkh ist Gasthörer an der Universität Freiburg – Dunya Ballout hilft ihm, sich auf dem Campus zurechtzufinden. Foto: Klaus Polkowski Deutsche Universitäten brauchen mehr Professuren für die islamische Religions- pädagogik, die aber nicht auf Kosten der christlichen Theologie gehen dürfen, betont Mirjam Schambeck. Foto: Thomas Kunz An der Albert-Ludwigs-Universität engagieren sich Forschende, Studierende sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Verwaltung in mehr als 100 Initiativen und Projekten zur Flüchtlingshilfe. uni’leben hat einige von ihnen zu ihrer Arbeit befragt. Willkommen in Freiburg Buddy Buddy Die Initiative „Uni für Alle“ vernetzt Studierende mit Flüchtlingen „Wir dürfen nicht bei Toleranz stehenbleiben“ Mirjam Schambeck plädiert dafür, schon im Schulunterricht die Neugier auf Andersgläubige zu wecken – und Religion denkerisch zu ergründen stehenbleiben, denn das kann in Konfliktfällen explodieren. Das gilt übrigens nicht nur für die jeweiligen Religionen, sondern auch für deren Untergruppen. Ist es empfehlenswert, früh mit dem entsprechenden Unterricht anzufangen? Das ist eine Möglichkeit. Gerade in Kindertagesstätten kann man das Thema Religionen gut aufgreifen. Allerdings muss das mit noch größe- rer Behutsamkeit geschehen, eben weil Religion etwas so Tiefes, Inner- liches ist. Da braucht es viel Sensi- bilität seitens der Erziehenden, da- mit das Thema die Kinder nicht überwältigt. Ich finde es toll, wenn Erziehende in Kitas deutlich ma- chen, dass sie aus unterschiedlichen Religionen kommen, statt das zu ta- buisieren. Ich plädiere daher für ei- nen bekenntnisorientierten Unter- richt an Schulen, in dem jeder zu seinem Glauben stehen darf und mit Neugier auf die anderen geschaut wird: Wie feiern sie ein Fest? Welche Traditionen gibt es dort? Schon das kann viel Verständnis füreinander schaffen. www.uni-freiburg.de/universitaet/ refugees-welcomewww.facebook.com/unifallefrbg 0520152