01 2013 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 12 menschen von Stephanie Streif Es gibt Menschen, die nehmen das Leben so, wie es ist – Herausforde- rungen inklusive. Dr. Christina Schoch ist so ein Mensch. Seit September 2012 ist sie die Leiterin des neuen Service Center Studium der Universität Frei- burg, kurz: SCS. Die Vita der 34-Jäh- rigen liest sich so, als hätte es in ihrem Leben bislang keine Umwege gegeben: 1997 beginnt sie in Lüneburg Ange- wandte Kulturwissenschaften zu studie- ren, 2000 geht sie nach Großbritannien und kommt ein Jahr später mit einem Bachelorabschluss in Communication Studies zurück. 2002 beendet sie ihr Studium und beginnt zu promovieren. Einige Monate bevor Schoch ihre Dok- torarbeit abschließt, tritt sie bereits ihr Volontariat am Festspielhaus Baden- Baden an. 2006 dann der Wechsel nach Freiburg, wieder ein Volontariat, diesmal in der Pressestelle der Univer- sität. Kaum hat sie das beendet, ist sie zunächst für das Marketing der Hoch- schule zuständig und wird dann 2009 persönliche Referentin von Vizerektor Prof. Dr. Heiner Schanz. Mehr Tempo in Sachen Karriere geht fast nicht. Schon gar nicht, wenn man Mutter von drei kleinen Kindern ist. Als ihr erstes Kind 2004 zur Welt kam, war sie alleinerziehend, volon- tierte tagsüber in Baden-Baden und schrieb bis in die Nacht an ihrer Dok- torarbeit. Heftig sei das gewesen, erinnert sie sich. „Mehr als vier Stun- den Schlaf die Nacht waren nicht drin.“ Auf die Frage, wie man so ein Jahr durchsteht, ist sie schnell bei ihren Eltern. „Ohne soziales Netzwerk ist das nicht zu schaffen. Wenn ich zur Arbeit musste, hat meine Mutter über- nommen.“ Vermutlich liegt es aber vor allem an Christina Schoch selbst. Sie ist nicht der Typ, der abbricht oder aufgibt. Es sei eine bewusste Ent- scheidung gewesen, die Dissertation fertig zu schreiben, sagt sie. „Sonst hätte ich es irgendwann bestimmt be- reut. Und Geld verdienen musste ich auch.“ Kraftakt in der Sedanstraße Seither ist viel passiert: Schoch hat geheiratet, noch zwei Kinder bekom- men und sich beruflich weiterentwickelt. Als persönliche Referentin des Vize- rektors bekam sie unter anderem die Aufgabe, die Studierenden-Services neu zu strukturieren. Die Abteilungen funktionierten gut jede für sich, doch die Studierenden sollten endlich zen- tral beraten werden. Früher lagen die fünf Beratungseinheiten der Universi- tät räumlich auseinander, heute befin- den sie sich alle in der Sedanstraße 6, einem sanierten Gebäude aus den 1950er Jahren. Studierende können sich dort in allen studienrelevanten Fra- gen beraten lassen – egal, ob es um Stipendien, Schulpraktika oder einen Studienplatztausch geht. Mehr als drei Jahre hat die Umstrukturierung gedau- ert. „Erst musste das Projekt durch die Gremien gebracht werden, dann der Umbau, der Internetauftritt, ganz zu schweigen von der Neuverteilung von Aufgaben.“ Bei diesem verwaltungs- technischen und organisatorischen Kraftakt stellten sich ständig neue He- rausforderungen, die sie gemeinsam mit ihrem Team bewältigte. Was nach großer Anstrengung klingt, bezeichnet die SCS-Leiterin als „eine gute Schule“. Ihre Arbeit macht ihr Spaß. Die Universität sei eine sehr lebendige Organisation, der sie viel abgewinnen könne. „Anders als in vielen Unter- nehmen kann man hier trotz begrenz- ter Haushaltsmittel Dinge ausprobie- ren und muss nicht irgendwelchen Kennzahlen hinterherjagen.“ Die SCS-Leiterin erlebt es als sinnstif- tend, junge Menschen vor und wäh- rend des Studiums optimal zu bera- ten. Der Bedarf ist hoch, auch weil das Studienangebot viel größer und viel komplexer ist als früher. „Wir sind eine Volluniversität und wollen unser attraktives Studienangebot bekannt machen – sowohl im persönlichen Be- ratungsgespräch als auch auf Messen oder in Schulen.“ Optimalen Service wollen nicht nur Studierende, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter des SCS. Jüngst haben Schoch und ihr Team ihre Klientel befragt. „Wir wollten wissen, wo genau der Be- darf liegt.“ Projekte wie dieses laufen im Hintergrund, garantieren aber lang- fristig die Qualität der Beratung. Schochs drittes Kind kam im ver- gangenen November zur Welt. Seit Februar 2013 ist sie wieder in der Sedanstraße – in Teilzeit. „Mein Mann und ich teilen uns die Erziehung. Je- der hat eine Dreiviertelstelle.“ Das ist der Plan. „Kein Masterplan“, wie sie betont. Erst müsse man sehen, ob dieses Modell praxistauglich sei. Wenn nicht, wird nachgebessert. Bloß nicht stehen bleiben. Oder, wie Christina Schoch sagen würde: immer weitermachen. Planen, organisieren, lächeln: Christina Schoch, Leiterin des Service Center Studium, hat die Beratungsangebote für Studierende neu strukturiert. Foto: Thomas Kunz Immer weitermachen Christina Schoch ist die neue Leiterin des Service Center Studium, in dem sich Studierende umfassend beraten lassen von Katrin Albaum Wenn der Historiker Dr. Ryan Plumley unterrichtet, steht er seinen Studierenden meist nicht als wissenschaftlicher Experte gegenüber. Er muss sich das Wissen zusammen mit ihnen erarbeiten. Denn eine der Grundlagen des neuen Bachelorstu- diengangs Liberal Arts and Sciences (LAS) am University College Freiburg (UCF) ist das so genannte problemba- sierte Lernen. In Arbeitsgruppen behan- deln die Studierenden und Lehrenden aktuelle Fragen aus den Blickwinkeln unterschiedlicher Disziplinen. Dies sei für die Dozentinnen und Dozenten eine Herausforderung, sagt Plumley: „Ich bin ein Historiker, der das 18. Jahrhundert in Deutschland studiert, und dann muss ich plötzlich in meinem Kurs über Mi- gration sprechen.“ Wichtig ist ihm, dass die Studierenden aktiv lernen und nicht bloß passiv Fachwissen aufnehmen. Die Dozenten übernehmen deshalb eine begleitende Rolle: „Wir wollen zu- sammen mit den Studierenden die Welt entdecken.“ Begonnen hat Plumley, der aus den USA stammt, seine akademische Aus- bildung in einer anderen Fachrichtung: Ein Jahr lang studierte er Ingenieurwis- senschaften. Doch da ihm dieses Stu- dium keinen Spaß machte und er sich schon immer für die großen deutschen Philosophen interessiert hatte, wech- selte er zur Europäischen Geistesge- schichte. Nach seiner Promotion zog er zusammen mit seiner deutsch-französi- schen Frau, die er in den USA kennen- gelernt hatte, 2008 nach Deutschland und unterrichtete zunächst in Berlin an einem kleinen Liberal Arts College. Seine jetzige Stelle am UCF sei sein Traumjob, sagt Plumley: „Es ist groß- artig, ein neues Institut mit aufbauen zu können. Außerdem unterrichte ich gerne. Ich will mein Wissen in die Leh- re einbringen und der nächsten Gene- ration Bildung vermitteln.“ Eine multikulturelle Familie Jetzt lebt er mit Frau und Tochter in Freiburg und würde gerne möglichst lange bleiben. Besonders begeistern ihn die Kultur und die vielen internati- onalen Einflüsse. Die deutsche Büro- kratie dagegen findet er kurios: „Papier scheint in Deutschland ein sakrales Objekt zu sein. Neulich durfte ich ei- nen Projektor nicht ausleihen, bloß weil mir ein Stück Papier mit der rich- tigen Unterschrift fehlte.“ Ärgernisse wie dieses nimmt der 36-Jährige je- doch mit Humor. Er hat eine gelasse- ne, aufmerksame Art und lacht viel. Manches aus seiner Heimat vermisse er in Deutschland, gesteht er. Auch das Essen: „Ich versuche so oft wie möglich amerikanisch zu kochen, zum Beispiel Tacos und Burger. Und am Wochenende gibt es Pfannkuchen zum Frühstück. Meine Tochter freut sich dann immer und ruft: ‚Weekend! Weekend! Pancakes!‘“ Solche kleinen Rituale will er bewahren, denn weil sei- ne Familie „multikulti“ sei, müsse sie sich ihre eigenen Traditionen schaf- fen. Seine Tochter profitiert von den unterschiedlichen Nationalitäten ihrer Eltern nicht nur in kulinarischer Hin- sicht: Sie wächst dreisprachig auf. „Es ist faszinierend zu sehen, wie einfach sie Sprachen lernt“, sagt Plumley, und seine Augen blitzen stolz. Seine Freiburger Arbeitsstelle gefällt ihm auch deshalb, weil die Lehre am UCF nicht fachspezifisch ist, sondern darauf abzielt, den Studierenden eine breitere Perspektive zu vermitteln. Als Historiker mit dem Fachgebiet Euro- päische Geistesgeschichte und dem Forschungsschwerpunkt Deutsche Ro- mantik steht auch Plumley zwischen den Disziplinen, denn neben Ge- schichte hat er Philosophie und Ger- manistik studiert. Deshalb werde ihm manchmal vorgeworfen, kein richtiger Historiker zu sein. „Wer interdisziplinär ist, passt oft nirgendwohin und ist ein bisschen wie ein Außenseiter. Doch wir betrachten ein Problem von ver- schiedenen Seiten, daher können wir in Diskussionen eine neue Sichtweise beisteuern und methodologische oder theoretische Impulse geben.“ Insge- samt ist es Plumley wichtig, dass die Lehre sowohl für ihn als auch für seine Studierenden intellektuell herausfor- dernd ist. „Sie sollen Sachverhalte be- urteilen können und vor allem wollen. Das gilt nicht nur für die Wissenschaft. Denn Bildung dient nicht nur der Be- rufsausbildung, durch sie entwickelt sich die gesamte Persönlichkeit weiter.“ Lässt sich von Landes- und Fächergrenzen nicht aufhalten: Der gebürtige US-Amerikaner Ryan Plumley lehrt am University College Freiburg und hat damit seinen Traumjob gefunden. Foto: Manfred Zahn Außenseiter mit anderer Perspektive Ryan Plumley ist Dozent am University College Freiburg und sieht in der fachübergreifenden Lehre einen Vorteil