05 2014 leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 7 Die Chemikerin Dr. Karen Lien- kamp erhält vom Europäischen For- schungsrat einen mit 1,49 Millionen Euro dotierten Starting Grant, um ei- nen neuen Ansatz zu entwickeln: In Zukunft sollen sich medizinische Ge- räte oder Sensoren, also funktionale regenerieren und wieder einsatzfähig sind. In den kommenden fünf Jahren will Lienkamp mit ihrem Team eine Technologieplattform aufbauen, die es ermöglicht, die oberste funktionelle Polymerschicht eines Multischicht- systems selektiv abzulösen. Dadurch soll der Defekt entfernt und eine neue funktionale Schicht freigelegt werden. Dies kann zum Beispiel die Bildung eines Belags aus Keimen auf medi- zinischen Geräten unterdrücken und so helfen, lebensgefährliche Infektio- nen zu verhindern. Lienkamp arbeitet derzeit an der Professur „Chemie und für Mikrosystemtechnik der Universi- tät Freiburg an ihrer Habilitation und leitet die Nachwuchsgruppe „Bioactive Polymer Synthesis and Surface Engineering“. Biomedizinische Anwendungen der Zukunft Karen Lienkamp hat einen Starting Grant erhalten, der mit 1,49 Millionen Euro dotiert ist. FOTO: BRITT SCHILLING forschen von Stephanie Streif Zukunft zu denken ist ein modernes Phänomen. Im Westen hat sich nach fast zwei Jahrhunderten des Fortschrittsoptimismus eine Skepsis Zukunft in China anders gedacht wird, blickt die Sinologin Prof. Dr. Nicola Spakowski bis in die 1930er Jahre zu- rück. Dazu durchforstet sie Quellen – angefangen von Politikerstatements bis hin zu Schriften von Intellektuellen. „Zeit ist immer auch ein Produkt menschli- cher Vorstellung“, sagt Spakowski. Zukunftskonzepte seien darum extrem kultursensibel, vor allem aber kontext- abhängig. Wer sich die Mühe mache, zurückzublicken und die damaligen Herrschaftssysteme analysiere, ver- stehe besser, was China auch heute noch antreibe. Als Mao Zedong am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausrief, war das Land weit vom westlichen Entwick- lungsstand entfernt: Die ausländische Präsenz während des Kolonialismus des 19. und 20. Jahrhunderts habe China aus seiner eigenen Zeitlichkeit herausgerissen, so Spakowski. „Als sich die Kolonialmächte mit ihren da- mals hochmodernen Kanonenboo- ten vor der Küste Chinas aufbauten, brauchten die Chinesen nur ihre pri- mitiven Waffen anzuschauen, um zu begreifen, dass sie heillos unterlegen sind.“ Für Generationen von Chinesen, die sich um die Zukunft des Landes Gedanken machten, ging es vor allem darum, den Westen möglichst schnell einzuholen. Auch Mao, der – so die landläufige Meinung – eher mit den Bauern sympathisierte, sah China als modernen, industrialisierten Staat. Wissenschaft und Technik lösen den Marxismus ab Zwei wichtige Zukunftskonzepte hat Spakowski auf Chinas Weg in die Mo- die Volksrepublik gegründet, wurde Mao zum Beschleuniger der gesell- schaftlichen Prozesse. Um sein Ziel zu erreichen, mussten die Massen – im China der 1960er und 1970er Jahre waren das vor allem die Bauern – mit viel propagandistischem Eifer von einer sozialistischen Zukunft über- zeugt werden. Die von ihm ausge- löste politische Hektik, die in der de- struktiven Kulturrevolution gipfelte, hatte unter anderem zum Ziel, den Nachbarn Russland ideell, aber auch ökonomisch zu überholen. Zweitens: Mit dem auf Mao folgenden politi- schen Führer Deng Xiaoping, einem Pragmatiker, wurde die chinesische Zukunft wieder neu gedeutet. Dengs Auslandsreisen, die ihn Ende der 1970er Jahre in die USA brachten, hatten ihm den materiellen Rückstand Chinas vor Augen geführt. Aber: Mo- tor der von ihm bevorzugten Entwick- lung war nicht mehr der Marxismus, sondern Wissenschaft und Technik. „Die Wissenschaftsgläubigkeit war das herausragende Kennzeichen dieser Phase, die Orientierung an vermeint- lich objektiven Gesetzmäßigkeiten zentrales Gebot.“ China hat sich so- wohl unter Mao als auch unter Deng stark am Ausland orientiert. „Für nachholende Gesellschaften ist das typisch“, sagt die Forscherin. Auch die aktuelle Regierung stellt der Bevölkerung eine bessere Zukunft in Aussicht und verpackt diese in der Idee des „chinesischen Traums“. Die- ser Begriff ist eine Replik auf den „amerikanischen Traum“ und fordert vor allem die Internetgeneration he- raus, das Recht auf individuelle Träu- me einzuklagen. Denn die Reformpo- litik, so die Sinologin, habe über die Jahre eine Werte- und Interessenviel- falt möglich gemacht. Im Vordergrund der realen Zukunftsgestaltung stehe aber nach wie vor das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts mit allen öko- logischen und sozialen Problemen, die dazu gehören. „Doch während zum Beispiel im Westen viele glau- ben, dass in Sachen Klima nur noch das Allerschlimmste abzuwenden ist, hält sich in China die Vorstellung von Steuerbarkeit und Machbarkeit.“ Viele Chinesen blickten viel optimis- tischer in die Zukunft als ein Großteil der westlichen Welt, die im Vergleich viel reicher sei. Und Bildung werde in China auch als Motor des Aufstiegs verstanden. Fragt sich noch, welche Richtung die chinesische Staatsführung ein- schlagen und welche Antworten sie auf globale Probleme finden wird. Immerhin wird weltweit schon längst darüber diskutiert, ob der Aufstieg Chinas nicht vielleicht mit dem Nie- dergang der USA einhergehen werde. Chinas künftige Rolle sei noch unklar. Und freilich kann auch Spakowski nicht in die Zukunft schauen. Was ihre Untersuchung allerdings liefert, sind Einblicke in das chinesische Selbst- verständnis – damals wie heute. Zurück in Chinas Zukunft Die Sinologin Nicola Spakowski untersucht, wie sich die Vorstellungen von Zukunft im Laufe der Jahrzehnte verändern Wachstum der Wolkenkratzer: In seiner Karikatur „Der Traum des Architekten“ griff der Künstler Feng Zikai die Phantasien einer beschleunigten Entwicklung in den 1930er Jahren auf. FOTO: SANDRA MEYNDT Ab Januar 2015 fördert die Deut- sche Forschungsgemeinschaft den neuen Sonderforschungsbereich (SFB) „Nierenerkrankungen – vom Gen zum Mechanismus (KIDGEM)“ mit zehn Millionen Euro. An dem für vier Jahre bewilligten Projekt sind Freiburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätskli- nikums, der Universität und des Max- Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik beteiligt. Im Mittelpunkt des Forschungsvor- habens stehen die molekularen und zellulären Auswirkungen fehlerhafter Gene auf die Entwicklung und Funk- tion der Niere. Vier bis fünf Prozent der Menschen in Deutschland leiden an einer milden bis schweren Störung der Nierentätigkeit, etwa 100.000 Betroffene müssen mittels Dialyse oder einer Transplantation behandelt werden. In dem SFB wollen die Wis- senschaftler die Grundlagen für eine bessere Diagnose, Behandlung und Prävention genetischer Nierenerkran- kungen schaffen. Dazu werden sie zum einen bereits existierende Pa- tientenregister auswerten und zum anderen genetische Veränderungen an unterschiedlichen Tiermodellen wie Drosophila, Zebrafisch und Fa- denwurm untersuchen. Sprecher ist Prof. Dr. Gerd Walz, Ärztlicher Direk- tor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum. Sonderforschungsbereich zu Nierenerkrankungen Universität richtet „Forschungsstelle Sportmedizin“ ein Rektor Prof. Dr. Hans-Jochen Schie- wer hat die Einrichtung einer „For- schungsstelle Sportmedizin“ angekün- digt. Im Anschluss an die Arbeit der „Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin“ soll die Forschungs- stelle an der Medizinischen Fakultät die Geschichte der Sportmedizin in Freiburg untersuchen. Sie wird wissen- schaftlich unabhängig und zu größt- möglicher Transparenz verpflichtet sein. Die Erkenntnisse der Evaluie- rungskommission sollen die Grund- lage für die Arbeit bilden. Zwei Voll- zeitstellen sind vorgesehen, das Land beteiligen. Mit ihrer Forschung liefert Nicola Spakowski Einblicke in das chinesi- sche Selbstverständnis. FOTO: PRIVAT 052014