06 2013 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 12 menschen von Verena Adt Unter dem Garderobenständer steht Katharina Alys bordeauxroter Koffer – startklar zur nächsten Reise. Im Büro der Leiterin des International Office (IO) der Universität Freiburg sucht man aber vergebens nach bunten Gastgeschenken, die berufliche Vielflie- gerinnen und Vielflieger aus exotischen Ecken mitzubringen pflegen. Nur ein kleiner Buddha, der Besucherinnen und Besuchern von einem Regalbrett entgegenlächelt, lässt an andere Kul- turräume und Zeitzonen denken. Aus welchem Land sie ihn wohl mitgebracht hat? „Den habe ich in Freiburg gekauft, weil er mir so gefiel“, sagt Aly und lacht. „Er sieht aus, als höre er Musik.“ Motor für Innovationen Vor drei Jahren ist Aly von Berlin nach Freiburg gezogen, um die inter- nationalen Beziehungen der Albert- Ludwigs-Universität neu zu gestalten. „Ich sehe Internationalisierung als Mo- tor für Innovationen. Nur mit offenem Blick, im Vergleich und gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnerinnen und Partnern können wir uns verbessern und weiterentwickeln.“ Denn nicht nur Unternehmen, sondern auch akademische Forschung und Lehre müssen sich heute an globalen Maßstäben messen lassen. Beteili- gung an internationalen Forschungs- projekten, fruchtbare Partnerschaften mit Universitäten im Ausland sowie at- traktive Programme für den Austausch von Studentinnen und Studenten sind für die Hochschulen unverzichtbar, um bei weltweiten Rankings mithalten zu können. „Hier hat ein grundsätzliches Um- denken stattgefunden“, stellt die IO- Leiterin fest. Die internationalen Be- ziehungen, früher vielfach „in eine Ecke abgeschoben“, seien im Kern der Entwicklungsstrategie jeder ambitio- nierten Universität angekommen. Aly fühlt sich vom Rektorat bestärkt. „Es ist eine unserer zentralen Aufgaben, die Universitätsleitung strategisch zu beraten.“ Darüber hinaus sind sie und ihr Team aus zehn Personen für die Mobilität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie der Studieren- den zuständig. Sie beraten und unter- stützen die Forschenden bei Auslands- aufenthalten, begleiten ausländische Gastwissenschaftler in Freiburg und steuern die Ströme der Austausch- studenten zwischen Freiburg und ausländischen Partneruniversitäten. Lediglich das ERASMUS-Programm, das den Austausch innerhalb der Eu- ropäischen Union regelt, wird nicht von ihrem Team betreut. Im internationalen Vergleich steht Freiburg gut da, findet Aly. „Viertbeste deutsche Forschungsuniversität im Schanghai-Ranking, überholt nur von den beiden Münchner Hochschulen und Heidelberg – das ist ein gutes Fundament.“ Auch bei den Studieren- den ist – mit etwa einem Viertel Aus- länderinnen und Ausländern in den Master- und einem Drittel in den Pro- motionsstudiengängen – viel erreicht worden. Fahrplan 21 Anfang 2013 hat das Rektorat einen Fahrplan mit 21 Maßnahmen auf den Gebieten Forschung, Lehre und Ler- nen sowie Administration angenom- men. Der Moment, in dem dieser erste Fahrplan zur internationalen Strategie der Albert-Ludwigs-Universität freige- geben wurde, war für Katharina Aly ein wichtiger Meilenstein ihrer Freiburger Mission. Nun arbeitet sie darauf hin, dass die Fakultäten, Fächer und In- stitute sich bei ihren internationalen Projekten selbstständig am Fahrplan orientieren und ihn mitgestalten: „Dann schließt sich der Kreis – das will ich erreichen.“ Den Ehrgeiz und die Fähigkeit, Din- ge zu bewegen, bringt die Literatur- wissenschaftlerin aus ihrem früheren Beruf als Managerin von Nichtregie- rungsorganisationen mit. In Berlin hat- te sie von 2006 bis 2010 die erste deutsche Geschäftsstelle der German Scholars Organization (GSO) aufge- baut und geleitet. Die GSO hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Ausland ar- beitende deutsche Forscherinnen und Forscher zusammenzubringen und sie mit Hochschulen in Deutschland zu vernetzen. Ein Master of Business Ad- ministration in Bildungsmanagement mit dem Schwerpunkt Hochschulbil- dung liefert Aly das Rüstzeug für diese Aufbauarbeit. Die Aufgabe, die internationalen Aktivitäten der Freiburger Universität voranzutreiben, schloss inhaltlich naht- los an das Netzwerken mit weltweit tätigen Wissenschaftlern an. Kathari- na Aly fühlt sich wohl in Freiburg. Sie schätzt die hohe Lebensqualität der Stadt. Aber sie hat noch einen Koffer in Berlin, wo sie häufig ihre Wochen- enden verbringt. von Thomas Goebel Im Herbst 2013 kam für Julien Ben- der einiges zusammen: ein Halb- tagsjob als Mitarbeiter des Freiburger Bundestagsabgeordneten Gernot Erler, der Bundestagswahlkampf bis zum 22. September, die eigene Wahl zum Kreisvorsitzenden der Freiburger SPD am 12. Oktober. Und dann war da noch sein Examen im Fach Politik an der Universität Freiburg – münd- liche Prüfung am 22. Oktober. „Das zurückliegende Jahr war schon ein bisschen grenzwertig“, sagt er, wenn man ihn danach fragt. Der 28-Jährige ist nämlich keiner, der gleich zu Beginn eines Gesprächs unaufgefordert erzählt, wie gestresst er sei oder was er Wichtiges zu tun habe. Bender nimmt sich Zeit. Locker und konzentriert sitzt er am Konfe- renztisch im Freiburger SPD-Büro in der Merzhauser Straße. Neben ihm liegt ein Tablet, auf dem er manchmal einen Termin nachschaut, wenn das Gespräch darauf kommt. Im Sommer hat der Student seine Prüfungen im Fach Geschichte abgelegt, jetzt fehlt noch die Zulassungsarbeit – dafür war vorher keine Zeit. Abgabetermin: 30. Januar 2014. „Langsam steigt der Druck“, sagt er und lacht. Seine von der Freiburger Althistori- kerin Prof. Dr. Sitta von Reden betreute Arbeit befasst sich mit der Demokratie im Athen des 4. Jahrhunderts vor Christus. Dort gab es keine Wahlen, sondern eine Volksversammlung, in der jeder Bürger Mitglied war: „eine Bürger- oder Marktplatzdemokratie“, auch wenn es aus heutiger Sicht pro- blematisch sei, dass etwa Frauen und Sklaven nicht dazuzählten. „Man kann davon ausgehen, dass die Beteiligung der Bürger sehr hoch war.“ Wie die demokratischen Prozesse aussahen, interessiert den Studenten. Er möchte sie mit partizipativen Demokratiemo- dellen des Sozialphilosophen Jürgen Habermas verbinden. Der Spagat zwischen Kommunalpo- litik und Studium sei anregend, findet Bender: „Es ist schön, nachts in der Bibliothek zu sitzen und sich philoso- phisch mit Problemen auseinanderzu- setzen – und dann wieder in den kon- kreten Politikbetrieb einzusteigen. Ich glaube, das tut beiden Bereichen gut.“ Zur SPD kam er auf einer evangeli- schen Internatsschule in Schwäbisch- Hall: „Dort wurde sehr viel Wert auf soziales Engagement gelegt – dafür konnte man sich dann ein paar andere Dinge erlauben.“ Bei einer Organisa- tion wie Amnesty International mitzu- arbeiten wäre ihm thematisch zu eng gewesen, obwohl Flüchtlingspolitik ihm wichtig ist. Er ließ sich die Unterlagen der Grünen und der SPD schicken. „Teilweise habe ich die sogar gelesen“, scherzt er. Der Schwerpunkt auf sozi- alen Themen gab dann den Ausschlag für die SPD. „Bis heute habe ich das nicht bereut – auch wenn ich mit mei- ner Partei manchmal überkreuz liege.“ Flexibel und unabhängig bleiben Er organisierte Wahlkämpfe mit und war drei Monate Praktikant in der SPD-Landtagsfraktion. Als Stu- dienanfänger in Tübingen wurde er Vorsitzender der Jusos, der SPD-Ju- gendorganisation, in seiner Heimat- stadt Esslingen. Nach zwei Semes- tern wechselte er nach Freiburg, wo seine Freundin wohnte – und wurde auch dort nach einem Jahr Juso-Chef. „Die waren in Freiburg sehr aktiv, aber niemand wollte so richtig Vorsitzen- der werden.“ Also machte er es selbst, wurde auch gleich Koordinator der Juso-Hochschulgruppen in Baden- Württemberg und nahm an den Sit- zungen des SPD-Landesvorstands teil. Heute ist er südbadischer Vertreter in der „Arbeitsgemeinschaft für Bildung“ der Landespartei. „In der Politik kann es sehr schnell gehen“, sagt Bender. Gerade deshalb sei es ihm wichtig, sein Studium zum Abschluss zu bringen, „um eine ge- wisse Unabhängigkeit zu haben und zu wissen, ich kann auch anderes als Politik“. Er schließt nicht aus, irgend- wann für den Landtag oder den Bun- destag zu kandidieren, „das ist aber kein planbares Berufsziel“. Ins Lehr- amt zieht es ihn momentan nicht, Jobs als Fraktionsmitarbeiter oder in der Politikberatung kann er sich dagegen gut vorstellen. Nach der Zulassungs- arbeit will er sich erst einmal auf sein Amt als Vorsitzender der Freiburger SPD und auf seine momentane Stelle bei Gernot Erler konzentrieren: „Ich hoffe, dass jetzt eine ruhigere Phase kommt.“ Job, Politik, Studium: „Wichtig ist vor allem, dass es Spaß macht.“ Ohne gemeinsames Lernen hätte es wohl nicht geklappt, sagt er, ohne ein paar Freunde mit viel Verständnis auch nicht. Hinzu komme eine gewisse Selbstdis- ziplin „und die Fähigkeit, das Chaos irgendwie zu verwalten“. Und dann lobt Bender, ganz Hochschulpolitiker, noch die Flexibilität der alten Prüfungsord- nungen – und der Seminarzeiten: „Am Arnold-Bergstraesser-Institut gibt es ein schönes Seminar von 20 bis 22 Uhr. Das war immer eine gute Zeit für mich.“ Termindruck, aber gute Laune: Julien Bender beschäftigt sich in der Bibliothek gern philosophisch mit Problemen – und taucht danach wieder in den alltäglichen Politikbetrieb ein. Foto: Thomas Goebel Das Chaos verwalten Julien Bender ist neuer Vorsitzender der Freiburger SPD, hat einen Halbtagsjob und macht gerade sein Examen in Politik Der bordeauxrote Koffer steht in Katharina Alys Büro zur nächsten Reise bereit – einen weiteren hat die Leiterin des International Office in Berlin, wo sie häufig ihre Wochenenden verbringt. Foto: Thomas Kunz Im Kern angekommen Katharina Aly steuert die internationalen Beziehungen der Universität Freiburg