06 2013 unı leben Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg www.leben.uni-freiburg.de 4 von Katrin Albaum Ein Studienfach prägt. Für Forstwis- senschaftlerinnen und Forstwissen- schaftler besteht ein Wald nicht nur aus hübschen Bäumen. Beim Spazieren- gehen analysieren sie verschiedene Pflanzenarten, deren Zustand und Ver- breitung – und achten im Winter beson- ders auf die Weihnachtsbäume. Prof. Dr. Uwe Eduard Schmidt ist in dieser Hin- sicht ein doppelter Experte: Er hat die Professur für Wald- und Forstgeschich- te an der Albert-Ludwigs-Universität inne und arbeitete während seiner Stu- dienzeit als Weihnachtsbaumverkäufer. Daher weiß er: Die Bäume sind kurz vor den Feiertagen nicht frischer oder billi- ger, die Auswahl ist nur kleiner. „Wenn ich einen Baum für meine Familie kaufe, bin ich sehr kritisch.“ Er bevorzugt die Tanne: Sie hält lan- ge, und ihre Nadeln sind besonders weich und duften außergewöhnlich. Die heimische Weißtanne empfehle sich in der Schwarzwaldregion eher als Weihnachtsbaum als die Nordmanntan- ne, die in der Regel eine weite Reise hinter sich hat. Die Tanne hat aller- dings größere Internodien als die Fich- te, also weitere Abstände zwischen den Ästen. „Das Kabel zwischen den elektrischen Kerzen muss dann länger sein“, sagt Schmidt. Von echten Kerzen als Dekoration rät der Wissenschaftler ab: Die Luft zwischen den Nadeln kann mit Schwebstoffen und ätherischen Ölen angereichert sein. „Wenn dann jemand die Kerzen ansteckt, ist es so, als würde man ein Gas entzünden. Der Baum kann Feuer fangen oder sogar explodieren.“ Chemische Reaktion bei Kerzen Eine Kerze gehört somit nicht auf den Baum, aber für die meisten Menschen zur Weihnachtszeit dazu. Explosionen und Kerzenflammen basieren auf che- mischen Reaktionen. Davon sehen Wis- senschaftler vor und nach den Feierta- gen viele, zum Beispiel, wenn Plätzchen beim Backen dank Backpulver aufge- hen oder auf dem Braten eine knusprige Kruste entsteht. „Bei der Kerzenflamme handelt es sich um eine exotherme Re- aktion“, erklärt Dr. Dmytro Ostrovskyi vom Institut für Organische Chemie. „Das heißt, dass Energie in Form von Wärme und Licht abgegeben wird.“ Weihnachtskerzen bestehen meist aus Paraffin, seltener aus Stearin oder Bienenwachs. Paraffin wird aus Erd- öl gewonnen und setzt sich aus Koh- lenwasserstoffmolekülen zusammen. Den Docht tränken die Hersteller unter anderem in Ammoniumchlorid, damit er nicht so schnell abbrennt. Nach dem Anzünden erhitzt der brennen- de Docht das Kerzenwachs: „Die Mo- leküle im Paraffin zerfallen aufgrund der hohen Temperatur. Es bilden sich weniger schwere Kohlenwasserstoffe, die um den Docht herum aufsteigen und anfangen zu brennen“, erläutert Ostrovskyi. Für Ethnologinnen und Ethnologen ist Weihnachten ebenfalls spannend. Juniorprofessorin Dr. Anna Meiser vom Institut für Ethnologie sieht es als ein Fest, das Tradition und Kreativität vereint. Das zeige sich zum Beispiel in kulturellen Aneignungsprozessen, wie sie in Amazonien zu beobachten sind: Dort feiert man im Regenwald in manchen Dörfern erst seit einigen Jahrzehnten Weihnachten. Die Men- schen haben aber manche Abläufe und Details verändert und lesen bei- spielsweise während des Gottesdiens- tes Geschichten aus ihrer ursprüng- lichen Mythologie vor. Insofern ist Weihnachten ein globales Fest, für das Menschen weltweit eigene Bräuche und Sitten haben, die aber auch inner- halb eines Landes unterschiedlich sein können. „Selbst in Deutschland gibt es viele regionale Eigenheiten“, erklärt Meiser. Zudem findet sie es interes- sant, dass Weihnachten die Menschen ganzheitlich beschäftigt. Das Fest sei von einem rein christlichen zu einem Familienfest transformiert worden, bei dem beispielsweise durch Geschenke Beziehungen erhalten, bestätigt oder auch neu geschaffen würden. Kraftvolle Komposition Musikwissenschaftler horchen auf, wenn festliche Lieder erklingen: „Es gibt eine lange Tradition weihnacht- licher Musik, die bis ins Mittelalter zurückreicht“, sagt Prof. Dr. Christian Berger vom Musikwissenschaftlichen Seminar. Inzwischen jedoch hat die Popmusik die ganze Welt erobert, und ihre Satztechnik sowie Ästhetik prägen weitgehend den Geschmack. „Was nicht in dieses Raster passt, wird ent- weder ausgeschlossen oder passend gemacht.“ Berger empfiehlt Musik, die die Komponistinnen und Komponisten von vornherein für die weihnachtliche Besinnung und für den liturgischen Ge- brauch geschaffen haben. Dazu ge- hören zum Beispiel Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“ und die „Weihnachtshistorie“ des Dresdener Hofkapellmeisters Heinrich Schütz. „Solche Kompositionen haben Kraft. Sie vermitteln den Kern der weihnacht- lichen Botschaft, selbst wenn man den Text womöglich nicht versteht.“ Zum Weiterlesen Im Wissenschaftsportal Surprising Science der Universität Freiburg kön- nen Sie nachlesen, welcher Weih- nachtsbaum am umweltfreundlichs- ten ist: Informationen zu ausgewählten Weihnachtsliedern bietet die Daten- bank des Deutschen Volksliedarchivs Freiburg: aktuell www.pr.uni-freiburg.de/go/ weihnachtsbaum O du wissenschaftliche Weihnachtszeit O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit: Die Tradition weihnachtlicher Lieder und Kompositionen reicht bis ins Mittelalter zurück. FOTO: TAB62/FOTOLIA Vom rein christlichen zum Familienfest: Geschenke erhalten und bestätigen Beziehungen – manch- mal schaffen sie sogar neue. FOTO: MONKEY BUSINESS/FOTOLIA Advent, Advent, ein Lichtlein brennt: Die Flamme der Kerze entsteht durch eine chemische Reaktion. FOTO: FLORIANFOTOLIA/FOTOLIA Die Tanne nadelt wenig und duftet besonders, dafür sind die Abstände zwischen ihren Ästen weiter als bei der Fichte. FOTO: MIKET/FOTOLIA www.liederlexikon.de Forscher der Universität Freiburg zeigen, wie ihr Fach ihren Blickwinkel auf das Fest beeinflusst