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uni'wissen 01-2012

Neulich war Prof. Dr. Hans Joas in den USA zum Dinner eingeladen. Der amerikanische Gastgeber pflegte vorbildlich den Smalltalk und erkundigte sich bei dem Soziologen, der gerade ein Buch über Menschenrechte veröffentlicht hatte, ob er denn glaube, dass diese heute gesichert seien. Nein, das seien sie nicht, erwiderte Joas und verwies mit gebotener Vorsicht – schließlich war er Gast – auf das Lager Guantanamo und die Folterpraktiken im Irak. Die Reaktion des Amerikaners hatte er fast vorhergesehen: „Also bitte, Guantanamo und Abu Ghraib, da geht es schließlich um den Schutz der Menschenrechte unserer Bürger.“ Das Argument der nationalen Sicherheit ­hebelt mal so eben die Menschenrechte aus, die in der Allgemeinen Erklärung der Vereinten ­Nationen aus dem Jahr 1948 festgehalten wur- den? „Daran sieht man sehr gut, dass es nicht genügt, etwas im Recht festzuschreiben. Die Menschen müssen sich auch an den entspre- chenden Werten orientieren und sich zum Beispiel bei Verstößen empören“, sagt Joas. In seinem vor wenigen Monaten erschienenen Buch „Die Sakralität der Person – Eine neue Genealogie der Menschenrechte“ hat er dafür ein Dreieck aus den Begriffen Werte, Institutionen und Prakti- ken entwickelt. An jeder der drei Ecken kann eine Veränderung angestoßen, aber auch blockiert werden. Zugespitzt gesagt: Was im Gesetz (Insti- tutionen) steht, kann folgenlos bleiben, wenn es nicht durch intellektuelle Diskurse (Werte) und das Leben im Alltag (Praktiken) gesichert ist. Im Gegenteil, die Nichtakzeptanz an zwei Ecken bringt die Gültigkeit an der dritten ins Wanken. Erforschen, wie Werte entstehen Wer also die Menschenrechte stabilisieren möchte, muss sie auch auf der Ebene der Werte verteidigen. „Da wir unsere Werte nicht bewusst wählen, sondern sie durch bestimmte intensive, uns ergreifende Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen, für uns entdecken, ­helfen uns Erinnerungen an eben jene Erfahrun- gen auch dabei, Werte zu sichern“, sagt Joas. Um ein Folterverbot dauerhaft aufrechterhalten zu können, müssen Erinnerungen an die Folter- praktiken in den vergangenen Jahrhunderten und an ihre Überwindung präsent gehalten ­werden. In „Die Sakralität der Person“ beschäftigt sich Joas unter anderem mit historischen Ereig- nissen wie der Abschaffung der Folter in Europa im 18. Jahrhundert und der damit verbundenen Entstehung von Werten. Diese Monografie ist sein erstes Projekt am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS). Joas ist dort Permanent Fellow der School of History. Bis März 2011 hat er das Max-Weber- Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche „Da wir unsere Werte nicht bewusst wählen, sondern sie durch bestimmte intensive, uns ergreifende Erfahrungen, die wir im Laufe unseres ­Lebens machen, für uns entdecken, helfen uns Erinnerungen an eben jene Erfahrungen auch dabei, Werte zu sichern“ Religion bleibt in modernen Gesellschaften offenbar ein Massenphänomen. Beispielsweise haben im September 2011 etwa 100.000 Gläubige in Freiburg einen Gottesdienst mit Papst Benedikt XVI. gefeiert. Foto: Kunz 25

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