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uni'wissen 01-2012

Studien an der Universität Erfurt geleitet. Nun hat er als Fellow am FRIAS Zeit, seine Ideen und Arbeiten zum großen Thema „Sakralisierung und Säkularisierung“ zu verfolgen. „An vielen Sachen arbeite ich schon seit Jahren, doch als Leiter ­eines Instituts fehlte mir einfach die Zeit, existie- rende Rohfassungen für den Druck fertig zu ma- chen. Hier wollte ich noch ein bestimmtes Buch zur Debatte lesen, dort brauchte ich noch Muße, um ein Kapitel zu beenden“, erzählt Joas. Die Zeit am FRIAS bietet ihm nun die ideale Möglich- keit, lange schlummernde Projekte zügig hinter- einander zum Abschluss zu bringen. „Ich leide darunter, wenn ich in Projektmuster gezwängt werde“, sagt Joas. Ein bisschen, sagt er, sei das Forschen doch wie Kochen. „Stellen Sie sich vor, Sie haben mehrere Töpfe auf dem Herd. Sie rühren hier und würzen dort, gleichzeitig müssen Sie aufpassen, dass nichts anbrennt, aber Sie ­können auch kein Gericht zum Fertigwerden zwingen. Alles braucht seine eigene Zeit.“ Mit scheinbaren Gewissheiten aufräumen Auf die „Sakralität der Person“ folgt im Juni 2012 – scheinbar Schlag auf Schlag, doch tat- sächlich lange vorbereitet – das Buch „Glaube als Option. Zukunftsmöglichkeiten des Christen- tums“. Darin beschäftigt sich Joas, um die heutige Situation von Religion näher zu beleuchten, mit zwei Pseudogewissheiten, die die religionspoli­ tischen Debatten lange dominierten. Zum einen ist da die Prophezeiung der Ungläubigen, die seit dem 18. Jahrhundert vorhersagen, der Glaube werde so oder so verschwinden und der Lauf der Zeit zu einer Säkularisierung führen. Zuvor hatte sich in Europa die Frage, ob gläubig oder nicht, überhaupt nicht gestellt. Gewählt werden konnte allenfalls die Religion. Dann jedoch wurde es möglich, sich öffentlich zum Unglauben zu ­bekennen. Durch neue, aufgeklärte Denk­ strömungen entwickelte sich diese „säkulare ­Option“, wie es der kanadische Philosoph Prof. Dr. Charles Taylor formuliert hat. Dessen Arbeit wiederum war die Basis für Joas’ Gedankengänge. „In den vergangenen 20 Jahren ist die in Religions- soziologie und Religionshistorie verbreitete These, dass Modernisierung zwangsläufig Säkulari­ sierung nach sich ziehe, praktisch zusammen­ gebrochen“, sagt Joas und stellt die logische Frage: „Wenn nicht Modernisierung zur Säkularisierung führt – was dann?“ Der zweite Aspekt in „Glaube als Option“ ist ebenfalls eine Vorhersage, diesmal jedoch die der Gläubigen. Sie dachten und behaupteten lange, wer nicht glaube, werde unglücklich. Komplett ­religionslosen Gesellschaften sagten sie gar den moralischen Verfall voraus. „Es sieht aber empi- risch eher so aus, dass auch das nicht zutrifft“, sagt Joas und kommt zu dem Schluss: „Wir müs- sen über Glaube ganz anders reden, denn wir können weder sagen, dass er sowieso wegfällt, noch dass wir unglücklich oder unmoralisch werden, wenn er wegfällt.“ Das neue Buch stellt einen Versuch dar, das Geforderte zu praktizieren. Ein dritter, nicht minder wichtiger Teil des ­Gesamtkomplexes „Sakralisierung und Säkulari- sierung“ ist Joas’ Arbeit zur so genannten Achsen- zeit. Im Herbst 2012 soll dazu ein Sammelband erscheinen, den Joas gemeinsam mit dem ameri- kanischen Soziologen Prof. Dr. Robert Bellah Gesetze allein reichen nicht aus: Die Menschen- rechte müssen auch durch intellektuelle Diskurse und das Leben der Men- schen im Alltag gesichert werden. Das Gemälde von Jean-Jacques-François Le Barbier zeigt die ­Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und ist um 1789 in Frankreich entstanden. Foto: Wiki- media Commons „In den vergangenen 20 Jahren ist die in ­Religionssoziologie und Religionshistorie verbreitete These, dass Modernisierung zwangsläufig Säkularisierung nach sich ­ziehe, praktisch zusammengebrochen“ 26

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