Porträt alumni-netzwerk uni'alumni 2016 „Für mich hat sich eine Welt geöffnet“ Die Juristin Bettina Limperg steht dem Bundesgerichtshof als Präsidentin vor Eine absolute Wahrheit: Die kann es nicht geben, wenn Menschen einen Streit vor Gericht ausfechten. Schließ- lich ist das Leben keine mathematische Gleichung, die fein säuberlich „richtig“ von „falsch“ trennt. Doch eine Richterin oder ein Richter muss entscheiden. Da sei kein Platz für „Ich weiß es nicht“ oder „Das ist aber schwierig“, sagt Bettina Limperg. „Es gibt zwar Regeln, die einem die Ent- scheidung erleichtern, doch die Verant- wortung kann einem niemand abnehmen.“ Die Juristin verklärt ihren Beruf nicht. Gerade darin zeigen sich ihre Leiden- schaft und Hingabe: Bettina Limperg ist Richterin aus Überzeugung – und seit 2014 die Präsidentin des Bundesge- richtshofs. Die Instanzen der ordentli- chen Gerichtsbarkeit kennt sie von Grund auf. Limperg hat bereits am Amtsgericht, am Landgericht und am Oberlandesgericht Urteile gesprochen. Plakate und laberkreis Der Wunsch, Richterin zu werden, reifte früh in ihr heran. Als 16-Jährige meldete sich Limperg an ihrem Gymnasium in Wuppertal zu einer Rechtskunde-AG an. Ein Richter vom Landgericht debattierte mit den Schülerinnen und Schülern Fälle aus dem Zivil- und Strafrecht und machte sie mit dem deutschen Recht vertraut. „Für mich hat sich eine Welt geöffnet“, erinnert sich Limperg. 1979, als sie sich für ein Studium der Rechtswissenschaften einschrieb, be- gann sie den neu entdeckten Kosmos näher zu erforschen. Dass sie in Freiburg landete, war ein Zufall: Die damalige „Zentralstelle für die Vergabe von Studien- plätzen“ entschied über den Studienort. „Ich habe den Süden aber schnell schät- zen gelernt.“ In ihrer Freizeit erkundete sie den Schwarzwald zu Fuß oder mit dem Fahr- rad. Auch das Studium generale nutzte die Studentin. „Das ist das Tolle an einer Universitätsstadt: Man sieht morgens ein Plakat und setzt sich abends in die Ver- anstaltung.“ Limperg interessierte sich für Geschichte, Politik und Philosophie – sie wollte auch Disziplinen kennenlernen, die an die Jurisprudenz grenzen. Die fand übrigens nicht nur im Hörsaal statt: „Mit ein paar Freundinnen und Freunden haben wir den ‚rechtsphilosophischen Laberkreis‘ gegründet.“ Der war aller- dings seriöser als sein Name: „Wir trafen uns regelmäßig, lasen rechtsphilosophi- sche Schriften und diskutierten Kernfra- gen der Rechtswissenschaft.“ Ihre erste Stelle als Richterin trat Limperg mit 29 Jahren an. Als junge Frau habe sie das eine oder andere Mal um ihr „Standing im Gerichtssaal“ kämpfen müssen. Heute setzt sie sich dafür ein, dass junge Kolleginnen und Kollegen in Mentoringprogrammen an die Aspekte des Berufs herangeführt werden, die im Studium wenig Raum einnehmen. „An der Universität lernt man nicht, wie man mit Platzhirschen oder unzuverlässigen Zeuginnen und Zeugen umgeht.“ Als Limperg sich vor gut 20 Jahren nicht nur für eine Karriere, sondern auch für Kinder entschied, be- gegneten ihr Vorgesetzte mit Erstaunen: „Sind Sie sicher, dass Sie das wollen? Schadet das nicht den Kindern?“ Sie habe sich ständig erklären müssen, er- innert sich die 55-Jährige. „Auch heute sind wir leider noch weit davon entfernt, dass Frauen Beruf und Familie ganz selbstverständlich vereinbaren können.“ Für rechtsfrieden sorgen Eine Laufbahn als Anwältin wollte die Juristin nicht einschlagen. Sie schätzt die Unabhängigkeit des Richterberufs – keine Mandantinnen und Mandanten, die falsche Informationen liefern; kein Druck, die Kundenkartei stetig zu erwei- tern. Und auch eine Karriere in der Wis- senschaft kam für Limperg nicht in Frage. Sie wollte ihr Wissen anwenden, nicht theoretisieren: „Mir ist es ein An- liegen, ein Teil des Systems zu sein, das für Rechtsfrieden und für Rechtssi- cherheit sorgt.“ Am Bundesgerichtshof fällt sie jedes Urteil übrigens zusammen mit vier wei- teren Richtern. Die Verantwortung werde dadurch aber nicht kleiner: „Wir haben zwar weniger Fälle, müssen jedoch sehr grundsätzliche Entscheidungen treffen.“ Rimma Gerenstein am anfang ihrer karriere musste bettina limperg um ihr standing im Gerichtssaal kämpfen. heute setzt sie sich dafür ein, dass erfahrene Mentoren jungen kollegen kompetenzen vermitteln, die im studium wenig raum einnehmen. Foto: Anja Koehler 14